Rot-Braune Polit-Linie? AfD-Brandner zieht Schock-Vergleich: Mietendeckel steht in der Tradition der NS-Preisstoppverordnung.

Das Gespenst der Totalität: Wie die AfD die Linkspartei durch den Vergleich mit NS- und SED-Diktaturen zu delegitimieren versucht.

Der Deutsche Bundestag ist traditionell der Ort der schärfsten politischen Auseinandersetzungen, doch was sich am Donnerstagnachmittag in Berlin ereignete, überschritt selbst für hartgesottene Beobachter eine rhetorische Schmerzgrenze. In einer Rede, die nur kurz nach Beginn die Empörung der Zuhörer hervorrief und zum sofortigen Eingreifen des Präsidiums führte, griff der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner die Fraktion Die Linke mit einer beispiellosen historischen Analogie an.

Brandner beschuldigte Die Linke, sich mit ihren sozialistischen Forderungen zur Enteignung von Wohnungseigentümern und dem bundesweiten Mietendeckel in eine „rot-braune Politiklinie“ zu stellen. Er zog eine direkte und schockierende Parallele zwischen der aktuellen Mietpolitik der Linkspartei und den totalitären Instrumenten der nationalsozialistischen Diktatur (NSDAP) sowie der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), der historischen Vorgängerin der Linken. Der Vorwurf lautet: Die Linke agiere mit „Enteignungs-, Zerstörungs- und Entrechnungsfantasien“, die auf den dunkelsten Kapiteln deutscher Geschichte fußen.

Der Kern des Angriffs: Klassenkampf und Tötungsfantasien

Brandners Rede begann mit einer scharfen ideologischen Abgrenzung, in der er den Antrag der Linkspartei als „linkes Klassenkampf Getöse“ und „Hass und Hetze gegen Vermieter“ brandmarkte. Er warf der Linken vor, nichts aus den „40 Jahren Sozialismus“ gelernt zu haben. Als historische Referenz für die Politik der Zerstörung zitierte er zynisch den berüchtigten Spruch aus der DDR: „Ruinen schaffen ohne Waffen“.

Anschließend verschärfte Brandner seine Attacke ins Extreme, indem er der Linken „Fantasien zur Tötung von Reichen“ unterstellte. Er spielte auf das kontroverse Zitat über das „Erschießen von 800.000 Reichen in Deutschland“ an, ergänzt durch die Alternative, sie „wahlweise ins Lager zu sperren“.

Diese beispiellose Eskalation der Rhetorik führte zur sofortigen Reaktion des Präsidiums. Der amtierende Bundestagspräsident wies die Unterstellung explizit zurück, es gäbe seitens der Abgeordneten der Linkspartei „Fantasien 800.000 (Reiche) zu töten“. Die Tatsache, dass ein amtierendes Präsidiumsmitglied die in einer Bundestagsrede getätigten Aussagen sofort zurückweisen musste, unterstreicht die Schwere und die Grenzen überschreitende Natur von Brandners Anschuldigungen.

Für Brandner und die AfD war der Einstieg in diese Debatte jedoch strategisch: Er nutzte die Kontroverse um die extremen Äußerungen der Vergangenheit, um die Linke ideologisch als radikale, gewaltbereite Kraft zu framen, die über die demokratischen Grundsätze hinausgeht.

Die Rot-Braune Tradition: Vom Hakenkreuz zum Mietendeckel

Der zentrale und politisch explosivste Teil von Brandners Rede war die detaillierte Herstellung einer historischen Kontinuität der Enteignungspolitik. Er argumentierte, dass die Forderungen der Linken zur Enteignung von Wohnungseigentümern und zur Mietregulierung in einer „ganz, ganz schlechter Tradition“ stünden, und zwar nicht nur der „roten“, sondern auch der „braunen Sozialisten“.

Brandner führte aus, dass bereits im Jahr 1936, dem „vierten Jahre der Herrschaft der Nationalsozialisten“, das deutsche Mietrecht grundlegend verändert wurde, um es der zentralen Steuerung des NS-Staates anzupassen. Konkret nannte er die Einführung von „Bestimmungen zur Wohnraum Bewirtschaftung und zur Kündigungsbeschränkungen“.

Der entscheidende Vergleich zielte jedoch auf die Wirtschaftskontrolle:

Die NS-Preisstoppverordnung (1936): Im November 1936 sei mit der Verordnung über das Verbot von Preishöhungen – der sogenannten Preisstoppverordnung – ein umfassendes Verbot von Preishöhungen für Güter und Leistungen, einschließlich Mieten, eingeführt worden.

Der Zweck: Laut Brandner war diese Maßnahme Teil der nationalsozialistischen Preis- und Lohnpolitik, die eine „vollständige Kontrolle über die Wirtschaft“ anstrebte.

Genau in dieser Maßnahme sieht Brandner die ideologische Blaupause für den modernen Mietendeckel. Die staatlich verordnete und umfassende Kontrolle des Preises für Wohnraum, so die These, sei ein faschistisches Instrument der zentralisierten Wirtschaftslenkung gewesen.

Von der NSDAP zur SED: Die Fortsetzung der totalitären Kontrolle

Die historische Argumentation Brandners ließ nicht bei der Nazi-Diktatur Halt, sondern schlug sogleich die Brücke zur kommunistischen Vergangenheit Deutschlands, dem Gründungsmythos der Linkspartei. Er führte aus, dass die genannten NS-Verordnungen bis 1945 in Kraft blieben. Nach dem Krieg habe die sowjetische Militäradministration (SMAD) und danach die SED (heute genannt Die Linke) die Politik der zentralen Wohnungsverwaltung bis zur Wiedervereinigung fortgesetzt.

Die Implikation ist damit klar: Die Politik zur „Entrechnung von Wohnungseigentümern“ ist für Brandner eine durchgehende totalitäre Linie von 1933 bis 1990, die nun durch Die Linke reaktiviert werde. Er stellt fest: „Genau in dieser Tradition stehen sie [Die Linke] und genau das versuchen Sie hier auch zu machen“.

Die Kaskade der Enteignung: Linke Anträge als Beweiskette

Um seine These von der „rot-braunen Politiklinie“ zu belegen, listete Brandner eine „Kaskade von gleichgerichteten Anträgen“ auf, die Die Linke in den letzten Jahren in den Bundestag eingebracht habe. Diese Anträge, so die AfD, seien keine Einzelfälle, sondern ein systematischer Versuch, Eigentümern die Kontrolle über ihren Besitz zu entziehen und damit die gesamte Wohnungswirtschaft zu zerstören.

Zu den von Brandner genannten konkreten Beispielen gehören:

Erweiterung von Auskunftspflichten der Vermieter.

Antrag „Mietenpreisanstieg stoppen“ (2018).

Forderung nach einem „bundesweiten Mietendeckel“ (2020), den er explizit mit der Nazi-Preisstoppverordnung gleichsetzte.

Anträge auf Kündigungsverbot und Mietenstoppen (2022 und 2025).

Der aktuelle Gesetzentwurf zum Mietwuchergesetz.

Die Zusammenstellung dieser Anträge soll dem Publikum die Vorstellung vermitteln, dass es sich um eine ideologisch motivierte Agenda handelt, deren Endziel die vollständige Enteignung und Zerstörung des freien Wohnungsmarktes sei – ein Ziel, das in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts erreicht wurde.

Die „Einzige Suppe“: Ausweitung der Kritik auf die Grünen

Brandner beließ es nicht bei der Linkspartei. Er nutzte die Gelegenheit, um die gesamte linke und progressive politische Landschaft Deutschlands in seine Kritik einzubeziehen. Die Tatsache, dass sich „die Grünen auch dafür aussprechen“, sah Brandner als Bestätigung seiner These, dass es sich um „eine einzige Suppe“ handle, die Deutschland nicht guttue.

Diese rhetorische Ausweitung verfolgt ein klares politisches Ziel: Sie soll das gesamte linke Spektrum, von der Linkspartei bis zu den Grünen, als ein monolithisches, dem deutschen Bürgertum feindlich gesinntes Bündnis darstellen, dessen Politik in ihrer Essenz zur Enteignung und zur ökonomischen Zerstörung führe. Die AfD versucht damit, sich selbst als den einzigen verlässlichen Schutzwall gegen einen „rot-grünen“ Enteignungssozialismus darzustellen.

Fazit und politische Sprengkraft

Brandners Rede ist ein Lehrstück in aggressiver, polarisierender Rhetorik, die gezielt die emotionalsten und schmerzhaftesten Bezugspunkte der deutschen Geschichte missbraucht. Die AfD versucht, durch den direkten Vergleich zwischen dem modernen Mietendeckel und der Preisstoppverordnung von 1936 die politische Legitimität eines Gegners fundamental zu erschüttern. Die Anschuldigung der „rot-braunen Fantasien“ ist ein kalkulierter Angriff, der die Linkspartei in die Nähe von menschenverachtenden, diktatorischen Regimen rückt.

Obwohl die Gleichsetzung eines modernen Gesetzentwurfs mit den ideologischen Grundpfeilern des Nationalsozialismus in der politischen Wissenschaft und bei den anderen Fraktionen auf schärfste Ablehnung stößt, ist die politische Wirkung dieses Angriffs unbestreitbar. Die Rede hat das politische Klima im Bundestag vergiftet und die Diskussion über die Wohnungspolitik in eine Debatte über die extremen politischen Traditionen Deutschlands verwandelt.

Brandner beendete seine Rede mit der klaren Aufforderung: „Sagen wir gemeinsam Nein zu diesem Unsinn, stehen wir für Freiheit auch auf dem Mietenmarkt!“. Damit hat die AfD die Debatte erfolgreich von einer sachpolitischen Frage (Mieten) in eine fundamentale ideologische Frage (Freiheit vs. Totalität) verschoben und sich als Hüterin der liberalen, marktwirtschaftlichen Ordnung inszeniert – selbst wenn dieser Anspruch durch eine rhetorische Grenzüberschreitung erkauft wurde. Die Konfrontation im Bundestag verdeutlicht einmal mehr die wachsende Schärfe und die zynische Instrumentalisierung der Geschichte in der aktuellen politischen Auseinandersetzung.

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