Paul McCartney. Der Name allein ruft Bilder von triumphierenden Melodien, ausverkauften Stadien und einem charmanten Lächeln hervor, das die Welt seit über sechs Jahrzehnten verzaubert. Er ist der Beatle, der “Yesterday” schrieb, der Ritter der britischen Krone, das musikalische Genie, das Melodien so mühelos aus dem Ärmel schüttelt, wie andere Leute atmen. Doch hinter der Fassade des “netten Beatles” verbirgt sich eine Geschichte, die weit dunkler, schmerzhafter und menschlicher ist, als es die meisten seiner Fans ahnen. Es ist eine Geschichte von tiefen Wunden, die nie ganz verheilten, von einem “Kalten Krieg” im heiligen Raum des Tonstudios und von Frauen, die sein Leben entweder retteten oder fast zerstörten.

Der frühe Schatten des Todes
Um den Mann zu verstehen, muss man in das Liverpool der Nachkriegszeit zurückblicken. Geboren 1942, mitten in den Wirren des Zweiten Weltkriegs, lernte Paul früh, was es heißt, zu kämpfen. Doch sein härtester Kampf war nicht der gegen die Schulhoftyrannen, die ihn wegen seiner Religion schikanierten. Es war der 31. Oktober 1956, der Tag, an dem seine Welt zum ersten Mal zerbrach. Seine geliebte Mutter Mary starb mit nur 47 Jahren an Brustkrebs. Paul war 14. Sein erster Gedanke war schockierend pragmatisch: “Was sollen wir ohne ihr Geld tun?” Dieser Gedanke, geboren aus der nackten Angst um die Existenz der Familie, verfolgte ihn mit Schuldgefühlen.
Dieser Verlust wurde zum unsichtbaren Band, das ihn später mit einem rebellischen Jungen namens John Lennon verband. Auch John hatte seine Mutter Julia auf tragische Weise verloren. In ihrem gemeinsamen Schmerz fanden sie eine Sprache, die keine Worte brauchte: die Musik. Sie schrieben “in die Augäpfel des anderen schauend”, wie Paul es später beschrieb, und schufen ein Imperium.
Die Frau auf dem Verstärker: Das Ende der Harmonie
Die Beatles eroberten die Welt, brachen alle Rekorde und schienen unbesiegbar. Doch jedes Imperium muss fallen, und für die Beatles kam der Untergang nicht von außen, sondern direkt aus dem Herzen ihres Heiligtums. Es war das plötzliche Auftauchen einer Frau, die die ungeschriebenen Gesetze der Band brach. Yoko Ono.
Für Paul war das Tonstudio ein heiliger Ort, reserviert für die vier Jungs und ihren Produzenten George Martin. Doch plötzlich saß da diese mysteriöse Frau – direkt auf seinem Verstärker. Sie mischte sich ein, gab Kommentare ab, war allgegenwärtig. Es entfachte einen stillen, aber brutalen Krieg zwischen Paul und John. Paul fühlte sich an den Rand gedrängt, seine Autorität untergraben durch Johns Obsession mit Yoko. Es war nicht nur Eifersucht; es war der Verlust seines besten Freundes an eine Kraft, die er nicht kontrollieren konnte. Die Spannung war greifbar, “ein Brodeln in der Stille”, wie er später gestand. Als Paul 1970 schließlich die Auflösung der Beatles verkündete und seine Bandkollegen verklagte, war er in den Augen vieler der Bösewicht. Doch für ihn war es der einzige Weg, das musikalische Erbe zu retten, das sie gemeinsam aufgebaut hatten.

Der tiefste Schmerz: “How Do You Sleep?”
Was folgte, war eine der bittersten öffentlichen Fehden der Musikgeschichte. John Lennon, verletzt und angestachelt, veröffentlichte “How Do You Sleep?” – ein musikalisches Attentat auf Paul. Er nannte seine Musik “Muzak” (Fahrstuhlmusik) und behauptete, das Einzige, was Paul je gut gemacht habe, sei “Yesterday” gewesen. Für Paul, der John immer noch als Bruder sah, waren diese Worte wie Dolchstöße. Er lebte jahrelang im Schatten dieses Konflikts, unfähig, den Frieden zu finden, den er sich so sehr wünschte. Erst kurz vor Johns Ermordung 1980 näherten sie sich wieder an, doch der endgültige Abschied blieb ihm verwehrt. Der Tod von John nahm Paul die Chance, das Kapitel jemals vollständig zu schließen. Er musste weiterleben, während sein Partner zum Märtyrer verklärt wurde.
Linda: Der Anker im Sturm und die Wiederholung der Tragödie
Inmitten des Chaos nach der Trennung der Beatles gab es nur einen Menschen, der Paul vor dem totalen Absturz bewahrte: Linda Eastman. Sie war seine Rettung, seine Muse, seine Gefährtin in der neuen Band “Wings”. Kritiker verspotteten ihre musikalischen Fähigkeiten, doch für Paul war sie unverzichtbar. Sie bauten sich ein Leben auf, zogen Kinder groß und waren fast nie getrennt.
Doch das Schicksal ist grausam. 1998 schlug der Blitz an genau derselben Stelle ein wie in seiner Kindheit. Linda starb an Brustkrebs – derselben Krankheit, die ihm seine Mutter genommen hatte. Der Mann, der die Welt mit “Let It Be” getröstet hatte, weinte ein Jahr lang fast ununterbrochen. “Ich habe meine Freundin verloren”, war alles, was er sagen konnte. Es war ein Schlag, von dem viele dachten, er würde sich nie davon erholen.

Der teure Fehler: Heather Mills
In seiner Trauer und Einsamkeit suchte Paul nach Liebe und glaubte, sie in Heather Mills gefunden zu haben. Es sollte ein Neuanfang sein, doch es wurde zu einem öffentlichen Albtraum. Die Ehe zerbrach schnell, und der folgende Scheidungskrieg war schmutzig, laut und teuer. Heather forderte unfassbare Summen, beschuldigte ihn der Gewalt und zog seinen Namen durch den Schmutz. Das Gericht nannte sie “unberechenbar”, und Paul musste tief in die Tasche greifen – über 24 Millionen Dollar kostete ihn die Freiheit. Es war eine Demütigung für einen Mann, der sein Privatleben immer so sehr geschützt hatte.
Ein später Frieden
Heute, mit 82 Jahren, scheint Paul McCartney endlich angekommen zu sein. Er hat in Nancy Shevell eine ruhige Liebe gefunden, die ihn an die Stabilität mit Linda erinnert. Er hat Frieden mit seiner Vergangenheit geschlossen, auch mit Yoko Ono, und erkennt ihre Rolle in Johns Leben an, auch wenn die Narben der Vergangenheit bleiben.
Paul McCartneys Leben lehrt uns, dass selbst der größte Ruhm nicht vor Schmerz schützt. Er wurde verprügelt, verhaftet, verklagt und hat die Menschen verloren, die er am meisten liebte. Doch er hat nie aufgehört, Musik zu machen. Seine Lieder sind nicht nur Melodien; sie sind die Narben und Triumphe eines Mannes, der trotz allem immer weitermachte. Er hat überlebt – die Beatles, den Tod, die Scheidungen und den Hass. Und vielleicht ist das sein größtes Meisterwerk.