Fall Fabian (8): Vom Vermisstenfall zum Mord-Rätsel – Eine Stadt unter Schock

Eine Stadt hält den Atem an. Es ist der 14. Oktober 2025, ein Dienstag, der als einer der dunkelsten Tage in die Chronik von Güstrow eingehen wird. Am Vormittag macht eine Spaziergängerin in einem Waldstück bei Klein Upal, rund 15 Kilometer südwestlich der Stadt, eine Entdeckung, die das Blut in den Adern gefrieren lässt. Sie findet die Leiche eines Kindes. Wenig später bestätigen Polizei und Staatsanwaltschaft den furchtbaren Verdacht, der die tagelange, verzweifelte Suche nach dem kleinen Fabian beendet und einen neuen Alptraum beginnt: Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem toten Kind um den 8-jährigen Jungen. Und es war kein Unfall. Die Ermittler gehen von einem Gewaltverbrechen aus.

Die Nachricht trifft die 30.000-Einwohner-Stadt in Mecklenburg-Vorpommern mit unvorstellbarer Wucht. Sie beendet vier Tage des Bangens, Hoffens und Betens und wirft eine Flut neuer, quälender Fragen auf. Wie konnte das geschehen? Wer tut einem Kind so etwas an? Und vor allem: Wie kam der Junge an diesen abgelegenen Ort, 15 Kilometer von seinem Zuhause entfernt? Der Fall Fabian, der als tragische Vermisstensache begann, hat sich in ein komplexes und zutiefst beunruhigendes Mord-Rätsel verwandelt.

Alles begann an einem scheinbar normalen Freitag, dem 10. Oktober 2025. Fabian, ein achtjähriger Junge, lebte bei seiner Mutter in Güstrow. An diesem Tag war er nicht zur Schule gegangen. Der Grund war harmlos: Er hatte am Vortag Nasenbluten bekommen, und seine Mutter wollte, dass er sich einen Tag zu Hause ausruht. Sie verabschiedete sich morgens von ihm, bevor sie zur Arbeit fuhr. Irgendwann im Laufe des Vormittags oder Mittags verließ Fabian die Wohnung. Dies geschah offenbar mit Erlaubnis seiner Mutter, doch zur vereinbarten Zeit kehrte er nicht zurück.

Als die Mutter gegen 15:30 Uhr von der Arbeit nach Hause kam, war die Wohnung leer. Von Fabian fehlte jede Spur. Ein Detail, das die Ermittler später als ungewöhnlich einstufen werden: Sein Mobiltelefon hatte er zu Hause gelassen. Die Mutter begann sofort, selbst nach ihrem Sohn zu suchen. Als Stunden vergingen und ihre Sorge ins Unermessliche wuchs, meldete sie Fabian gegen 18:00 Uhr bei der Polizei als vermisst.

Was folgte, war eine der größten Suchaktionen, die Güstrow in den letzten Jahren erlebt hat. Die Behörden erkannten sofort den Ernst der Lage. Ein achtjähriges Kind, das nach Einbruch der Dunkelheit verschwunden ist – ein Szenario, das bei jedem Retter die Alarmglocken schrillen lässt. Die Suchmaschinerie lief auf Hochtouren. Am Wochenende wurde das Aufgebot massiv verstärkt. Zeitweise waren bis zu 200 Einsatzkräfte gleichzeitig im Einsatz.

Polizei, Bereitschaftspolizei, Feuerwehr und diverse Rettungshundestaffeln durchkämmten die Stadt. Die Schilderungen der Suche vermitteln ein Bild fieberhafter Aktivität. Es wurde unterschieden zwischen sogenannten Mantrailern, die eine spezifische Geruchsspur einer Person verfolgen können, und Flächensuchhunden, die darauf trainiert sind, jeden menschlichen Geruch in einem bestimmten Gebiet anzuzeigen. Das gesamte Wohnumfeld von Fabian, bekannte Spielplätze und seine Schulwege wurden akribisch abgesucht. Die Suche dehnte sich schnell aus auf leerstehende Gebäude, Industriebrachen und andere Orte, an denen sich ein Kind verstecken könnte – oder an denen es in Gefahr geraten sein könnte.

Auch der Bereich um Zehna, ein Ort etwa 10 Kilometer südwestlich von Güstrow, geriet in den Fokus. Dort lebt Fabians getrennt lebender Vater. Die Ortschaft selbst sowie die umliegenden Wälder und Felder wurden intensiv durchkämmt. Aus der Luft unterstützte ein Polizeihubschrauber mit einer hochempfindlichen Wärmebildkamera die Einsatzkräfte am Boden. Drohnen lieferten einen Überblick über unwegsames Gelände.

In den ersten Tagen gab es vage Spuren, doch keine führte zum Erfolg. Eine Pferte, aufgenommen von Personenspürhunden, führte zum Busbahnhof in Güstrow. Doch dort verlor sie sich. War Fabian in einen Bus gestiegen? In ein Auto? Oder war die Spur schlicht zu alt, überlagert von den Gerüchen hunderter anderer Menschen? Eine andere Spur führte in ein Waldstück bei Zehna, nahe dem Wohnort des Vaters. Doch auch hier herrschte Unsicherheit über das Alter und die Zuverlässigkeit der Fährte.

Zu diesem Zeitpunkt, am Wochenende und noch am Montag, kommunizierte die Polizei wiederholt, es gäbe keine konkreten Hinweise auf eine Straftat. Man ging primär von einem Vermisstenfall aus. Hatte sich Fabian verlaufen? War ihm ein Unfall zugestoßen? Es war die Hoffnung auf ein Unglück, nicht auf ein Verbrechen, die die Suche antrieb.

Dann kam der Montagabend, der 13. Oktober, und mit ihm ein Wendepunkt, der die Hoffnung auf ein glückliches Ende jäh zerstörte. Am Inselsee, direkt am Stadtrand von Güstrow, kamen nun auch Leichenspürhunde zum Einsatz. Und was dann geschah, ließ den Ermittlern den Atem stocken. Unabhängig voneinander schlugen vier dieser hochspezialisierten Hunde an exakt derselben Stelle im Uferbereich an, einem dichten Schilfgürtel. Ein Hund reagierte zuerst von einem Boot aus. Um sicherzugehen, wurden zwei weitere Hunde von Land aus an die Stelle geführt – auch sie schlugen an. Ein vierter Hund bestätigte das Ergebnis.

Für alle Beteiligten war dies ein Moment des Schocks. Diese Hunde sind auf menschliche Überreste trainiert. Ihr Anschlagen ist ein extrem alarmierendes Signal. Noch im letzten Tageslicht wurde eine Drohne über die Stelle geschickt, doch visuell war nichts zu erkennen. Die Konsequenz war klar: Am nächsten Morgen, dem Dienstagmorgen des 14. Oktober, mussten Taucher ins Wasser.

Spezialisten der Berufsfeuerwehr Rostock übernahmen diese schwere Aufgabe. Sie suchten den markierten Bereich im Schilf intensiv ab. Das Wasser dort, so hieß es, sei nur etwa einen bis anderthalb Meter tief. Die Anspannung war unerträglich. Doch das Ergebnis war niederschmetternd und zutiefst verwirrend zugleich: Die Taucher fanden nichts. Keinerlei Spur von Fabian.

Diese Entwicklung stürzte alle in ein Meer aus Ungewissheit. Man hatte diesen hochgradig alarmierenden Hinweis von vier Hunden, aber die physische Suche bestätigte ihn nicht. Was hatte das zu bedeuten? War Fabian dort gewesen und wieder weggebracht worden? Hatten sich alle vier Hunde geirrt – eine fast unvorstellbare Annahme? Oder lag er tiefer im Schlamm, für die Taucher unerreichbar?

Während am Inselsee noch Rätselraten herrschte, spielte sich nur wenige Kilometer entfernt die endgültige Tragödie ab. Es war derselbe Vormittag, an dem die Taucher ihre ergebnislose Suche beendeten, als jene Spaziergängerin bei Klein Upal den leblosen Körper des Jungen fand.

Die Nachricht vom Fund der Leiche und die gleichzeitige Einschätzung der Polizei, dass ein Gewaltverbrechen vorliegt, änderten die Natur des Falls von einer Sekunde auf die andere. Aus dem tragischen Vermisstenfall war ein mutmaßliches Tötungsdelikt geworden. Der Schock über diese Wendung saß tief, auch weil er die tagelangen Hoffnungen und die Appelle, wie ein emotionales Video der Mutter, das in den sozialen Medien kursierte und in dem sie Fabian bat, nach Hause zu kommen, zunichtemachte.

Im Zentrum der Ermittlungen steht nun ein zentrales, entsetzliches Rätsel: der Fundort. Klein Upal, 15 Kilometer von Güstrow entfernt. Wie kommt ein Achtjähriger, der sein Handy zu Hause lässt, an einen solch abgelegenen Ort? Es ist eine Distanz, die ein Kind in seinem Alter nicht unbemerkt zu Fuß zurücklegt. Die Ermittler sind sich sicher: Er kann nicht alleine dorthin gelangt sein.

Wurde er dorthin gebracht? Wenn ja, von wem? Lebte er noch, als er dorthin kam, oder war er bereits tot? War es Freiwillig oder gezwungen? Wie wurde er transportiert? All diese Fragen stehen im Raum und zeichnen das Bild eines Verbrechens von besonderer Kälte und Heimtücke. Zu Todesursache, einem möglichen Motiv oder Tatverdächtigen hielten sich Polizei und Staatsanwaltschaft Mitte Oktober 2025 verständlicherweise bedeckt. Eine Obduktion wurde sofort angeordnet, um die Identität zweifelsfrei zu klären und die genauen Todesumstände zu beleuchten.

Der Fundort wirft auch ein neues Licht auf die Ereignisse am Inselsee. Stand das Anschlagen der Hunde in einem Zusammenhang mit dem Verbrechen? War es eine falsche Fährte, vielleicht sogar bewusst gelegt? Oder war es ein tragischer Zufall? Die Ermittler stehen vor einem komplexen Puzzle, bei dem die wichtigsten Teile noch fehlen.

Während die Kriminalpolizei die Ermittlungen aufnahm und mit der mühsamen Spurensicherung am Fundort begann, versank Güstrow in kollektiver Trauer. Der Schock und die Fassungslosigkeit waren mit Händen zu greifen. Am Dienstagabend, dem Tag des Fundes, versammelten sich Hunderte von Menschen in der Marienkirche. Der Gottesdienst war ursprünglich anders geplant gewesen. Es sollte ein Fürbitt-Gottesdienst werden, ein gemeinsames Gebet für die sichere Rückkehr des Jungen.

Die Realität machte daraus einen spontanen Trauergottesdienst. Die Kirche war hoffnungslos überfüllt, viele Menschen standen fassungslos auf dem Platz davor. Sie legten Kerzen nieder, Blumen, kleine Plüschtiere – stumme Zeugen einer unermesslichen Anteilnahme und Ohnmacht. Es war der Versuch einer Gemeinschaft, sich in einer Situation Halt zu geben, für die es keine Worte gibt.

Die Eltern von Fabian, die Mutter und der getrennt lebende Vater, wurden umgehend über den Fund informiert. Ihnen wurden sofort psychologische Betreuer zur Seite gestellt, eine unerlässliche Unterstützung in einer Ausnahmesituation, deren Schmerz sich niemand auch nur annähernd vorstellen kann.

Mitte Oktober 2025 bleibt Güstrow mit vielen offenen Wunden zurück. Die unermessliche Trauer der Familie, die quälende Ungewissheit über die Umstände von Fabians Tod und die beängstigende Frage nach dem Täter. Die Brutalität des vermuteten Verbrechens hat das Gefühl der Sicherheit in der Stadt tief erschüttert. Es bleibt die Hoffnung, dass die weiteren Ermittlungen Licht ins Dunkel bringen können. Auch wenn Klarheit den Schmerz der Angehörigen nicht nehmen kann, so ist das Wissen um die Umstände oft ein unendlich schmerzhafter, aber notwendiger Schritt im Trauerprozess. Güstrow trauert um ein Kind, das an einem harmlosen Herbsttag aus dem Leben gerissen wurde.

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