Das 30-jährige Rätsel: Neue Spur zu Ilenia Carrisi – Lebt die Tochter von Al Bano und Romina Power?

Es ist eine Nachricht, die einschlägt wie ein Blitz aus heiterem Himmel, eine Schlagzeile, die Millionen von Menschen in Italien und auf der ganzen Welt den Atem anhalten lässt. Sie rüttelt an einem der tragischsten und meistdiskutierten Vermisstenfälle der jüngeren europäischen Geschichte. Nach 30 Jahren unvorstellbarer Qual, nach drei Jahrzehnten des Hoffens, Bangens und Verzweifelns, gibt es eine neue, eine angeblich heiße Spur im Fall Ilenia Carrisi, der verschwundenen Tochter des legendären Schlager-Duos Al Bano und Romina Power.

Die Nachricht, die Mitte 2024 die Runde machte, klingt fast zu unglaublich, um wahr zu sein: Ein Privatdetektiv, ein ehemaliger Polizist, behauptet, Ilenia in den Vereinigten Staaten gefunden zu haben. In jenem Land, in dem sich ihre Spur im Januar 1994 auf so mysteriöse Weise verlor. Der Ermittler gibt an, eine Frau ausfindig gemacht zu haben, die Ilenia nicht nur verblüffend ähnlich sehe, sondern deren Lebensgeschichte Parallelen aufweise. Ein DNA-Test, so heißt es, könne und solle nun die endgültige Gewissheit bringen.

Ist dies das Wunder, auf das vor allem eine Person nie aufgehört hat zu warten? Ist es der Abschluss eines Albtraums, der eine Familie zerrissen und eine öffentliche Debatte über Schuld, Hoffnung und Loslassen entfacht hat? Oder ist es, und die Angst vor dieser Antwort schwingt immer mit, nur eine weitere grausame Fata Morgana in der Wüste der Ungewissheit?

Um die Wucht dieser Nachricht zu verstehen, muss man zurückblicken. Zurück in eine Zeit, als Al Bano und Romina Power nicht nur ein Paar auf der Bühne, sondern das Traumpaar Italiens waren. Mit Hits wie “Felicità” und “Sempre, sempre” sangen sie sich in die Herzen von Millionen. Ihr Glück schien perfekt, gekrönt von vier Kindern. Ilenia, geboren 1970, war die Älteste, eine kluge, abenteuerlustige junge Frau mit leuchtenden Augen, die selbst erste Schritte ins Rampenlicht wagte und als TV-Ansagerin in Italien bekannt wurde.

Doch Ilenia war auch eine Suchende. Ende 1993, mit 23 Jahren, beschloss sie, sich eine Auszeit zu nehmen. Sie wollte eine Weltreise machen, nur mit Rucksack und Tagebuch. Ihre Reise führte sie von Mittelamerika nach New Orleans, in das pulsierende, aber auch raue Herz von Louisiana. Sie checkte im “LeDale” ein, einem einfachen Hotel im French Quarter. Dort traf sie auf den 54-jährigen Straßenmusiker Alexander Masakela, einen Mann, den die Polizei später als undurchsichtig und problematisch beschreiben würde.

Am 6. Januar 1994 wurde Ilenia Carrisi zuletzt mit Sicherheit gesehen. Was danach geschah, verliert sich im Nebel von Spekulationen, Theorien und widersprüchlichen Zeugenaussagen. Ihr Vater, Al Bano, flog sofort in die USA, um verzweifelt nach seiner Tochter zu suchen. Er klammerte sich an jeden Strohhalm, doch was er fand, war ein Abgrund.

Die tragischste und für Al Bano bis heute wahrscheinlichste Theorie lieferte ein Nachtwächter des Audubon Aquariums. Dieser berichtete, er habe in der Nacht von Ilenias Verschwinden eine junge Frau beobachtet, die den berüchtigten Worten “Ich gehöre ins Wasser” gefolgt sei und sich von einer Ufermauer in den Mississippi gestürzt habe. Trotz intensiver Suche wurde nie eine Leiche gefunden. Der Fluss, so die Experten, gibt seine Opfer oft nicht wieder her.

Für Al Bano brach eine Welt zusammen. Er kehrte nach Italien zurück, überzeugt, dass seine Tochter in jener kalten Januarnacht den Tod gewählt hatte, möglicherweise unter dem Einfluss von Drogen, in die sie ihr Umfeld in New Orleans gezogen haben könnte.

Doch Romina Power, ihre Mutter, konnte und wollte dieses Szenario niemals akzeptieren. Für sie begann ein anderer Kampf: der Kampf einer Mutter, die sich weigert, ihr Kind aufzugeben. Sie glaubte nie an den Selbstmord. Für sie war Ilenia am Leben, irgendwo da draußen. Vielleicht entführt, vielleicht hatte sie ihr Gedächtnis verloren, vielleicht hatte sie sich bewusst für ein neues Leben abseits des Rampenlichts entschieden – jede Theorie war ihr lieber als die endgültige des Todes.

Diese unüberbrückbare Kluft im Umgang mit der Tragödie wurde zur Zerreißprobe für das einstige Traumpaar. Der Schmerz, der sie hätte vereinen können, trieb sie auseinander. 1999 zerbrach die Ehe von Al Bano und Romina Power – ein direktes Opfer des Verschwindens von Ilenia.

Die Jahre vergingen, doch der Fall blieb in den Medien. Immer wieder tauchten “Spuren” auf. Sichtungen wurden gemeldet, von Südamerika bis in deutsche Klöster. Jede dieser Spuren zerrte an den Nerven der Familie. Romina Power suchte aktiv weiter, trat 2011 sogar in der deutschen Sendung “Aktenzeichen XY… ungelöst” auf, flehte um Hinweise.

Al Bano hingegen wählte einen anderen Weg, einen Weg des schmerzhaften Abschlusses. Im Jahr 2014, zwanzig Jahre nach ihrem Verschwinden, traf er die schwerste Entscheidung seines Lebens: Er ließ Ilenia Carrisi von einem italienischen Gericht offiziell für tot erklären. Ein juristischer Akt, der für ihn notwendig war, um Frieden zu finden, aber der für Romina einem Verrat gleichkam. “Er hat ihr Andenken getötet”, sagte sie damals.

Der Fall schien damit an einem traurigen Endpunkt angelangt zu sein. Doch nur ein Jahr später, 2015, explodierte die nächste Medienbombe. Eine neue Spur, diesmal schien sie konkret. Ermittler in Florida rollten einen alten Fall wieder auf. Eine Frauenleiche, 1994 gefunden, war nie identifiziert worden. Ein Lastwagenfahrer, der verurteilte Serienmörder Keith Hunter Jesperson, bekannt als der “Happy Face Killer”, hatte gestanden, eine Frau getötet zu haben, die er als “Susanne” kannte – ein Name, den Ilenia auf ihren Reisen benutzt haben soll. Gesichtssimulationen zeigten Ähnlichkeiten. Die Welt hielt den Atem an. Al Bano musste eine DNA-Probe abgeben. Doch die Analyse brachte die bittere Enttäuschung: Es war nicht Ilenia.

Wieder kehrte gespenstische Ruhe ein. Al Bano und Romina Power näherten sich über die Jahre musikalisch wieder an, gaben gemeinsame Konzerte. Eine Sensation für die Fans, aber die Wunde Ilenia blieb.

Und nun, im Jahr 2024, diese neue Nachricht. Ein Privatdetektiv. Eine Frau in den USA. Die Ähnlichkeit. Die Hoffnung auf einen DNA-Test. Die Parallelen zu 2015 sind unübersehbar, und sie mahnen zur Vorsicht. Die italienischen und deutschen Boulevardmedien griffen die Geschichte sofort auf. Die Schlagzeilen waren so, wie man sie erwarten konnte: “Wunder!”, “Lebt sie?”, “Die Sensation!”.

Doch was ist aus dieser Spur geworden? Seit den ersten Berichten im Frühsommer 2024 ist es still geworden um den angeblichen Fund. Sehr still. Es gab keine Bestätigung. Keinen DNA-Test, der an die Öffentlichkeit drang. Keine offizielle Stellungnahme der Familie, die auf eine bevorstehende Auflösung hindeutete. Es scheint, als sei auch diese Spur im Sande verlaufen – eine weitere Welle der Hoffnung, die an der harten Realität der letzten 30 Jahre zerschellt ist.

Der Fall Ilenia Carrisi ist mehr als ein Vermisstenfall. Er ist ein modernes Drama über den unterschiedlichen Umgang mit Trauer. Er zeigt den unversöhnlichen Konflikt zwischen dem verzweifelten Festhalten an der Hoffnung, das für Romina Power Überlebensstrategie ist, und dem schmerzhaften Akzeptieren des Verlusts, das für Al Bano der einzige Weg war, weiterzuleben.

Für die Öffentlichkeit bleibt Ilenia ein ewiges Rätsel, ein Symbol für die Träume und Gefahren der Jugend. Für ihre Eltern bleibt sie der dunkelste Punkt in ihrem Leben. Ob die neue Spur von 2024 nun die letzte verglühende Falschmeldung war oder ob im Verborgenen doch noch an einer Aufklärung gearbeitet wird – die Tragödie der Familie Carrisi hat uns gelehrt, dass es im Schmerz keine einfachen Antworten gibt. Und dass “Felicità” – das Glück – manchmal das Zerbrechlichste von allem ist.

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