„Nur noch eine Frage…“ – Peter Falks tragischer Kampf: Vom verhöhnten Außenseiter zu „Columbo“ und sein trauriges Ende

Er war der zerknitterte Held einer ganzen Generation. Ein Mann im beigen Trenchcoat, dessen schäbiger Peugeot 403 fast so berühmt war wie er selbst. Er kaute an billigen Zigarren, redete ununterbrochen von seiner Frau, die man nie sah, und wirkte so täuschend zerstreut, dass ihn jeder Mörder unterschätzte. Doch dann, genau in dem Moment, als der Täter dachte, er sei sicher, drehte er sich an der Tür noch einmal um: „Ah, nur noch eine Frage…“

Lieutenant Columbo war eine der brillantesten Schöpfungen der Fernsehgeschichte. Aber der Mann, der ihn spielte, Peter Falk, war unendlich komplexer, tragischer und faszinierender als seine Paraderolle. Sein Leben war ein ständiger Kampf gegen Ablehnung, ein Triumph des Talents über körperliche Makel und endete in einer stillen Tragödie, die den brillantesten Geist von Hollywood auslöschte.

Peter Michael Falk, geboren am 16. September 1927 in New York City, lernte die Brutalität des Schicksals kennen, bevor er überhaupt richtig sprechen konnte. Im Alter von nur drei Jahren diagnostizierten Ärzte bei ihm ein Retinoblastom, einen bösartigen Augentumor. Sein rechtes Auge musste operativ entfernt werden, um sein Leben zu retten. Für den Rest seines Lebens trug er ein Glasauge. Dieses künstliche Auge, das seinem Blick jenes unverwechselbare, leicht schielende Markenzeichen verlieh, wurde zu seinem ständigen Begleiter – und seinem größten Hindernis.

Trotz dieser Einschränkung war der junge Falk ein Kämpfer. Er stürzte sich in den Sport, spielte Baseball und Basketball, als wolle er dem Schicksal beweisen, dass es ihn nicht kleinkriegt. Er war beliebt, wurde sogar Präsident seiner Abschlussklasse an der Highschool. Doch als es an der Zeit war, seinem Land zu dienen, schlug ihm die Realität wieder ins Gesicht. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, wollte er sich den Streitkräften anschließen. Er wurde abgemustert. Der Grund: sein fehlendes Auge.

Es war ein Muster, das sich wiederholen sollte. Falk, der sich nicht unterkriegen lassen wollte, heuerte stattdessen bei der Handelsmarine an und verbrachte anderthalb Jahre als Koch und Messdiener auf See.

Zurück an Land, schien Falk lange unsicher, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Er war intelligent, aber ziellos. Er machte einen Bachelor-Abschluss in Literatur und Politikwissenschaft und reiste durch Europa, arbeitete sogar sechs Monate auf einer Eisenbahnstrecke in Jugoslawien. Schließlich entschied er sich für eine respektable, sichere Karriere. Er schrieb sich an der renommierten Syracuse University ein und erwarb 1953 einen Master of Public Administration. Sein Ziel: ein Job bei der Regierung.

Er bewarb sich bei der CIA. Doch wieder scheiterte er. Diesmal nicht wegen seines Auges, sondern ironischerweise wegen seiner kurzen Zeit als Koch: Er war verpflichtet worden, der Gewerkschaft der Marineköche beizutreten, und das machte ihn in der paranoiden McCarthy-Ära für die CIA verdächtig. Statt Spion wurde er Management-Analyst beim staatlichen Budgetbüro in Hartford, Connecticut. Ein Mann mit einem Master-Abschluss, der Zahlen schob – die Ironie, dass der zukünftige Columbo seine Karriere als Bürokrat begann, ist unübersehbar.

Doch die Kunst rief. Während er in Hartford arbeitete, schloss er sich einer lokalen Theatergruppe an. Er hatte Feuer gefangen. Mit 29 Jahren kündigte er seinen sicheren Regierungsjob, packte seine Koffer und zog nach New York, um Schauspieler zu werden. Es war ein irrwitziges Unterfangen. Ein Mann mit einem Glasauge, der in der Welt der makellosen Gesichter bestehen wollte.

Die ersten Jahre waren hart, aber erfolgreich. Er spielte sich durch Off-Broadway-Produktionen und debütierte 1956 am Broadway. Die Kritiker liebten seine Intensität. Doch Hollywood war ein anderes Pflaster. Ein Theateragent warnte ihn unmissverständlich: Wegen seines Auges solle er nicht mit viel Filmarbeit rechnen.

Die schmerzhafteste Ablehnung kam direkt von der Spitze. Bei einem Screentest bei Columbia Pictures fiel er durch. Der berüchtigte Studioboss Harry Cohn soll gebrüllt haben: „Für den gleichen Preis bekomme ich einen Schauspieler mit zwei Augen!“. Es war dieselbe Demütigung, die er bei der Armee erlebt hatte. Man sah nur den Makel, nicht den Mann.

Doch Falk war ein Kämpfer. Wenn ihm die Welt die Tür zum Helden versperrte, würde er als Bösewicht durch die Hintertür kommen. 1960 war sein Wendepunkt. Er wurde für die Rolle des eiskalten Killers Abe Reles im Film “Murder, Inc.” besetzt. Seine Darstellung war so furchteinflößend, so real, dass sie ihm eine Oscar-Nominierung als Bester Nebendarsteller einbrachte. Nur ein Jahr später wiederholte er das Kunststück. Der legendäre Regisseur Frank Capra besetzte ihn gegen jeden Rat in seiner letzten Komödie “Pocketful of Miracles”. Capra war begeistert von Falks Leistung, und Falk erhielt seine zweite Oscar-Nominierung.

Der Mann mit dem einem Auge hatte es Hollywood gezeigt. Er war kein Bürokrat, kein Koch. Er war ein Star.

Er spielte in Dutzenden Filmen und Fernsehsendungen, oft als unappetitlicher Charakter oder Gangster. Er gewann 1962 sogar seinen ersten Emmy für “The Price of Tomatoes”. Doch das Schicksal hatte noch etwas Größeres für ihn vorgesehen.

Im Jahr 1968 wurde ihm ein Fernsehfilm angeboten: “Prescription: Murder”. Die Rolle war die eines scheinbar neben der Spur laufenden Polizeileutnants namens Columbo. Es war die Geburtsstunde einer Ikone. Drei Jahre später wurde daraus eine Serie, und “Columbo” wurde zu einem globalen Phänomen.

Falk war Columbo. Er improvisierte, er zerknitterte seinen eigenen Trenchcoat, er brachte sein eigenes, klappriges Auto (den Peugeot) mit ans Set. Er erschuf eine Figur, die das genaue Gegenteil der glatten Hollywood-Detektive war. Columbo war ein Anti-Held in einer Welt voller falscher Fassaden. Er war der Mann, den die Eliten unterschätzten, weil er schäbig aussah und verwirrt wirkte. Er war Peter Falks Rache an Harry Cohn und all den anderen, die ihn wegen seines Aussehens abgewiesen hatten. Das Genie verbarg sich hinter dem Makel. Für diese Rolle gewann er vier seiner fünf Emmy Awards.

Doch Falk war mehr als nur der Trenchcoat. Er war ein ernsthafter Künstler, der in Arthouse-Filmen spielte, darunter Wim Wenders’ poetisches Meisterwerk “Der Himmel über Berlin” (Wings of Desire). Er war ein liebevoller, wenn auch komplizierter Ehemann, heiratete zweimal – zuerst Alyce Mayo, mit der er zwei Töchter adoptierte, und 1977 die Schauspielerin Shera Danese, die oft in “Columbo” auftrat. Er war zudem ein versierter Künstler, der seine Zeichnungen in Galerien ausstellte.

Sein Leben war ein voller Erfolg, ein Sieg auf ganzer Linie. Doch dann begann der letzte, tragische Akt – ein Abschied, so langsam und grausam, dass er wie eine bittere Parodie auf den scharfen Verstand wirkte, den er verkörpert hatte.

Im Dezember 2008 wurde bekannt, was Freunde und Familie bereits befürchtet hatten: Bei Peter Falk wurde Alzheimer diagnostiziert. Die Krankheit, die das Gedächtnis und den Verstand raubt, hatte den Mann befallen, dessen Karriere auf seinem brillanten Geist beruhte.

Wie ein Arzt später in einem Gerichtsverfahren aussagte, schien es einen spezifischen Auslöser für den rasanten Verfall zu geben. Im Jahr 2007 hatte sich Falk einer Reihe von Zahnoperationen unterzogen. Die Narkose und der Stress der Eingriffe wirkten offenbar wie ein Brandbeschleuniger auf die schlummernde Krankheit. Nach den Operationen “rutschte er schnell in die Demenz ab”, so der Arzt.

Die letzten Jahre waren ein Albtraum. Der Mann, der sich komplexe Drehbücher und verworrene Mordfälle merkte, konnte sich nicht mehr an seine berühmteste Rolle erinnern. Berichten zufolge wurde er ziellos und verwirrt in Beverly Hills umherirrend gesehen. Es folgte ein bitterer Gerichtsstreit zwischen seiner Tochter Catherine und seiner Frau Shera Danese um die Vormundschaft, der die Tragödie öffentlich machte.

Am Abend des 23. Juni 2011 starb Peter Falk im Alter von 83 Jahren in seinem Haus in Beverly Hills. Die offizielle Todesursache war eine Lungenpneumonie, doch die Komplikationen der Alzheimer-Krankheit wurden als sekundäre, aber grundlegende Ursache genannt.

Peter Falks Tod war das stille Ende eines lauten, kämpferischen Lebens. Er hinterließ ein Erbe, das weit über den Trenchcoat hinausging. Er war der Beweis, dass man nicht perfekt sein muss, um brillant zu sein. Er war der Mann, der eine Behinderung in ein Markenzeichen verwandelte, der Ablehnung in Ehrgeiz ummünzte und der als Bürokrat begann, nur um als unsterbliche Legende zu enden. Sein brillanter Verstand mag am Ende getrübt gewesen sein, aber in den Herzen von Millionen bleibt er für immer der Mann an der Tür, der sich noch einmal umdreht und sagt: „Nur noch eine Frage…“

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