Chaos zum Schnäppchenpreis: Wie Mike Mohring bei Maischberger das 9-Euro-Ticket als Armutszeugnis der deutschen Verkehrspolitik zerpflückt

Die politische Talkshow „maischberger“ dient regelmäßig als Barometer für die Stimmung im Land und die strategischen Grabenkämpfe zwischen Regierung und Opposition. In einer viel beachteten Ausgabe nahm der erfahrene CDU-Politiker und ehemalige Vorsitzende der Thüringer CDU-Landtagsfraktion, Mike Mohring, Platz, um die umstrittenste verkehrspolitische Maßnahme der jüngeren deutschen Geschichte zu analysieren: das 9-Euro-Ticket. Mohrings Auftritt war dabei keine bloße Kritik an der Ampelkoalition; es war eine scharfe, strategisch fundierte Abrechnung mit dem Zustand der deutschen Verkehrspolitik insgesamt, die er als ein Armutszeugnis für alle beteiligten Parteien – und implizit auch für seine eigene Union – entlarvte.

Mohrings zentrales Argument kulminierte in der Feststellung, dass das 9-Euro-Ticket, so populär und emotional aufgeladen es in seiner dreimonatigen Laufzeit auch war, in seiner Wirkung einem „populistischen PR-Gag“ gleichkam, der die strukturellen Defizite des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) auf brutale Weise offenlegte.

 

Die Illusion des Erfolgs: Wenn Günstig Chaos bedeutet

 

Die Regierung feierte das 9-Euro-Ticket als einen bahnbrechenden Erfolg für den Klimaschutz, die soziale Gerechtigkeit und die Entlastung der Bürger in Zeiten steigender Inflation. Mohring widersprach dieser simplifizierenden Erzählung entschieden. Er stellte klar, dass der sehr niedrige Preis zwar zweifellos ein starker Anreiz war, die Menschen von der Straße in Bus und Bahn zu locken. Doch dieser Anreiz traf auf eine chronisch unterfinanzierte und überlastete Infrastruktur, was zur paradoxen Situation führte, dass der Erfolg der Maßnahme gleichzeitig ihre größte Schwäche offenlegte.

Mohring beleuchtete die bittere Realität, die viele Pendler und Reisende erlebten: überfüllte Züge, ausfallende Verbindungen, fehlendes Personal und marode Gleisanlagen. Der CDU-Politiker argumentierte, dass die Ampel-Koalition das Pferd von hinten aufgezäumt habe. Anstatt zuerst massiv in die Kapazitätserweiterung, die Digitalisierung und die Verlässlichkeit des ÖPNV zu investieren, habe man als Erstes den Preis radikal gesenkt. Das Ergebnis war nach Mohrings Auffassung kein Mobilitätswende, sondern ein „Chaos zum Schnäppchenpreis“.

Er betonte, dass Mobilität ein Qualitätsprodukt sein müsse. Wer eine echte Verkehrswende wolle, müsse sicherstellen, dass das Angebot attraktiv ist. Ein Ticket, das billig ist, aber die Fahrgäste in überfüllten, verspäteten Zügen zurücklässt, führt langfristig nicht zu einer Verlagerung des Verkehrs, sondern zur Frustration und zur Rückkehr zum Individualverkehr. Mohring kritisierte, dass die kurzfristige Popularität des Tickets die langfristige Notwendigkeit struktureller Investitionen verdrängt habe. Die Milliarden Euro, die für die Subventionierung des Tickets ausgegeben wurden, wären nach Mohrings Meinung deutlich sinnvoller in den Ausbau von Streckennetzen, die Beschaffung neuer Fahrzeuge und die Verbesserung der Taktung investiert gewesen.

 

Die strategische Leerstelle der Union

 

Mohrings Auftritt war nicht nur eine Kritik an der Regierung, sondern auch eine strategische Mahnung an die eigene Partei, die CDU/CSU. Er positionierte sich damit als Brückenbauer und Strategie-Vordenker innerhalb der Union, der die Notwendigkeit einer klaren, zukunftsfähigen Antwort auf die Ampel-Politik erkannte.

Die Union sei in der Debatte um das 9-Euro-Ticket zu lange in der Rolle des bloßen Skeptikers verharrt. Die berechtigte Kritik an den Finanzierungslücken und den infrastrukturellen Mängeln habe nicht ausgereicht, um die Herzen der Bürger zu gewinnen. Mohring mahnte, dass die Union es versäumt habe, eine eigene, positive Vision für eine bezahlbare und gleichzeitig funktionierende Mobilität zu entwickeln. Es sei zu einfach, nur „Nein“ zu sagen; wahre Oppositionsarbeit erfordere ein überzeugendes „Ja, aber besser“.

Er forderte von der Unionsspitze um Friedrich Merz eine strategische Neuausrichtung. Statt sich auf die reine Ablehnung von Ampel-Vorschlägen zu beschränken, müsse die CDU/CSU beweisen, dass sie die Modernisierung des Landes ernst meint. Das Mobilitätsthema ist laut Mohring ein Lackmustest für die Zukunftsfähigkeit der Union. Eine Partei, die den Bürgern nur sagt, was sie nicht bekommen, kann keine Wahlen gewinnen.

Mohring skizzierte implizit die Notwendigkeit eines intelligenten Nachfolgetickets, das er als „Deutschland-Ticket 2.0“ bezeichnen würde. Dieses müsse zwei zentrale Elemente vereinen:

  1. Bezahlbarkeit: Ein günstiger Preis – aber realistisch und nachhaltig finanziert.
  2. Investitionszwang: Eine klare Bindung der Bundesmittel an verbindliche Investitionen der Länder und Kommunen in die Infrastruktur.

Die Union, so die Botschaft, müsse als die Kraft wahrgenommen werden, die nicht nur die Haushaltsdisziplin im Blick hat, sondern auch die Zuverlässigkeit des Alltagslebens der Bürger gewährleistet. Mohring forderte somit eine pragmatische, bürgernahe Mobilitätsgarantie als strategisches Gegenmittel zur ideologisch geführten und populistisch überhöhten Verkehrspolitik der Ampel.

Die Rolle der Länder und die föderale Falle

 

Als erfahrener Landespolitiker aus Thüringen lenkte Mike Mohring die Aufmerksamkeit auch auf die föderale Dimension des Problems. Er wies darauf hin, dass das 9-Euro-Ticket eine zentralistische Maßnahme des Bundes war, die die Länder und Kommunen in die Pflicht nahm, ohne die langfristige Finanzierung der gestiegenen Nutzerzahlen zu klären.

Die Zuständigkeit für den ÖPNV liegt im Wesentlichen bei den Ländern und kommunalen Aufgabenträgern. Mohring betonte, dass der Bund zwar Subventionen geben könne, die Verantwortung für die Qualität jedoch regional bleibe. Das Ticket habe die strukturelle Schieflage des Finanzausgleichs im Verkehrsbereich bloßgestellt: Die Länder benötigten dauerhaft höhere Regionalisierungsmittel, um die Netze zu betreiben und zu modernisieren. Der Bund könne nicht einfach ein günstiges Ticket verordnen und die Kosten des Mangels den Ländern aufbürden.

Mohrings Kritik richtete sich hier an die fehlende Langfristigkeit und die mangelnde Koordination zwischen den föderalen Ebenen. Er forderte eine dauerhafte, verlässliche Finanzierung des ÖPNV-Grundbetriebs durch den Bund, gekoppelt an eine Reform der Regionalisierungsmittel, um sicherzustellen, dass das Geld tatsächlich in die Verbesserung der Infrastruktur fließt und nicht in den allgemeinen Haushalten versickert. Nur eine partnerschaftliche, föderale Lösung könne eine nachhaltige Verkehrswende garantieren, die sowohl die Metropolen als auch den ländlichen Raum abdeckt.

 

Die Lehren für die Union: Vom Zauderer zum Gestalter

 

Mohrings Auftritt bei Maischberger war ein Lehrstück in politischer Strategie und Selbstkritik. Er forderte die CDU/CSU auf, aus der 9-Euro-Ticket-Debatte drei wichtige Lektionen zu ziehen:

1. Die Sozial-Ökologische Dimension Ernst Nehmen: Die Union müsse anerkennen, dass Mobilität heute untrennbar mit Klima- und Sozialpolitik verbunden ist. Es reicht nicht, nur über das Auto zu sprechen. Die CDU/CSU muss als die Partei auftreten, die eine ökologisch sinnvolle Mobilität für alle Schichten – den Pendler, die Familie, den Studenten – bezahlbar macht.

2. Ende der Blockadehaltung: Der „Skeptizismus“ in der 9-Euro-Ticket-Frage war zwar in Teilen sachlich begründet, wirkte in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch als Blockadehaltung gegen ein soziales Entlastungsprojekt. Mohring forderte, die Union müsse von der Fundamentalkritik zur konstruktiven Gestaltung übergehen. Sie müsse das Deutschland-Ticket als Tatsache akzeptieren, aber gleichzeitig die notwendigen Reformen für seine Qualität und Finanzierung einfordern. Die Union müsse beweisen, dass sie die besseren Ideen zur Umsetzung der Mobilitätswende hat.

3. Eine eigene Erzählung für die Zukunft: Die CDU/CSU brauche eine klare Erzählung, die über die bloße Wiederbelebung der Wirtschaft hinausgeht. Sie müsse zeigen, wie der soziale Frieden durch eine funktionierende, moderne Infrastruktur gewährleistet wird. Mohring implizierte, dass die Union die Rolle des „Infrastruktur-Garanten“ zurückerobern müsse – die Partei, die dafür sorgt, dass Züge pünktlich fahren, Straßen in Ordnung sind und die Digitalisierung funktioniert.

Mike Mohrings Analyse bei Maischberger legte offen, dass die Debatte um das 9-Euro-Ticket exemplarisch für das tiefere Problem der deutschen Politik steht: die Diskrepanz zwischen populären Schnellschüssen und nachhaltiger Reform. Die Ampel lieferte den populistischen Schnellschuss – das günstige Ticket. Die Union lieferte die fundamentale Skepsis. Was nach Mohrings Appell nun dringend nötig ist, ist die langfristige Vision und die politische Weitsicht, um aus dem „Chaos zum Schnäppchenpreis“ ein verlässliches, bezahlbares Mobilitätssystem zu machen, das Deutschland zukunftsfähig aufstellt. Die CDU/CSU, so Mohrings klare Botschaft, muss diesen Gestaltungswillen beweisen, wenn sie die Vertrauenskrise in der Bevölkerung überwinden und wieder die führende Regierungspartei werden will. Sein Auftritt war damit ein Appell zur strategischen Selbsthilfe der Union in einer Zeit, in der die Opposition mehr liefern muss als nur Kritik.

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