Der stillgelegte Parlamentarismus: Tausende Euro Strafe für ein kritisches Wort – AfD warnt vor dem schleichenden Verfall der Demokratie im Bundestag.

Im Herzen der deutschen Demokratie, im Plenarsaal des Deutschen Bundestages, scheint sich ein politisches Drama zu entfalten, dessen Tragweite weit über die üblichen parlamentarischen Scharmützel hinausgeht. Es ist die Geschichte eines Gesetzesvorhabens, das unter dem harmlos klingenden Namen „Geschäftsordnungsreform“ daherkommt, von der Opposition jedoch als „Frontalangriff auf die Rechte der Opposition“ und als Versuch, die Meinungsfreiheit mit Geldstrafen zu belegen, gebrandmarkt wird.
Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner betrat die Rednertribüne in einer beklemmenden Atmosphäre. Er wusste, dass jedes seiner Worte unter dem strengen Blick des Präsidiums stand. Schon eine vermeintlich „falsche Wortwahl“ im Plenum kostet einen Abgeordneten bis zu 2.000 Euro, im Wiederholungsfall sogar 4.000 Euro. Diese finanzielle Drohkulisse, die über der Opposition schwebt, soll laut Brandner das „Schweigen legalisieren“.
Mitten in dieser angespannten Stimmung, in der jedes Wort als Beweisstück gegen die Opposition verwendet werden kann, vollzog Brandner einen theatralischen Akt. Er „zauberte plötzlich etwas hervor“, eine Aktion, die Abgeordnete der Grünen und der Linken in Rage versetzte. Brandner nahm die drohende harte Strafe bewusst in Kauf, weil er davon überzeugt ist, dass die „Wahrheit nicht unterdrückt werden darf“. Die Dramatik des Moments entlarvte, was im Parlament in den Augen der Opposition geschieht: die schleichende Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle.
Die „Kartellparteien“ und der Frontalangriff auf Minderheitenrechte
Die von der Ampel-Koalition und der Union (Brandner spricht hier von „Altparteien“ und „Kartellparteien“) eingebrachte Reform des Abgeordnetengesetzes und der Geschäftsordnung wird von der AfD als durchschaubarer Plan zur „Vernichtung der Opposition“ verstanden.
Brandners Hauptkritik zielt auf die Stärkung der willkürlichen Macht des Bundestagspräsidiums und die gleichzeitige Schleifung von Minderheitenrechten. Die Reform gebe den Präsidenten und Vizepräsidenten massive Vollmachten, die er mit der „Knute von Präsidenten, die Mehrheiten nicht immer so bleiben werden wie sie sind“ in Verbindung bringt.
Zu den zentralen Kritikpunkten der AfD an der geplanten Reform gehören:
- Willkürliche Macht über Redezeiten: Die Präsidenten erhalten nahezu „willkürlich“ die Befugnis, das Wort zu erteilen oder zu entziehen, Redezeiten festzulegen und diese beliebig zu kürzen.
- Ausschluss von Abgeordneten: Freigewählte Abgeordnete können „wochenlang aus Sitzungen ausgeschlossen werden“. Dies entspricht einer faktischen Entmachtung und Ausschaltung gewählter Vertreter und wird mit der Bestrafung durch „absolutistische Herrscher“ verglichen.
- Zwischenfragen als Gunst: Die Zulassung von Zwischenfragen obliegt nun dem „Gutdünken der Präsidenten“. Die Kontrolle der Exekutive wird damit zur Gnade der Parlamentsleitung degradiert.
- Nichtbesetzung der Vizepräsidenten-Posten: Brandner kritisiert, dass das Geschäftsordnungsrecht, welches vorschreibt, dass „jede Fraktion des deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten vertreten“ sein muss, seit „fast 8 Jahren“ gebrochen wird. Dies sei ein klarer Verstoß gegen die Rechte der Opposition und ein Zeichen der „Heuchelei demokratischer Teilhabe“.
Die „Beute des Kartells“: Staat, Gericht und Parlament

Brandners Vorwurf geht in die Tiefe der Gewaltenteilung und zielt auf das Vertrauen in die Institutionen selbst. Er unterstellt den Regierungsparteien, sich nacheinander die wichtigsten staatlichen Säulen zur „Beute“ gemacht zu haben:
- Zunächst den Staat: Die Regierung habe sich den Staatsapparat unterworfen.
- Dann das Verfassungsgericht: Die Regierung habe sich das „Verfassungsgericht zur Beute gemacht“.
- Zuletzt den Parlamentarismus: „Heute machen sie sich in Deutschland den Parlamentarismus und unser Parlament zur Beute“.
Diese Anschuldigung basiert auch auf der Kritik am fehlenden effektiven Rechtsweg gegen die parlamentarischen Sanktionen. Zwar könne man theoretisch das Bundesverfassungsgericht anrufen, doch die Verfahren dauern „jahrelang“. Dies schaffe ein „faktisches Nicht-Rechtmittel“. Brandner unterstellt hier eine unzulässige Nähe zwischen Regierung und Richterschaft: Er spricht von Richtern, „mit denen die Regierenden regelmäßig tafeln gehen“.
Die Aushöhlung des Grundgesetzes: Der Angriff auf die Indemnität

Der vielleicht verfassungspolitisch schärfste Angriff Brandners betrifft die Aushebelung der Immunität der Abgeordneten. Das Grundgesetz garantiert im Artikel 46 Absatz 1 (Indemnität), dass Abgeordnete wegen ihrer Abstimmung oder wegen Äußerungen im Parlament nicht gerichtlich oder dienstlich verfolgt werden dürfen – ausgenommen bei verleumderischen Beleidigungen.
Brandner behauptet, dass durch die neuen Ordnungsvorschriften und die 2.000-Euro-Strafen die Indemnität „ausgehebelt“ werde. Eine Geldstrafe, die für eine „falsche Wortwahl“ verhängt wird, ist in seinen Augen ein direkter Angriff auf das im Grundgesetz garantierte freie Mandat und die Redefreiheit des Abgeordneten. Er stuft die neue Geschäftsordnung daher als „klar verfassungswidrig“ ein.
Die AfD wirft der Regierung vor, sie agiere wie „absolutistische Herrscher“ und versuche, die größte Oppositionspartei im Land, die AfD, aus der „Altparteienpolitküche draußen zu halten“, damit die Kartellparteien weiterhin „unbeobachtet ihre Kartellsüppchen weiterkocheln und brodeln lassen können“.
Der Geist der Opposition: Warum Brandner die Wahrheit riskiert
Der Videomacher und die AfD-Fraktion nutzen Brandners Rede, um ein Bild der politischen Verfolgung zu zeichnen. Die „Kartellparteien“ hätten Angst, nicht weil die AfD gefährlich sei, sondern weil sie „das tut, wozu sie sich nicht trauen – die Wahrheit auszusprechen“.
Brandner selbst weist darauf hin, dass der erste Entwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes kurioserweise von der Bundesregierung selbst kam – der Institution, die das Parlament kontrollieren soll. Er sieht darin einen eklatanten Bruch der Gewaltenteilung.
Die beklemmende Realität, in der „Wahrheit zum Verbrechen geworden ist und Schweigen belohnt wird“, dient als Spiegelbild einer Demokratie, die ihre eigenen Regeln umschreibt, um die Macht zu zementieren. Brandners dramatische Geste, mitten in seiner Rede etwas hervorzuzaubern, wird damit zum Symbol des „unerschütterlichen Geistes“ all jener, die sich trotz der angedrohten Bestrafung, Isolation und Verleumdung zur Wort melden.
Die AfD fordert die Abgeordneten der Regierungsparteien auf, die Beratungen im Ausschuss zu nutzen, um „noch mal zu reflektieren, was Sie diesem Parlament hier antun“. Die rhetorische Frage, die im Raum steht und an die Zuschauer gerichtet ist, lautet: „Warum haben Sie so viel Angst vor der AfD, wenn sie unschuldig sind? Warum versuchen Sie dann, die Stimme der Opposition zu unterdrücken?“.
Die Konsequenz dieses „schleichenden Verfalls der Demokratie“ ist laut der AfD, dass das Volk am Ende den Preis für die Unterdrückung der Wahrheit zahlen wird. Die Reform der Geschäftsordnung ist in dieser Lesart kein bürokratischer Akt, sondern der Versuch der etablierten Parteien, die parlamentarische Kontrolle ein für alle Mal auszuschalten und eine „Scheindemokratie“ zu etablieren, in der die Opposition nur noch eine Statistenrolle spielt. Der Kampf im Bundestag ist damit ein Kampf um die fundamentalen Rechte der parlamentarischen Minderheit und die verfassungsmäßige Ordnung Deutschlands.