Ein grelles Scheinwerferlicht ist erloschen. Eines, das oft mehr Schatten als Glanz warf, das eine Frau beleuchtete, die für viele ein Symbol war – für den schnellen Aufstieg, den tiefen Fall und den unermüdlichen, oft vergeblichen Kampf um die eigene Identität. Nadja Abd el Farrag, von der Nation liebevoll und manchmal mitleidig „Naddel“ genannt, ist tot. Mit nur 60 Jahren verstarb sie am 9. Mai 2025 in einem Hamburger Krankenhaus. Die offizielle Todesursache: multiples Organversagen. Eine nüchterne Diagnose für ein Leben, das alles andere als nüchtern war.
Die Nachricht von ihrem Tod verbreitete sich wie ein Lauffeuer und löste eine Welle der Bestürzung aus. In den sozialen Medien, auf X (ehemals Twitter) und Facebook, teilten Tausende ihre Erinnerungen. Es war eine Trauer um eine Frau, die viele nur aus den Schlagzeilen kannten, die aber dennoch eine seltsame, fast familiäre Präsenz im kollektiven Gedächtnis Deutschlands eingenommen hatte. Sie war die ewige Ex, die Dschungel-Kämpferin, die Mahnerin vor den Gefahren des Alkohols und am Ende eine Frau, die den Kampf gegen ihre Dämonen verloren hatte.
Ihr Tod hinterlässt eine Lücke und das Porträt einer zutiefst komplexen Persönlichkeit. Naddel war ein Symbol für Widerstandsfähigkeit und gleichzeitig für Zerbrechlichkeit. Eine Frau, die ihr Leben für die Liebe, für die Karriere und für unerfüllte Träume in vollen Zügen lebte, und dabei doch so oft auf der Strecke blieb.
Die letzten Tage einer Kämpferin
Die letzten Jahre waren nicht einfach für Nadja Abd el Farrag. Die gesundheitlichen Probleme, allen voran die schwere Lebererkrankung als Folge ihres langjährigen Alkoholismus, hatten ihr schwer zugesetzt. Noch im Jahr 2025, so berichten Quellen, war sie mehrfach wegen Komplikationen im Zusammenhang mit Leberversagen im Krankenhaus. Ihr Tod am 9. Mai kam für die Öffentlichkeit dennoch überraschend. Sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem sie zu Hause das Bewusstsein verloren hatte. Doch die Ärzte konnten ihr Leben nicht mehr retten. Das multiple Organversagen war die letzte, fatale Konsequenz eines Lebensstils, der seinen Tribut gefordert hatte.
Ihr Tod wirft Fragen auf. In den sozialen Medien gab es schnell Spekulationen: Hätte sie gerettet werden können? War die medizinische Versorgung ausreichend? Es sind die typischen, schmerzhaften Fragen, die entstehen, wenn ein bekanntes Gesicht so plötzlich und so tragisch aus dem Leben gerissen wird. Konkrete Beweise für ein Versäumnis gibt es nicht, und ihre Familie hüllte sich zunächst in Schweigen.

Von Hamburg in die Welt des Glitzers
Um Naddel zu verstehen, muss man an den Anfang blicken. Geboren am 5. März 1965 in Hamburg, war ihr Leben von Anfang an von Kontrasten geprägt. Ihr Vater, Ibrahim, ein strenger, traditioneller Mann aus dem Sudan; ihre Mutter, Uta, eine Deutsche mit dem Freigeist der 60er Jahre. Diese kulturelle Spannung beschrieb Nadja später in ihrer Autobiografie „Ungelogen“ als Ursprung einer schwierigen Kindheit. Sie wuchs in einem Hamburger Arbeiterviertel auf, entwickelte früh eine starke Persönlichkeit und eine Liebe zur Kunst.
Der traditionelle Bildungsweg war nichts für sie. Nur ein Jahr vor dem Abitur brach sie die Schule ab. Eine mutige, vielleicht naive Entscheidung, die ihren Weg in die Unterhaltungsbranche ebnete. Sie wollte mehr als ein vorbestimmtes Leben.
Dieser Drang nach “mehr” führte zu jener schicksalhaften Begegnung im Jahr 1989, die ihr Leben für immer verändern sollte. Sie traf auf Dieter Bohlen, den “Poptitan”, den Mann hinter Modern Talking und Blue System. Nadja, mit ihrer auffallenden Schönheit und einer beeindruckenden Größe von 1,80 m, sprach als Backgroundsängerin für sein Projekt Blue System vor. Bohlen war fasziniert. Für Naddel war es der Eintritt in eine Welt, von der sie geträumt hatte – eine Welt voller Glamour, Musik und Rampenlicht.
Im Schatten des Poptitanen
Was folgte, war eine der turbulentesten und medienwirksamsten Beziehungen der deutschen Showgeschichte. Von 1989 bis 1996 und nach einer kurzen Trennung erneut von 1997 bis 2001 waren Naddel und Dieter Bohlen das Traumpaar des deutschen Pop. Doch der Preis war hoch. Naddel war nicht nur Bohlens Freundin; sie war Teil der Marke. Sie trat in Musikvideos auf, sang im Hintergrund, aber der Schatten ihres übermächtigen Partners war zu groß.
In der Öffentlichkeit war sie „die Frau von Dieter Bohlen“. Ein Stempel, den sie nie ganz loswerden sollte. Dieser Stempel war Segen und Fluch zugleich. Er öffnete ihr Türen, sicherte ihr Schlagzeilen, aber er verhinderte auch, dass sie als eigenständige Künstlerin wahrgenommen wurde. Die Beziehung selbst war ein ständiges Auf und Ab, geprägt von Liebe, aber auch von öffentlichem Druck und Drama.
Als die Beziehung 2001 endgültig zerbrach, verlor Nadja nicht nur ihren Liebhaber. Sie verlor, wie sie später zugab, einen Teil ihrer Identität und ihre finanzielle Sicherheit. Der Absturz war tief.
Der Kampf um ein eigenes Gesicht
Trotz allem – Naddel war eine Kämpferin. Sie versuchte verzweifelt, aus dem Schatten Bohlens herauszutreten. 1999 zog sie sich für den „Playboy“ aus – ein Akt der Befreiung, der ihr Selbstvertrauen demonstrieren sollte. Im selben Jahr moderierte sie die provokative Erotik-Show „Piep!“ bei RTL2 und bewies Vielseitigkeit.
Im Jahr 2003 legte sie mit ihrer Autobiografie „Ungelogen“ nach. Ein Buch, das für Furore sorgte. Offen sprach sie über ihre Jugend, die Beziehung zu Bohlen und die Schattenseiten des Showbusiness. Es war ein Geständnis, ein Versuch, ihre eigene Geschichte zu erzählen, ihre Stimme wiederzufinden. Doch es brachte ihr auch Klagen ein und festigte ihr Image als die “Ex, die auspackt”.
Dschungel, Alm und die Suche nach Anerkennung
Ihren vielleicht größten öffentlichen Auftritt nach Bohlen hatte sie 2004. Nadja ging in den Dschungel, als Teilnehmerin der zweiten Staffel von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“. Deutschland sah eine neue Naddel. Eine Frau, die keine Angst hatte, Insekten zu essen, die unter ärmlichen Bedingungen aushielt und eine überraschende Widerstandsfähigkeit zeigte. Doch die Show offenbarte auch ihre Zerbrechlichkeit. Die psychische Belastung führte zu Zusammenbrüchen vor laufender Kamera. Das Publikum sah nicht mehr nur den Star, sondern den Menschen, den verwundeten Menschen.
Sie versuchte es weiter. Sie machte Musik mit dem Schlagersänger Kurt Elsasser, sie versuchte sich 2008 als DJane, sie nahm 2011 an der Show „Die Alm“ teil. Jeder dieser Schritte war ein unermüdlicher Versuch, sich als Künstlerin zu etablieren, Anerkennung zu finden, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Der große kommerzielle Erfolg blieb jedoch aus.

Der Absturz und die öffentlichen Dämonen
Hinter den Kulissen dieses Kampfes um Relevanz spielte sich ein anderes, dunkleres Drama ab. Die Trennung von Bohlen, die finanziellen Schwierigkeiten und die ständige öffentliche Beobachtung hinterließen tiefe Narben. Nadja Abd el Farrag begann zu trinken. Der Alkoholismus, der während ihrer turbulenten Beziehung mit Bohlen begonnen hatte, wurde zu einem ernsten, lebensbedrohlichen Problem.
2014 machte sie ihre Sucht öffentlich. Sie sprach über die Einsamkeit, den Druck und den Alkohol als Flucht. Sie unternahm Therapien, versuchte Entzüge, doch es folgten immer wieder Rückfälle. Die Sucht zerstörte nicht nur ihre Psyche, sondern auch ihren Körper. Die Diagnose Leberzirrhose war ein Todesurteil auf Raten. Ärzte warnten sie eindringlich, dass sie sterben würde, wenn sie ihren Lebensstil nicht radikal ändere. Ein Kampf, den sie, wie wir nun wissen, nie wirklich gewinnen konnte.
Zu den Alkoholproblemen gesellten sich Depressionen und Angstzustände. Die jahrelangen negativen Schlagzeilen, die Häme in den sozialen Medien – all das zermürbte sie. Sie postete inspirierende Zitate, versuchte, Optimismus zu verbreiten, doch in ihr sah es oft dunkel aus.
Die leisen Töne der späten Jahre
Es gab aber auch eine andere Naddel, eine, die die Öffentlichkeit kaum wahrnahm. In ihren letzten Jahren fand sie Trost in der Annäherung an ihre Familie, besonders an ihre Mutter Uta. Sie kehrte oft in ihre Heimatstadt Hamburg zurück, suchte die Ruhe, die ihr das Showbusiness nie gegeben hatte.
Sie begann zu bloggen, teilte ihre Gedanken über das Leben und die Liebe, über ihre Fehler und die Lektionen, die sie gelernt hatte. Es waren aufrichtige, ungeschliffene Texte, die eine Frau zeigten, die versuchte, ihre Wunden zu heilen.
Und sie begann, ihre eigenen leidvollen Erfahrungen in etwas Positives zu verwandeln. Sie engagierte sich für karitative Zwecke, setzte sich für Menschen mit psychischen Problemen und Suchterkrankungen ein. Sie, die selbst so tief gefallen war, wollte anderen helfen, wieder aufzustehen. Eine Wohltätigkeitsorganisation in Hamburg beschrieb sie als jemanden, der immer Hoffnung brachte, selbst wenn sie diese für sich selbst am meisten brauchte.
Ein letztes Wort vom “Poptitan”
Und Dieter Bohlen? Der Mann, dessen Name untrennbar mit ihrem verbunden ist? Nach ihrem Tod brach er sein Schweigen. In einem kurzen Post in den sozialen Medien drückte er sein Beileid aus und bezeichnete Nadja als “eine besondere Frau mit einem großen Herzen”. Worte, die vielleicht versöhnlich klingen, aber die Tiefe und Komplexität ihrer gemeinsamen Geschichte kaum einfangen können. Für viele Fans bleiben sie das tragische Traumpaar einer vergangenen Ära des deutschen Pop.
Was von Naddel bleibt

Nadja Abd el Farrag war kein Star im herkömmlichen Sinne. Sie hatte keine Charthits, keine großen Filmrollen. Ihr Kapital war ihre Authentizität, so schmerzhaft sie auch war. Sie war die Projektionsfläche für Träume und Albträume.
Ihr Leben ist eine moderne Tragödie, eine Parabel auf den Preis des Ruhms in einer Gesellschaft, die ihre Idole erst hochjubelt und sie dann genüsslich fallen sieht. Sie war mehr als “Bohlens Ex”. Sie war eine Suchende, eine Kämpferin, eine Liebende und eine Frau, die bis zum Schluss darum rang, einfach nur sie selbst sein zu dürfen.
Mit 60 Jahren ist ihre Reise zu Ende. Das grelle Licht ist aus. Was bleibt, ist die Erinnerung an eine Frau, die das Leben in all seinen extremen Facetten gelebt hat – vom höchsten Gipfel bis ins tiefste Tal. Und vielleicht ist das ihr wahres Vermächtnis: die ungeschönte, schmerzhafte und zutiefst menschliche Geschichte von Nadja “Naddel” Abd el Farrag. Möge sie in Frieden ruhen.