Ein Leben zwischen Rampenlicht und Schatten: Die wahre Geschichte hinter dem “King of Cool”
Wenn man an das 20. Jahrhundert und dessen Inbegriff von Coolness und Eleganz denkt, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Dean Martin. Mit einem Glas in der Hand, einer Zigarette lässig im Mundwinkel und einem Charme, der Frauenherzen schmelzen und Männer vor Neid erblassen ließ, prägte er eine ganze Ära. Er war der “King of Cool”, ein Mann, der durch das Leben zu gleiten schien, ohne jemals ins Schwitzen zu geraten. Doch hinter der glitzernden Fassade des Showbiz, hinter dem süffisanten Grinsen und den zeitlosen Melodien, verbarg sich ein Mensch aus Fleisch und Blut – mit einem Herzen, das so zerbrechlich war wie das eines jeden anderen. Und dieses Herz sollte auf die grausamste Weise gebrochen werden.

Vom Stahlarbeiter zur Showlegende: Ein steiniger Weg
Dean Martins Geschichte beginnt nicht in den Villen von Beverly Hills, sondern in den rauen, grauen Straßen von Steubenville, Ohio. Geboren am 7. Juni 1917 als Dino Paul Crocetti, war er der Sohn italienischer Einwanderer, die den amerikanischen Traum mit harter Arbeit bezahlten. In seinem Elternhaus wurde Italienisch gesprochen, gesungen und gelacht, doch draußen in der Schule war der kleine Dino ein Außenseiter. Sein gebrochenes Englisch machte ihn zur Zielscheibe von Spott und Mobbing. Diese frühe Lektion der Einsamkeit sollte ihn sein Leben lang begleiten.
Er verließ die Schule in der zehnten Klasse, überzeugt davon, dass das wahre Leben draußen auf ihn wartete. Und das tat es – mit aller Härte. Er schuftete im Stahlwerk, tankte Autos auf, lieferte Milch aus und versuchte sich sogar als Boxer unter dem Namen “Kid Crocetti”. Seine Nase, die später von einem Schönheitschirurgen korrigiert wurde (bezahlt vom Komiker Lou Costello), trug die Spuren dieser zwölf Kämpfe, von denen er lachend sagte: “Ich habe alle bis auf elf verloren.” Doch diese Härte formte ihn. Sie lehrte ihn, Schläge einzustecken – sowohl physisch als auch metaphorisch.
Der Wendepunkt kam, als er seine Stimme entdeckte. Inspiriert von italienischen Tenören begann er zu singen, nannte sich Dean Martin und traf schließlich auf einen Mann, der sein Schicksal besiegeln sollte: Jerry Lewis. Zusammen bildeten sie das erfolgreichste Comedy-Duo der Nachkriegszeit. Doch selbst nach der bitteren Trennung von Lewis bewies Martin allen Kritikern das Gegenteil: Er brauchte niemanden, um zu glänzen. Er wurde zum Superstar, zum Mitglied des legendären “Rat Pack” an der Seite von Frank Sinatra und Sammy Davis Jr., und eroberte Las Vegas im Sturm.
Der Mythos und die Wahrheit
Auf der Bühne kultivierte er das Image des liebenswerten Trinkers, des Mannes, der das Leben nicht zu ernst nahm. Doch das war – wie so vieles in Hollywood – eine perfekt inszenierte Illusion. In seinem Glas befand sich oft nur Apfelsaft. Während Sinatra und die anderen bis in die frühen Morgenstunden feierten, zog sich Dean oft zurück. Er war im Grunde ein introvertierter Mann, der die Ruhe liebte, Westernfilme schaute und Golf spielte. Diese Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und privater Realität war sein Schutzschild. “Dean hat alle hinters Licht geführt”, sagte Sinatra einmal bewundernd.
Doch auch sein Privatleben war ein Wechselbad der Gefühle. Seine erste Ehe mit Betty McDonald zerbrach an deren Alkoholproblemen, während Dean im Ruhm aufstieg. Seine zweite Ehe mit der wunderschönen Jeanne Biegger schien zunächst perfekt. Sie bekamen drei Kinder, und Jeanne zog auch seine vier Kinder aus erster Ehe liebevoll auf. Sie waren die amerikanische Vorzeigefamilie. Doch der Ruhm forderte seinen Tribut. Deans Untreue und seine langen Abwesenheiten zermürbten die Beziehung, bis auch diese Ehe 1973 geschieden wurde. Dennoch blieb Jeanne die Liebe seines Lebens – eine Tatsache, die sich in seinen dunkelsten Stunden bewahrheiten sollte.

Der Tag, an dem die Musik starb
Es gibt Momente im Leben, die teilen die Zeit in ein “Davor” und ein “Danach”. Für Dean Martin war dieser Moment der 21. März 1987. Sein Sohn, Dean Paul Martin, sein “Golden Boy”, ein talentierter Schauspieler, Musiker und Pilot der Air National Guard, stürzte mit seinem Phantom-Jet in einem Schneesturm in den kalifornischen Bergen ab. Er war erst 35 Jahre alt.
Als die Nachricht Dean erreichte, brach seine Welt zusammen. Sechs qualvolle Tage lang suchten Rettungskräfte nach dem Wrack, und mit jeder verstrichenen Stunde starb ein Teil von Dean Martin. Als der Tod seines Sohnes Gewissheit war, zog sich der einst so lebendige Entertainer in eine undurchdringliche Stille zurück. Freunde berichteten, dass er von diesem Tag an nur noch auf seinen eigenen Tod wartete. “Er starb an jenem Tag mit ihm”, sagte sein Freund Rich Little.
Eine geplante Reunion-Tournee mit Sinatra und Davis Jr. wurde zum Desaster. Dean war nur noch ein Schatten seiner selbst, lustlos, abwesend, gebrochen. Er konnte die Rolle des lustigen Trinkers nicht mehr spielen, wenn sein Herz vor Schmerz schrie. Sinatra, der versuchte, ihn zurück ins Leben zu zerren, musste schließlich akzeptieren, dass Dean nicht mehr zu retten war.
Ein stiller Abschied im Schatten
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Dean Martin in selbstgewählter Isolation. Er saß in seinem Haus in Beverly Hills, umgeben von Erinnerungen, und starrte oft stundenlang ins Leere oder auf den Fernseher. Doch er war nicht ganz allein. Jeanne, seine Ex-Frau, die Frau, die er so oft verletzt hatte, kehrte in sein Leben zurück – nicht als Ehefrau, aber als stiller Engel. Sie wachte über ihn, saß oft in einem Restaurant in seiner Nähe, nur um sicherzustellen, dass es ihm gut ging, ohne sich aufzudrängen. Ihre Liebe hatte Bestand, auch wenn das Leben sie getrennt hatte.
Als Ärzte 1993 Lungenkrebs bei ihm diagnostizierten und zu einer Operation rieten, lehnte Dean ab. Seine Antwort war so simpel wie herzzerreißend: “Ich habe ein gutes Leben gehabt.” Es war kein Aufgeben aus Feigheit, sondern die müde Akzeptanz eines Mannes, der genug gesehen, genug gefeiert und genug gelitten hatte. Er wollte nicht mehr kämpfen. Er wollte Frieden.

Weihnachten: Der letzte Vorhang
Es entbehrt nicht einer gewissen poetischen Tragik, dass Dean Martin ausgerechnet am 25. Dezember 1995 starb – am Weihnachtstag, einem Fest der Familie und der Liebe. Er starb im Alter von 78 Jahren an akutem Lungenversagen. Sein Tod erschütterte die Welt, doch für ihn war es die Erlösung, nach der er sich seit dem Verlust seines Sohnes gesehnt hatte.
Als Hommage an ihn wurden in Las Vegas die Lichter des “Strip” für zehn Minuten gedämpft. Eine Geste, die nur den allergrößten Legenden zuteilwird. Die Stadt, die er mit aufgebaut hatte, hielt den Atem an. Doch das wahre Vermächtnis von Dean Martin liegt nicht in den Neonlichtern oder den Plattenverkäufen. Es liegt in der Geschichte eines Mannes, der alles erreichte und doch das Wichtigste verlor.
Sein Grabstein im Westwood Village Memorial Park trägt die Inschrift: “Everybody Loves Somebody Sometime”. Es ist der Titel seines berühmtesten Songs, aber es ist auch eine Mahnung an uns alle. Dean Martin lehrte uns, zu lachen und das Leben leicht zu nehmen. Aber sein Schicksal lehrt uns auch, dass Ruhm kein Schutz vor Schmerz ist und dass am Ende des Tages nicht der Applaus zählt, sondern die Menschen, die uns lieben, wenn das Licht ausgeht.
Jeanne überlebte ihn um viele Jahre, doch sie fand nie wieder eine neue Liebe. Sie starb 2016 und wurde in seiner Nähe beigesetzt. So fand das Paar, das im Leben nicht zusammenbleiben konnte, im Tod wieder zueinander. Eine tragische, aber auch tröstliche Note am Ende einer großen amerikanischen Saga.
Dean Martin war mehr als nur ein Entertainer. Er war ein Mensch, der tanzte, während sein Herz blutete. Und vielleicht ist es genau diese Verletzlichkeit hinter der coolen Fassade, die ihn unsterblich macht.