Katrin Sass ist ein Phänomen. Als Ex-Staatsanwältin Karin Lossow im Usedom Krimi hat sie sich in das kollektive Gedächtnis der deutschen Fernsehzuschauer gebrannt – kompromisslos, scharfsinnig und von einer rauen, ehrlichen Verletzlichkeit. Diese Rolle spiegelt auf faszinierende Weise das turbulente und zutiefst menschliche Leben der Schauspielerin selbst wider, deren Karriere in der DDR begann und die auch heute, mit fast 70 Jahren, nichts von ihrer beunruhigenden Präsenz verloren hat. Doch hinter den vielen Film- und Fernsehauftritten verbirgt sich eine persönliche Geschichte, die von einer großen Liebe, einem schmerzhaften Bruch und der mutigen Entscheidung für die eigene Freiheit erzählt: die Ehe mit dem berühmten DEFA-Regisseur Siegfried Kühn.
Die Verbindung zwischen Katrin Sass und Siegfried Kühn war mehr als nur eine Ehe; sie war eine kulturelle Allianz, eine Verschmelzung zweier kreativer Kräfte, die die ostdeutsche Filmlandschaft maßgeblich prägten. Sass, die in der DDR zu einem der größten Stars aufstieg und mit Filmen wie Die Verlobte oder Bürgschaft für ein Jahr gefeiert wurde, traf auf einen der gefragtesten Regisseure bei der DEFA, der größten Filmgesellschaft des Landes. Das Set war ihr gemeinsames Zuhause, der Ort, an dem ihre künstlerischen Visionen und ihre Liebe zueinander erblühten.

Ihre Beziehung war in den späten 70er und 80er Jahren ein stummer, aber mächtiger Beweis für die Einheit von Kunst und Leben. Wenn ein Top-Star und ein führender Regisseur sich das Jawort geben, entsteht in der Öffentlichkeit das Bild einer unzerbrechlichen Macht, eines Paares, das gemeinsam die Leinwand erobert. Doch diese Öffentlichkeit erfuhr erst später, wie komplex und veränderlich die Liebe hinter den Kulissen wirklich war. Die offizielle Eheschließung erfolgte im Jahr 1991, kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands, in einer Zeit des radikalen Umbruchs. Symbolträchtig arbeiteten sie noch im selben Jahr an dem Film Heute sterben immer nur die anderen zusammen – ein Titel, der im Nachhinein eine fast prophetische, melancholische Bedeutung für das Schicksal ihrer eigenen Beziehung zu erhalten scheint.
Die Ehe hielt bis zum Jahr 2007, eine respektable Dauer von 16 Jahren, die von gemeinsamen Erfolgen und sicher auch persönlichen Herausforderungen geprägt war. Doch dann, überraschend für viele, zog Katrin Sass einen radikalen Schlussstrich. Die Gründe, die sie später in Interviews mit der Bildzeitung andeutete, sind ein tiefes Zeugnis menschlicher Ehrlichkeit und der Notwendigkeit, der eigenen inneren Stimme zu folgen, selbst wenn der Schritt schmerzhaft ist.
“Ich fühle mich gerade sehr, sehr wohl, ich bin frei”, lautete ihr zentrales Bekenntnis nach der Trennung. Diese Worte waren kein wütender Ausruf, sondern das ruhige, gefasste Resümee einer Frau, die nach reiflicher Überlegung eine Entscheidung für ihr eigenes Glück getroffen hatte. Es war die Bilanz eines langen Kapitels, das zwar wertvoll, aber in seiner Form erschöpft war. Sie erklärte, sie habe immer deutlicher gemerkt, dass sich “unsere Liebe sehr verändert hat.” Dies ist eine Erkenntnis, die viele Paare nach Jahrzehnten teilen, doch nur wenige Prominente artikulieren sie mit solch entwaffnender Offenheit. Die Liebe, die einst auf der synchronen Leidenschaft für das Filmemachen gründete, hatte sich in etwas anderes verwandelt – vielleicht in eine Freundschaft, vielleicht in eine tiefe Vertrautheit, die jedoch nicht mehr die Form einer klassischen Ehe brauchte.
Entscheidend ist, dass Sass die gemeinsame Zeit keineswegs verleugnete oder bereute. Im Gegenteil, sie betonte: “Ich möchte die Zeit mit ihm nicht missen.” Dieser Satz ist der Schlüssel zum Verständnis ihrer Entscheidung. Er zeigt, dass es sich nicht um einen Streit, einen Skandal oder einen Affront handelte, sondern um eine evolutionäre Trennung, einen bewussten Akt des Loslassens, der die Erinnerung ehrt, während er die Zukunft bejaht. Es war die ultimative Befreiung, ein Weg, sich selbst im fortgeschrittenen Alter neu zu erfinden.

Die physische Trennung folgte der emotionalen. Vom gemeinsamen Bauernhof in Mittlenburg-Vorpommern, einem Ort, der für viele die Sehnsucht nach einem idyllischen, ländlichen Leben symbolisiert, zog Katrin Sass in die Nähe von Berlin. Dieser Umzug ist mehr als nur ein Wohnortwechsel; er ist die geographische Manifestation ihrer neu gewonnenen “Freiheit”. Berlin, die pulsierende Metropole, steht im Gegensatz zur stillen Abgeschiedenheit des Landes. Es ist der Ort der Arbeit, der Kultur und der ständigen Bewegung – eine perfekte Kulisse für eine Schauspielerin, die noch lange nicht ans Aufhören denkt.
Seit der Scheidung hat Katrin Sass ihr Leben als Single neu definiert. Zwar sprach sie von einer weiteren Beziehung, die nach anderthalb Jahren wieder endete, doch seither gilt die heute 69-Jährige als Single. Dies zementiert das Bild einer Frau, die keine Kompromisse um des Kompromisses willen eingeht. Sie ist kinderlos, was ihren Fokus noch stärker auf ihre Karriere und ihre Selbstbestimmung lenkt. Ihr Leben ist ein Beweis dafür, dass Glück und Erfüllung nicht an traditionelle Lebensentwürfe, eine feste Partnerschaft oder eine Familie gebunden sind. Ihre Stärke wird zu einer stillen Botschaft für alle Frauen, die sich in festgefahrenen Situationen wiederfinden.
Doch Katrin Sass wäre nicht Katrin Sass, wenn ihr Leben abseits der Leinwand nicht ebenfalls dramatisch verlaufen würde. Zuletzt sorgte sie mit einem Vorfall am Müggelsee für Schlagzeilen, der ihre unbeugsame Natur auf die Probe stellte und sie erneut in den Fokus der Öffentlichkeit rückte. Am Ostersamstag des vergangenen Jahres wurde sie beim Spaziergang mit ihrem Hund in einen heftigen Streit mit Badegästen verwickelt. Die Situation eskalierte derart, dass sie in den Fokus des Staatsschutzes geriet. Ob es um Beleidigung, Bedrohung oder politische Äußerungen ging – der Vorfall zeigte, dass Katrin Sass im privaten Leben genauso wenig davor zurückschreckt, für ihre Überzeugungen und ihren Hund einzutreten, wie ihre ikonische Rolle der Karin Lossow. Ihre Leidenschaft, ihre Ecken und Kanten sind nicht nur auf der Leinwand zu finden, sondern prägen ihre gesamte Persönlichkeit.

Im Gegensatz zur öffentlich präsenten Katrin Sass zog sich ihr Ex-Mann Siegfried Kühn bereits vor Jahren fast vollständig aus der Öffentlichkeit zurück. Sein letzter Film, Die Lügnerin mit Katharina Talbach in der Hauptrolle, datiert aus dem Jahr 1992, nur ein Jahr nach ihrer Hochzeit. Dieser Rückzug schafft einen tiefen Kontrast: Hier die Ikone, deren Präsenz nicht nachlässt und deren Leben weiterhin Stoff für Schlagzeilen liefert; dort der Künstler, der die Stille dem Rampenlicht vorzieht. Zwei Lebenswege, die einst zusammenliefen, haben sich längst in entgegengesetzte Richtungen entwickelt.
Katrin Sass’ Geschichte ist die einer Frau, die im ständigen Wandel lebt und ihre eigenen Regeln definiert. Ihre Trennung von Siegfried Kühn war nicht das Ende einer Ära, sondern der Beginn einer neuen, selbstbestimmten Phase. Ihr offenes Bekenntnis zur gewonnenen Freiheit, ihre anhaltende Präsenz in den Medien und ihre Fähigkeit, selbst aus turbulenten Privatereignissen gestärkt hervorzugehen, machen sie zu einer der faszinierendsten und relevantesten Persönlichkeiten des deutschen Films. Sie ist der lebende Beweis dafür, dass wahre Stärke darin liegt, sich selbst treu zu bleiben, die notwendigen Brücken abzubrechen und in jedem Lebensalter neu und mutig zu beginnen. Ihre Freiheit ist ihr größter Triumph.