Es war ein Tag, der eigentlich dem stillen Gedenken, der Würde und dem friedvollen Abschied gewidmet sein sollte. Doch was sich in der Berliner Grunewaldkirche abspielte, als Familie, Freunde und Wegbegleiter zusammenkamen, um dem legendären Musikproduzenten Jack White die letzte Ehre zu erweisen, glich eher einem dramatischen Schlussakt eines Lebens, das so reich an Erfolgen, aber offenbar auch so arm an innerem Frieden war. Es war eine Trauerfeier, die weniger von harmonischem Trost als vielmehr von schmerzhafter Ehrlichkeit, offenen Wunden und einem schockierenden Gefühl des Verrats geprägt war.

Die Szenerie: Ein Meer aus weißen Rosen und spürbare Leere
Rund 70 geladene Gäste hatten sich in der ehrwürdigen Kirche eingefunden. Die Atmosphäre war gedrückt, schwer von den unausgesprochenen Konflikten, die wie dunkle Wolken über den Köpfen der Trauergemeinde hingen. Der Altarraum war geschmückt mit einem Meer aus weißen Rosen – eine letzte, zarte Hommage an den Mann, dessen Name im Showgeschäft einst für Glanz und Gloria stand. Inmitten dieser Blütenpracht ruhte die Urne des 85-Jährigen. Doch der Blick der Anwesenden richtete sich nicht nur auf das blumengeschmückte Gefäß, sondern immer wieder auch auf die leeren Plätze in den vorderen Reihen, die lauter sprachen als jedes Gebet.
In der ersten Reihe saßen eng aneinandergedrängt fünf seiner sieben Kinder: Frank, Antonia, Bia, Gloria und Ella. Sie bildeten eine Einheit der Erwachsenen, eine Front der Hinterbliebenen, die sich gegenseitig stützten. Doch das Bild war unvollständig. Schmerzhaft unvollständig. Die zwei jüngsten Kinder, der sechsjährige Maximilian und die erst zwei Jahre alte Angelina, fehlten. Und noch auffälliger: Rafaella, Jack Whites vierte Ehefrau und Witwe, war nicht anwesend. Ihr Platz blieb leer. Ein Fernbleiben, das in der Stille der Kirche wie ein Paukenschlag hallte und den tiefen Riss offenbarte, der durch diese Familie geht. Jack White hatte sich Mitte Oktober das Leben genommen, kurz nachdem Rafaella aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen war. Nun, einen Monat später, trat er seine letzte Reise ohne sie an.
Der gebrochene Schwur: Ein Freund klagt an
Wenn man glaubte, die Abwesenheit der Witwe sei der einzige Schatten über diesem Tag, so irrte man gewaltig. Es war Heini Schnitzler, Jack Whites ältester und bester Freund, der ans Rednerpult trat und Worte sprach, die das Herz eines jeden Zuhörers zusammenziehen ließen. Seine Rede war kein weichgespülter Nachruf, sondern ein Schrei nach Gerechtigkeit für einen Toten, der sich nicht mehr wehren kann.
Mit brüchiger Stimme enthüllte Schnitzler ein Geheimnis, das die Beisetzung in einem völlig neuen, tragischen Licht erscheinen ließ. „Jack hat mir noch vor sechs Wochen das Versprechen abgenommen, dass ich im Falle seines Todes seine Urne zu seiner Mutter nach Köln überführe“, berichtete Schnitzler unter Tränen. Es war der letzte, sehnlichste Wunsch des Musikers: im Tod wieder mit der Frau vereint zu sein, die ihm das Leben schenkte. Doch dieser Wunsch wurde ihm verwehrt.
„Jetzt stehe ich hier und darf sie nicht mitnehmen“, sagte Schnitzler resigniert und blickte auf die Urne, die in Berlin bleiben musste. Rafaella, so wurde deutlich, hatte die Beisetzung in Berlin veranlasst – entgegen dem ausdrücklichen Willen des Verstorbenen. Der Freund stand machtlos vor den vollendeten Tatsachen. Jack White fand seine letzte Ruhe auf dem Friedhof Wilmersdorf, fernab von dem Ort, nach dem sich seine Seele gesehnt hatte. Diese Enthüllung legte eine bleierne Schwere auf die Zeremonie. Es ist der Stoff, aus dem Tragödien sind: Ein Mann, der Millionen Menschen mit seiner Musik bewegte, hatte am Ende nicht einmal mehr die Macht, über seinen eigenen Ruheort zu bestimmen.

Eine Abrechnung statt einer Lobeshymne
Die Organisation der Trauerfeier lag in den Händen seines ältesten Sohnes Frank Nussbaum und Jack Whites dritter Ehefrau Janin. Dass Frank diese Aufgabe übernahm, war alles andere als selbstverständlich, denn das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war seit Jahren zerrüttet. Es gab keinen Kontakt, keine warmen Worte, nur Schweigen. Diesen Schmerz, diese Distanz verbarg Frank auch in seiner Trauerrede nicht. Er verzichtete auf heuchlerische Floskeln und wählte stattdessen eine brutale Ehrlichkeit, die unter die Haut ging.
„Für mich war er mein Vater, kein Papa mehr“, stellte Frank klar. Ein Satz, der die ganze Tragik einer entfremdeten Beziehung in sich trägt. Der Unterschied zwischen einem Erzeuger und einem liebenden Papa – hier wurde er vor aller Öffentlichkeit manifestiert. Frank sprach von einer „Aussprache“, die vor vielen Jahren stattgefunden hatte. „Danach war alles gesagt. Der Abstand, den ich gewählt habe, war bewusst und tat mir und meiner Familie gut“, erklärte er. Es war keine Rede der blinden Trauer, sondern eine der nüchternen Bilanzierung.
Er sprach von „Verwunderung über den Schlamassel“, mit dem die erwachsenen Kinder und Janin sich nun konfrontiert sähen. Das Wort „Schlamassel“ wirkte in dem sakralen Raum fast deplatziert profan, doch es traf den Nagel auf den Kopf. Es beschrieb das Chaos, die offenen Fragen, den Schmerz und die Zerrissenheit, die Jack White hinterlassen hatte. Es war das Erbe eines Mannes, der vielleicht alles hatte, aber am Ende doch nichts festhalten konnte.
Mitgefühl für einen gebrochenen Mann
Trotz der Härte seiner Worte, trotz der Jahre der Funkstille, fand Frank Nussbaum am Ende zu einer Geste der Menschlichkeit, die fast noch mehr berührte als seine Kritik. Er wandte sich direkt an den Geist seines Vaters: „Ich empfinde auch Mitgefühl für dich als einen Mann, der am Ende keine Kraft mehr hatte weiterzugehen und seiner inneren Verzweiflung erlag.“
In diesen Worten lag das Erkennen der menschlichen Tragödie hinter der schillernden Fassade des Showbusiness. Heini Schnitzler hatte es in seiner Rede ebenfalls angedeutet: „Jack hatte nur einen Fehler: Er konnte nicht allein sein.“ Diese Unfähigkeit zum Alleinsein, gepaart mit dem Verlust seiner Frau Rafaella, hatte ihn offenbar in den Abgrund getrieben. Der Mann, der Hits produzierte wie am Fließband, der die Massen unterhielt, war im Innersten ein Einsamer, der an der Stille zerbrach.

Ein Wunsch nach Frieden
Der bewegendste Moment der Rede von Frank Nussbaum war vielleicht der Schluss. Es war der Versuch, Frieden zu schließen – nicht für die Vergangenheit, sondern für die Ewigkeit. „Jack, ich wünsche dir Frieden und dass du an dem Ort, an dem du jetzt bist, findest, was dir hier offensichtlich gefehlt hat: loyale Liebe, Nähe, Vertrauen und die Fähigkeit, vor allem die Liebe anzunehmen.“
Dieser letzte Satz hallte lange nach. Die Fähigkeit, Liebe anzunehmen. Es war eine letzte Diagnose über das Leben von Jack White. Erfolg, Geld, Ruhm – all das konnte offensichtlich die innere Leere nicht füllen, die das Fehlen von echter, bedingungsloser Liebe hinterlassen hatte.
Ein bitteres Ende
Als die Trauergemeinde die Kirche verließ und Jack White auf dem Friedhof Wilmersdorf beigesetzt wurde, blieb ein Gefühl der Unvollendung. Er liegt nun in Berlin, nicht in Köln bei seiner Mutter. Seine Witwe war nicht da, um die letzte handvoll Erde auf den Sarg zu werfen. Seine jüngsten Kinder werden sich kaum an diesen Tag erinnern können.
Was bleibt, ist die Geschichte eines Mannes, der die Welt der Musik prägte, aber dessen privates Universum in Scherben lag. Die Trauerfeier für Jack White war mehr als ein Abschied; sie war ein Spiegelbild eines turbulenten Lebens, das in einem leisen, verzweifelten Knall endete. Man kann nur hoffen, dass Frank Nussbaums Wunsch in Erfüllung geht und Jack White dort, wo er jetzt ist, den Frieden findet, der ihm auf Erden – und selbst bei seiner eigenen Beerdigung – verwehrt blieb.