Der einsame Tod des Helden: Wie Hollywoods vergessener Tarzan in Europa zur Legende wurde und auf einem New Yorker Bürgersteig starb

Das Vermächtnis des Mannes, der zweimal ein Held war und doch allein starb

Kurz vor dem Mittag brach auf einer New Yorker Avenue ein Mann auf dem Bürgersteig zusammen. Passanten eilten herbei, doch es war zu spät. Der Mann, dem der Tod so unvermittelt im Herzen traf, besaß weder Geldbörse noch Ausweis. Er war in seinen letzten Momenten namenlos – nur eine eingravierte Inschrift auf der Rückseite seiner Armbanduhr lieferte den entscheidenden Hinweis: „Alexander S. Barker, Beverly Hills“. Die Welt wusste es in diesem Augenblick noch nicht, doch auf diesem tristen Asphalt endete das Leben eines Mannes, der in Hollywood einst als Tarzan gefeiert wurde und in Europa zur unsterblichen Legende des edlen Grenzmanns Old Shatterhand aufgestiegen war: Lex Barker. Sein Tod war ein grausames, stilles Echo seiner Karriere und seines Lebens – eine Geschichte voller Triumph, Exil und dem tiefen Schmerz der Vergänglichkeit.

Hinter Lex Barkers makellosem goldenen Lächeln verbarg sich eine komplizierte, von Widersprüchen gezeichnete Seele. Geboren in eine wohlhabende New Yorker Familie, schien sein Weg vorgezeichnet: Elite-Universität, Wall Street, ein Leben innerhalb der stillschweigenden Grenzen des Privilegs. Sein Vater war ein erfolgreicher Bauunternehmer; die Familie war umgeben von Chauffeuren und der Gewissheit des Reichtums. Doch der junge Lex sehnte sich nach etwas anderem als gesellschaftlicher Konvention. Das Theater hatte ihn in seinen Bann gezogen. Er traf die schicksalhafte Entscheidung, die Universität zu verlassen und sich einer wandernden Theatertruppe anzuschließen, um Schauspieler zu werden. Die Reaktion seines Vaters war heftig: Er enterbte ihn, strich ihm jede finanzielle Unterstützung. Plötzlich war Barker, der privilegierte Sohn, allein und mittellos, gezwungen, in einem Stahlwerk zu arbeiten, um über die Runden zu kommen. Diese frühe Rebellion legte den Grundstein für einen Mann, der sich weigerte, sich den Erwartungen seiner Herkunft zu beugen, selbst wenn dies materielle Not bedeutete.

Der Wendepunkt kam mit dem Krieg. Er meldete sich zur US-Armee, tauschte die Bretter, die die Welt bedeuten, gegen die Schlachtfelder Europas und diente tapfer. Er kämpfte in der blutigen Sizilienkampagne, stieg bis zu einem hohen Rang auf und erlitt Verletzungen an Kopf und Bein. Zweimal wurde ihm das Purple Heart verliehen, eine Auszeichnung, die seine Tapferkeit im Angesicht des Todes bezeugte. Der Krieg schuf einen neuen Lex Barker: körperlich gezeichnet, von chronischen Schmerzen heimgesucht, aber ausgestattet mit einer nie zuvor gekannten Disziplin und Zielstrebigkeit. Als er nach Los Angeles zurückkehrte, war er kein verwöhnter Junge mehr, sondern ein gestählter Mann, dessen Vergangenheit eine Schwere mit sich trug, die ihn nie ganz loslassen sollte.

Hollywood empfing ihn mit offenen Armen – oder genauer gesagt, mit einer einzigen, allzu definierenden Rolle. Nach einigen kleinen Auftritten fand Barker seinen Durchbruch. Er wurde zum zehnten offiziellen Tarzan der Filmgeschichte ernannt. Mit seiner Größe, seinem athletischen Körperbau und seiner blonden Mähne passte er perfekt in das Bild des Studios. Er verkörperte den Dschungelhelden in mehreren Filmen, erntete Ruhm und wurde von Tausenden Frauen als „Sexy Lexi“ verehrt. Doch dieser Ruhm war ein goldener Käfig. Das Tarzan-Klischee, der Lendenschurz, die ständige Forderung nach Action statt Emotion, erstickten den Schauspieler in ihm. Er sehnte sich nach Rollen mit Tiefe und Substanz, doch für Hollywood-Casting-Direktoren blieb er auf ewig der schweigende Dschungelmann. „Es ist wunderbar, wieder Kleidung tragen zu können“, sagte er einmal, „ich mag es, wie ein zivilisierter Mensch zu sprechen“.

Auch sein Privatleben geriet in dieser Zeit ins Wanken und wurde zum öffentlichen Spektakel. Er heiratete und ließ sich mehrmals scheiden. Seine dritte Ehefrau war die glamouröse Leinwanddiva Lana Turner, eine Beziehung, die von Eifersucht, finanziellem Druck und einem Skandal gezeichnet war, der Barker auf lange Sicht in Verruf bringen sollte. Hollywood zerfiel. Die Ära der heroischen Archetypen, die Barker so perfekt verkörperte, neigte sich dem Ende zu. Ernüchtert und beruflich frustriert fasste er einen mutigen Entschluss, den nur wenige amerikanische Stars wagten: Er packte seine Koffer und verließ die Traumfabrik. Europa, so hoffte er, würde ihm eine zweite Chance geben.

Was in den USA als Exil begann, wurde in Europa zu einer Wiedergeburt. Barker, der fließend Französisch, Italienisch, Spanisch und etwas Deutsch sprach, sah auf dem Kontinent Möglichkeiten, wo Hollywood nur ein Relikt vergangener Zeiten sah. In Italien drehte er Mantel-und-Degen-Abenteuerfilme, die seinem Charisma schmeichelten und ihm die künstlerische Freiheit gaben, die er in Hollywood nie gekannt hatte. Dann kam eine kleine, aber entscheidende Rolle, die sein künstlerisches Image für immer prägen sollte: Federico Fellini, bereits eine Legende, besetzte ihn in La Dolce Vita. Barker spielte den betrunkenen, eifersüchtigen Verlobten. Es war eine Nebenrolle, doch Fellinis Beschreibung des Schauspielers sollte hängen bleiben: ein „Mann aus Marmor, der Trauer in den Augen trägt“. Dieser Satz fing Barkers inneren Widerspruch perfekt ein: der perfektionierte Körper, der eine tiefe, verborgene Erschöpfung beherbergte.

Die wahre Apotheose erfolgte, als der deutsche Produzent an ihn herantrat. Ihm wurde die Rolle des Old Shatterhand in der Verfilmung von Karl Mays beliebten Abenteuergeschichten angeboten. Barker zögerte zunächst bei der Idee eines „deutschen Westerns“, doch seine damalige Frau, die Schweizer Schauspielerin Irene Labhardt, bestand darauf, dass er die Chance ergriff. Es war eine weise Eingebung. Als der erste Film Premiere feierte, wurde er über Nacht zu einem Phänomen. Millionen Deutsche strömten in die Kinos und feierten den blonden, breitschultrigen Amerikaner, der wie geschaffen schien für die Rolle des rechtschaffenen, moralisch unbesiegbaren Helden.

Lex Barker wurde über Nacht zu Deutschlands beliebtestem ausländischem Schauspieler, einem Symbol für Tugend, Stärke und Ehre in einem Nachkriegsland, das nach klaren, unbesiegten Idolen suchte. Zusammen mit Pierre Brice als edlem Apachenhäuptling Winnetou bildete er ein Leinwandgespann, das das goldene Zeitalter des deutschen Abenteuerkinos prägte. Ihre Blutsbrüderschaft auf der Leinwand wurde zum Inbegriff von Freundschaft und Ehre. Er verkörperte Old Shatterhand mehrmals. Er erhielt den renommierten Bambi-Preis, nahm sogar deutschsprachige Balladen auf – die Lex-Barker-Welle erfasste das Land in hysterischen Ausmaßen.

Doch wie schon Tarzan in Hollywood, wurde auch Old Shatterhand in Europa zu einem „Käfig des Ruhms“. Barker war erneut in einer Schublade gefangen – diesmal als der makellose Held in Lederjacke. Produzenten boten ihm nur Variationen derselben Rolle an: edle Gesetzeshüter, unbestechliche Patrioten. Sein Wunsch, dunklere, komplexere Figuren zu spielen, wurde ignoriert. „Der Held wurde zu meinem Fluch“, vertraute er einmal einem Freund an. Als der Karl-May-Boom abklang und die Angebote seltener wurden, fand sich Barker erneut vor der beruflichen Leere wieder, der er einst entflohen war.

Dieser berufliche Niedergang wurde von tiefen privaten Tragödien überschattet. Seine Ankerfrau, die ihn zum Old Shatterhand überredet hatte, starb tragisch an Leukämie und ließ ihn allein mit ihrem kleinen Sohn zurück. Barker suchte Trost und Halt in einer letzten Ehe mit der glamourösen spanischen Schönheitskönigin Tita Cervera. Was als leidenschaftliche Verbindung begann, zerbrach jedoch bald an Eifersucht, finanziellem Stress und öffentlichen Streitereien. Er war erschöpft, emotional ausgebrannt und begann, stark zu trinken. Freunde bemerkten seine Abmagerung, seine Reizbarkeit, die chronischen Schmerzen alter Kriegsverletzungen.

Barker versuchte, dem Verfall entgegenzuwirken, indem er sich ständig antrieb. Lange Tennisspiele am Tag, Partys in der Nacht und Whisky, um den Schmerz zu betäuben. Ein Satz, den er einmal zu einem Freund sagte, fasst seine panische Angst vor dem Vergessenwerden zusammen: „Wenn ich aufhöre, mich zu bewegen, verschwinde ich.“ Der Held unzähliger Abenteuer kämpfte in seinen letzten Jahren einen einsamen Kampf gegen die Zeit, gegen die Schmerzen und gegen einen Körper, der mit der Legende nicht mehr Schritt halten konnte. Seine letzte Filmrolle, in der er einen alternden Schauspieler spielte, der über seine Vergangenheit reflektierte, wirkte erschreckend autobiografisch.

An jenem letzten Tag schien sich die Hoffnung kurzzeitig wieder einzustellen. Barker hatte Pläne für ein Mittagessen in New York, wirkte entspannt, hoffte auf ein Comeback im amerikanischen Fernsehen. Doch während er die Avenue entlangging, fasste er sich an die Brust und brach zusammen – ein Herzinfarkt. Es war ein grausames familiäres Echo, denn auch sein Vater war frühzeitig an einem Herzinfarkt gestorben.

Die Nachricht von seinem Tod wurde in Amerika kaum beachtet; Hollywood hatte seinen Dschungelhelden längst vergessen. Doch in Europa, insbesondere in Deutschland, schaffte es der Tod auf die Titelseiten. Zeitungen veröffentlichten seitenweise Nachrufe. Kinder, die mit seinen Filmen aufgewachsen waren, trauerten, als wäre ein Teil ihrer Kindheit verschwunden. Pierre Brice, sein Blutsbruder auf der Leinwand, nannte ihn „einen Bruder, einen Mann, der Größe mit Sanftmut trug“.

Lex Barkers Vermächtnis ist das eines Mannes voller Widersprüche: stark auf der Leinwand, zerbrechlich im Innern; im Ausland geliebt, in der Heimat vergessen. Er hinterließ eine emotionale Spur, die das deutsche Publikum bis heute fasziniert. Seine Geschichte hallt als melancholisches Echo nach, eine Erinnerung daran, dass Ruhm vergänglich ist und selbst die mächtigsten Heldenfiguren leise und unerkannt auf einem Bürgersteig verschwinden können. Der Mann, der den Dschungel und den Wilden Westen bezwang, erlag letztlich dem Gewicht seines eigenen Herzens.

Related Posts

Our Privacy policy

https://newsjob24.com - © 2025 News