Harald Schmidt. Schon der Name ruft ein Echo von schwarzem Humor, intellektueller Schärfe und gnadenlosem Zynismus hervor. Er war jahrzehntelang das Gewissen – und oft das schlechte Gewissen – des deutschen Fernsehens. Ein Mann, der lächelte, während andere wankten, der sezierte, wo andere schmeichelten. Er sagte nie, was man hören wollte, sondern immer das, was man hören musste. Jetzt, mit 68 Jahren, zieht der Altmeister der Ironie Bilanz. Doch es ist keine wehmütige Rückschau, sondern eine schonungslose Abrechnung, ein zynisches Testament, das die tiefsten Gräben der deutschen Medienlandschaft freilegt.
Schmidt spricht über fünf Begegnungen, die ihn nie losgelassen haben – über Menschen, die er nicht nur enttäuschend fand, sondern die er nach eigener Aussage verachtet. Und diese Verachtung ist keine flüchtige Emotion, sondern eine intellektuelle Ablehnung, eine Kälte, die tiefer schneidet als jeder Hass. „Ich habe nie Menschen gehasst“, resümiert er leise, „ich habe nur aufgehört, sie zu bewundern.“ Und genau diese Abwesenheit von Bewunderung ist das vernichtendste Urteil. Die von ihm präsentierte Liste ist weniger ein persönlicher Rachefeldzug als vielmehr eine philosophische Analyse des Niedergangs von Witz und Substanz im Scheinwerferlicht.

Platz 5: Die Erben-Falle – Jan Böhmermann
Der Name auf Platz 5 ist ein symbolischer Schlag gegen die neue Generation: Jan Böhmermann. Böhmermann, der sich gerne als „Erbe von Harald Schmidt“ nennt, beging in Schmidts Augen genau damit seinen größten Fehler. Er ist jung, provokant, digital – die Speerspitze der neuen Satire. Doch wo Schmidt Präzision walten ließ, setzt Böhmermann auf Lautstärke. Schmidt diagnostiziert gnadenlos: Böhmermann verwechselt „Lautstärke mit Haltung“.
Ihr erstes kühles Aufeinandertreffen auf einem Gala-Abend in Köln setzte den Ton: Böhmermanns Witz über „alten Zynismus in grauem Anzug“ prallte an Schmidts eisigem Blick ab. Die Menge lachte, Schmidt nicht. Die wahre Eskalation folgte jedoch bei einer Preisverleihung. Böhmermann, als Laudator, stellte Schmidt mit den Worten vor: „Ein Mann, der mich inspiriert hat, ohne es zu merken.“ Schmidt trat auf, blickte ihn an, und lieferte den vernichtenden Konter, der Geschichte schrieb: „Inspiration ist schön, aber ich bevorzuge Talent.“
Tosender Applaus für den Altmeister. Hinter der Bühne: Eiszeit. Für Schmidt repräsentiert Böhmermann all das, was er verachtet: „Moral statt Witz, Selbstinszenierung statt Substanz“. Es ist der Kampf zweier Generationen und zweier Egos, die nicht nur unterschiedliche Humorkonzepte, sondern unterschiedliche Weltanschauungen verkörpern. Böhmermann landet nicht auf der Liste, weil er böse war, sondern weil er „zu laut versuchte, besser zu sein“. Er wollte der legitime Nachfolger sein, Schmidt sieht in ihm nur einen verfehlten Abklatsch.

Platz 4: Die Gefahr der Spontaneität – Anke Engelke
Die Nennung von Anke Engelke auf Platz 4 ist die wohl emotionalste auf dieser Liste, denn sie entblößt eine tiefe, fast freundschaftliche Enttäuschung. Sie galten einst als das Traumpaar des deutschen Fernsehens – er, der Zyniker, sie, die intelligente, schlagfertige Frau, die ihn selbst überraschte. Doch aus anfänglicher Harmonie wurde Konkurrenz, aus Respekt kalte Verachtung.
Der Bruch erfolgte während ihrer gemeinsamen Late-Night-Show. Schmidt, der Mann der Kontrolle, schrieb seine Pointen tagelang, während Engelke das Chaos und die Improvisation liebte. Und genau das machte sie gefährlich. Eines Abends, live vor den Kameras, passierte das Undenkbare: Anke überging Schmidts vorbereitete Pointe, warf spontan einen Satz ein, und das Publikum explodierte vor Lachen – nicht über ihn, sondern über sie.
Ein Redakteur berichtete später von einem nach der Sendung herrschenden, eisigen Schweigen. Schmidt war „weiß vor Wut – nicht weil sie witzig war, sondern weil sie ihn übertroffen hatte“. Das egozentrische Herz des Altmeisters war getroffen. Die tiefe Verletzung manifestierte sich später in Anke Engelkes Dankesrede bei einer Preisverleihung, als sie den Preis allen widmete, „die glauben, Humor müsse immer männlich, grau und überheblich sein“.
Schmidt verstand den Schlag. Sein kühler Konter in seiner Show: „Manche Menschen verwechseln Frechheit mit Talent“. Der finale, tiefsitzende Schmerz, der in ihrem Zitat „er ist brillant, aber Brillanz ohne Herz ist nur Kälte“ gipfelte, konterte Schmidt mit der ganzen Härte seines Charakters: „Kälte ist Ehrlichkeit, wenn man aufhört, sich zu entschuldigen.“ Sie war die einzige, die ihn ernsthaft herausforderte, ihm „jed stahl und dabei lachte“. Und gerade deshalb wurde sie zur Figur seiner größten Verachtung – der Verachtung für die eigene Verwundbarkeit.
Platz 3: Der Affront der Authentizität – Hape Kerkeling
Zwei Legenden, zwei Welten. Hape Kerkeling lässt Menschen weinen vor Lachen; Harald Schmidt bringt sie mit einem Satz zum Schweigen. Zwischen ihnen herrschte anfangs echter Respekt. Schmidt nannte Kerkeling „den letzten großen Entertainer Deutschlands“. Doch das Eis, das sie trennte, schmolz nie ganz.
Der Bruch kam in einer Talkshow, in der Kerkeling mit Wärme und Charme über sein neues Buch sprach. Die Atmosphäre war leicht, die Herzen der Zuschauer geöffnet. Plötzlich meldete sich Harald Schmidt spontan aus dem Publikum zu Wort. Die Geste schien harmlos, doch die Frage war ein chirurgischer Eingriff in Kerkelings Künstlerexistenz: „Mich würde interessieren, ob Hape privat auch so spielt oder ob er irgendwann echt ist?“
Das Lachen im Saal war laut, aber Hape Kerkeling schwieg. Es war kein Witz mehr. Es war eine Infragestellung seiner Seele, eine Reduzierung seines Herzens auf eine Rolle. Kerkeling verließ das Studio wortlos. Wochen später die leise Replik im Interview: „Manche Menschen verwechseln Intelligenz mit Überheblichkeit.“ Schmidt mag gelacht haben, aber nur kurz. Der Abstand zwischen ihnen wurde in diesem Moment unüberbrückbar.
Kerkeling, der das Herz der Nation berührt, steht für das, was Schmidt nicht kann und nicht will: Emotionalität und unironische Echtheit. Schmidt stichelte später, Kerkeling könne alles, nur eines nicht: „ironisch sein“. Hape Kerkeling ist Schmidts Antipode – zu warm, zu ehrlich, zu menschlich. Und diese ungeschützte Emotionalität ist in Schmidts zynischem Weltbild die ultimative Schwäche, die er mit Verachtung straft.

Platz 2: Die Perfektion der Leere – Markus Lanz
Markus Lanz. Der Inbegriff von Kontrolle, Struktur und unerbittlicher Vorbereitung. Er überlässt nichts dem Zufall und genau das machte ihn zum perfekten Gegner für Harald Schmidt. Beide Männer sind ehrgeizig und klug, doch Schmidt wusste, dass ein gutes Gespräch keine strukturierte Kontrolle, sondern ein Duell auf Augenhöhe ist. Lanz wollte genau das Letztere.
Die erste Begegnung war eine Lehrstunde. Lanz fragte höflich: „Herr Schmidt, fehlt Ihnen das Fernsehen?“ Schmidts kühles, vernichtendes Lächeln und die Antwort: „Nein, aber dem Fernsehen fehlt Intelligenz.“ Lanz war wütend, fühlte sich kontrolliert, nicht interviewt. Sein Fazit: „Mit Harald kann man kein Gespräch führen, nur einen Kampf.“
Als Lanz ein Jahr später versuchte, sich zu revanchieren, war Schmidt vorbereitet: Sein Thema war Lanz selbst. Er unterbrach, stellte Gegenfragen, ließ Lanz ins Leere laufen und spöttelte vor laufender Kamera: „Das klingt, als hätten Sie es gerade auswendig gelernt.“ Es war ein Duell, das Schmidt mit überlegener Nonchalance gewann. Lanz nannte ihn brillant, aber „unmöglich“.
Schmidts schriftliche Antwort in seiner Kolumne ist ein Meisterwerk des intellektuellen Contempt: „Er hat recht, aber er war nicht bewaffnet.“ Markus Lanz steht für die „Schein-Professionalität, Perfektion ohne Seele“. Er ist diszipliniert, ehrgeizig, fleißig, aber: „Disziplin ersetzt kein Charisma“. Für Schmidt ist Lanz der funktionierende Prototyp eines Fernsehens, das alles richtig macht, außer das Wichtigste zu besitzen: eine echte Persönlichkeit.

Platz 1: Das ungesagte Urteil und die Einsamkeit der Ironie
Die Liste bricht ab. Vier Namen sind genannt, doch der Name auf Platz 1, „der, den niemand erwartet hätte“, bleibt ungesagt. Die Spannung, die aufgebaut wurde, löst sich nicht in einem Namen, sondern in einer Leerstelle auf. Und genau diese Leerstelle ist das ultimative, zynische Meisterstück Harald Schmidts. Sie ist das lauteste Statement.
Der Altmeister der Ironie verweigert uns den erwarteten Knalleffekt. Die Verachtung für die vier Genannten ist klar, aber die Identität der Nummer eins ist eine philosophische Bombe, die im Ungesagten explodiert. Wer könnte die Spitze seiner Missachtung zieren?
Die moderne Fernsehindustrie als Ganzes, die Moral über Witz stellt und die Echtheit vergisst?
Oder vielleicht Schmidt selbst? Die Verachtung für den Teil von sich, der diese Oberflächlichkeit überhaupt noch beobachtet?
Der letzte Absatz ist die Auflösung – und sie ist erschreckend: Er blickt zurück, nicht mit Reue, sondern mit der Klarheit eines Mannes, der nichts mehr beweisen muss. „Hinter jedem Zynismus steckt Enttäuschung“, sagt er. Und dann, das endgültige, eisige Fazit auf die Frage, ob er all diese Menschen wirklich verachte: „Nein, ich beobachte sie und das ist viel schlimmer.“
Die wahre Verachtung des Harald Schmidt richtet sich nicht gegen die vier genannten Personen, sondern gegen den Zustand, den sie repräsentieren. Und der ungenannte Platz 1 ist der Ort, an dem die Einsamkeit der Ironie wohnt. Es ist die Verachtung für eine Welt, die er einst prägte, in der er aber heute als „Fossil“ gilt, und die er nur noch aus der Distanz beobachtet, ohne jede Bewunderung. Die größte Verachtung ist nicht der Hass, sondern das kalte, intellektuelle Beobachten, das weiß, dass Ironie nicht schützt, sondern am Ende nur einsam macht. Das ist das Vermächtnis des zynischen Testaments.