Die Kastelruther Spatzen sind mehr als nur eine Band; sie sind ein Phänomen, eine Institution und, wie sie oft ehrfürchtig genannt werden, die „Rolling Stones der Volksmusik“. Doch während die Rock-Giganten aus Großbritannien mitunter Pausen einlegen und sich dann wieder neu erfinden, trotzen die sieben Männer aus Südtirol den Gesetzen der Zeit und der Ruhestandsplanung. In einer Welt, in der Karrieren oft schnell verglühen, leuchten die Spatzen unermüdlich. Jetzt enthüllt Frontmann Norbert Rier, der Kopf und die Stimme der Gruppe, das erstaunliche Geheimnis ihrer andauernden Vitalität und warum ein Ende der musikalischen Reise noch lange nicht in Sicht ist.
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Der ewige Rhythmus: Ein Lebenselixier aus Musik und Heimat
Die Botschaft ist klar und erfrischend unaufgeregt: Die Kastelruther Spatzen denken noch lange nicht an den Ruhestand. In einem offenen Gespräch mit der Deutschen Nachrichtenagentur d gab Norbert Rier, der Frontmann der Band, tiefe Einblicke in die Motivation, die eine Band nach so vielen Jahren auf der Bühne immer noch antreibt.
„Das Reisen ist ja auch anstrengend“, räumt Rier ein. Es wäre eine Untertreibung, die logistische und körperliche Herausforderung einer jährlichen Tournee zu ignorieren. Die Musiker bemerken alle die Spuren des Tourlebens und dass „bestimmte Dinge nicht mehr so gehen wie in früheren Jahren“. Auch das Wiedereinfinden in den straffen Tourneerhythmus nach längeren Pausen dauert mittlerweile „schon etwas länger“, verrät er ehrlich.
Doch diese Realität wird von einer Kraft überwogen, die Rier als echtes „Lebenselixier“ beschreibt. Es ist die schiere Freude am Schaffen, an der Performance und an der Resonanz ihres Publikums. Er formuliert es auf eine Weise, die tief menschlich ist: „Doch irgendwie hält einen der ganze Betrieb auch fit.“ Die Verpflichtung, die kreative Herausforderung, die Notwendigkeit, körperlich und geistig präsent zu sein – all das wird zu einem unerwarteten Trainingsprogramm für Körper und Seele. Wer rastet, der rostet, und die Spatzen haben nicht vor, in absehbarer Zeit einzurosten.
Drei Generationen unter einem Dach der Musik
Der wahre Motor für das Weitermachen liegt jedoch im Publikum selbst. Nur wenige Künstler können von sich behaupten, ein so breites Spektrum an Zuhörern zu vereinen. Rier beschreibt das überwältigende Bild, das sich ihm bei jedem Konzert bietet: Er sehe, wie „Großeltern, Eltern und Kinder Freude an der Spatzenmusik haben“.
Dieses generationenübergreifende Phänomen ist der emotionale Anker der Band. Es ist nicht nur die Anerkennung der eigenen Leistung, sondern das Gefühl, ein kulturelles Erbe von einer Generation zur nächsten zu transportieren. Die Musik der Kastelruther Spatzen wirkt als Brücke, die Familien verbindet und gemeinsame Erinnerungen schafft. Diese einzigartige Dynamik verleiht der Band eine beinahe zeitlose Relevanz. Zu sehen, wie die traditionellen Klänge der Heimat Lieder (wie sie die Spatzen seit jeher pflegen) in den Ohren der Jüngsten noch immer Anklang finden, ist eine „große Motivation fürs Weitermachen“, so Rier. „Das gibt einem selber viel Kraft“.
In einer schnelllebigen Musikindustrie, die ständig neue Trends jagt, bieten die Spatzen einen Gegenentwurf: Beständigkeit, Authentizität und die ungefilterte Liebe zur Heimat. Sie haben es geschafft, ihre jährliche Album-Routine beizubehalten, ein beeindruckendes Pensum, das ihre tiefe Verbundenheit zur Musik und die ungebrochene Kreativität des Ensembles belegt. Jedes neue Album ist ein Versprechen an ihre Fans: Wir sind noch da, und wir haben noch etwas zu sagen.

Der Landwirt und der Superstar: Riers Erdung in Kastelruth
Um die unglaubliche Energie und Gelassenheit von Norbert Rier zu verstehen, muss man seinen Blick abseits der glitzernden Bühnen richten – zurück zu den bodenständigen Realitäten Südtirols. Rier führt nämlich nicht nur ein Leben als gefeierter Volksmusiker, sondern auch als bodenständiger Landwirt und passionierter Pferdezüchter. Auf seinem Hof in Kastelruth hat er „abseits der Bühne jede Menge zu tun“.
Dieser Kontrast – das Pendeln zwischen dem Blitzlichtgewitter der Konzerthallen und dem Stallgeruch der Viehzucht – ist der Schlüssel zu Riers mentaler Stärke. Die Musik, gibt er zu, nehme zwar „viel Zeit in Anspruch“, aber auch die Tiere und die Landwirtschaft würden ihn brauchen. Diese zweite, elementare Berufung dient als perfekter Anker und als Schutzschild gegen die Leere oder Abgehobenheit, die der Ruhm mit sich bringen kann. Die Verantwortung für die Tiere und die Bewirtschaftung des Hofes halten ihn geerdet und mit den natürlichen Zyklen des Lebens verbunden. Es ist die tägliche, körperliche Arbeit in der Heimat, die ihm die notwendige Balance und die Inspiration für seine Lieder gibt. Er ist kein abgehobener Star, sondern einer von ihnen – ein Detail, das seine Beliebtheit in der Volksmusik-Szene zementiert.
Ein Pakt der Integrität: Keine Abschiedstour-Masche
Besonders bemerkenswert und wohltuend in der modernen Entertainment-Welt ist die klare Haltung der Kastelruther Spatzen zum Thema Abschiedstourneen. Die Band will sich nicht mit einer „Masche“ bei ihren treuen Fans einschleimen oder deren Emotionen ausnutzen.
Das Phänomen der „ewigen“ Abschiedstournee ist in der Musikbranche weit verbreitet. Bands kündigen unter großem Tamtam ihr angebliches Ende an, nur um kurze Zeit später für eine weitere „finale“ Tournee zurückzukehren. Die Kastelruther Spatzen distanzieren sich entschieden von dieser Praxis: „Wir werden nicht immer wieder eine Abschiedstour ankündigen und dann doch weitermachen“, stellt Rier klar.
Dieser Schwur ist ein Versprechen an ihre Fans, ein Beweis ihrer Integrität und ihres tiefen Respekts vor der Loyalität ihres Publikums. Wenn die Zeit für den Rücktritt gekommen ist, soll dieser Moment von Aufrichtigkeit geprägt sein. „Wenn sich eine solche Tournee abzeichnet, dann soll es auch wirklich die letzte Tour sein“, bekräftigt der Sänger. Es ist eine Haltung, die den Wert der Musik über den reinen Marktwert stellt und die die Kastelruther Spatzen als eine der ehrlichsten Bands in ihrem Genre auszeichnet. Sie werden nicht so lange weitermachen, bis sie ausgebrannt sind, sondern so lange, wie sie Freude daran haben und solange ihre Musik einen echten Wert schafft.

Die wahre Botschaft: Die Hymne an die intakte Natur
Was bleibt, ist die ewige Botschaft ihrer Lieder. Die Spatzen sind keine politische Band im herkömmlichen Sinne, doch ihre Themen sind zutiefst relevant und von zeitloser Bedeutung. Sie nutzen ihre Musik, um der Schönheit ihrer Heimat, der „schönen Bergwelt“ Südtirols, zu huldigen.
Ihre Lieder sind gefüllt mit Bildern von unberührter Natur, klaren Bergseen und der majestätischen Stille der Alpen. Diese lyrische Verankerung in der Natur geht über bloße Romantik hinaus. Es ist ein Appell, ein sanfter, aber dringlicher Hinweis darauf, „wie wichtig eine intakte Natur für uns alle ist“.
In einer Zeit des Klimawandels und der zunehmenden Umweltzerstörung ist die musikalische Ode der Spatzen an die intakte Natur wichtiger denn je. Ihre Heimatlieder werden so zu Hymnen für den Naturschutz. Sie besingen nicht nur, was sie lieben, sondern erinnern ihr Publikum auch daran, was es zu schützen gilt. Die Authentizität dieser Botschaft wird durch Norbert Riers Doppelleben als Landwirt noch unterstrichen. Er lebt, was er singt, und dieser Einklang zwischen Kunst und Leben ist die Quelle ihrer Glaubwürdigkeit.
Ausblick: Die Legende lebt weiter
Die Kastelruther Spatzen beweisen, dass wahre Passion und Authentizität jede Grenze überwinden können. Ihr Geheimnis ist keine komplizierte Marketingstrategie, sondern eine einfache Formel: Bleibe dir selbst, deiner Heimat und deinem Publikum treu. Die Musik ist ihr Motor, die Fans ihre Kraftquelle und die Integrität ihr Pakt mit der Öffentlichkeit.
So lange die Großeltern, Eltern und Kinder gemeinsam in den Konzerten stehen, so lange die Berge ihrer Südtiroler Heimat sie inspirieren und so lange Norbert Rier auf seinem Hof in Kastelruth gebraucht wird, werden die Kastelruther Spatzen nicht aufhören. Sie haben den Ruhestand im Blick, aber er ist noch weit, weit entfernt. Ihr Erbe wird nicht nur in den Tausenden von verkauften Alben, sondern in der tiefen, generationenübergreifenden Freude gemessen, die ihre Musik entfacht. Und das ist eine Kraft, die auch die Zeit nicht stoppen kann. Die Kastelruther Spatzen bleiben die unermüdlichen Botschafter der Volksmusik, die uns lehren, dass das wahre Lebenselixier in der Liebe zur Musik und zur Heimat liegt.