Es ist ein Abschied, der so choreografiert wirkt wie ihre legendären Auftritte im Pariser Lido: perfekt abgestimmt, unzertrennlich und mit einer Haltung, die bis zur letzten Sekunde Haltung bewahrt. Die Nachricht vom Tod der Kessler-Zwillinge, Alice und Ellen, die am 17. November 2025 im Alter von 89 Jahren gemeinsam aus dem Leben schieden, hat die Unterhaltungswelt in eine Schockstarre versetzt. Doch es sind nicht nur die Umstände ihres Todes – ein assistierter Suizid –, die die Menschen bewegen. Es ist eine letzte, fast filmreife Geste, die nun bekannt wird: Ein mysteriöses Paket, das erst geöffnet werden durfte, als die Herzen der beiden Show-Ikonen bereits aufgehört hatten zu schlagen.

Das Päckchen mit der Aufschrift „Nicht öffnen“
Nur zwei Tage vor ihrem Tod, jenem schicksalhaften 17. November, machte sich eine letzte Sendung auf den Weg. Der Adressat: Keine Geringere als die TV-Legende und langjährige Nachbarin Carolin Reiber (85) in Grünwald. Auf dem Päckchen prangte eine strikte Anweisung, die im Nachhinein wie ein unheilvolles Omen wirkt: „Nicht vor dem 18. November öffnen“.
Carolin Reiber, die nichts von dem radikalen Entschluss ihrer Freundinnen ahnte, hielt das Päckchen in den Händen, während Alice und Ellen nur wenige Häuser weiter ihre letzten Vorbereitungen trafen. Als die Nachricht vom Tod der Zwillinge die Welt erreichte und Reiber schließlich die Sendung öffnete, offenbarte sich ein rührender, letzter Liebesbeweis.
„Sie haben mir wunderschöne Schmuckstücke geschickt, die ich immer an ihnen bewundert hatte. Perlen mit Jadesteinen“, erzählte eine sichtlich bewegte Carolin Reiber der Presse. Ihre Stimme zitterte, als sie ihre Vermutung äußerte: „Die haben sie mir wohl vererbt.“ Es war kein gewöhnliches Geschenk. Es war ein Abschiedsgruß, abgeschickt mit dem Wissen, dass man sich in diesem Leben nicht wiedersehen würde. Eine Geste, die zeigt, wie sehr die Zwillinge bis zuletzt an ihre Liebsten dachten, während sie ihren eigenen, endgültigen Weg planten.
Ein geplanter Abgang: „Zusammen im Leben, zusammen im Tod“
Dass Alice und Ellen Kessler alles gemeinsam machten, war mehr als nur ein Image – es war ihre Lebensphilosophie. Sie teilten sich die Bühne, den Ruhm, oft die Wohnung und am Ende auch den Tod. Schnell nach Bekanntwerden ihres Ablebens am selben Tag kamen Fragen auf: War es ein Unfall? Eine plötzliche Krankheit? Doch die Wahrheit ist so klar wie konsequent. Die Schwestern entschieden sich für einen assistierten Suizid.
Berichten zufolge ging es den beiden gesundheitlich nicht mehr gut. Freunde und Weggefährten wussten, dass die Kräfte schwanden. Ralph Siegel (80), der die Zwillinge seit 50 Jahren kannte und schätzte, fand bewegende Worte für den Verlust: „Ich hatte sie zu meinem 80. Geburtstag am 30. September eingeladen, aber sie sagten aus gesundheitlichen Gründen ab. Soweit ich weiß, ging es ihnen nicht mehr gut.“ Dass sie den Zeitpunkt selbst bestimmen wollten, passt zu den Frauen, die zeitlebens für ihre Disziplin und Unabhängigkeit bekannt waren. Sie wollten niemandem zur Last fallen, nicht pflegebedürftig werden – und vor allem: Sie wollten nicht ohne die andere sein.
Die verpasste Premiere und die Stille der Freunde
Wie nah das Alltägliche und das Endgültige beieinanderlagen, zeigt ein Blick in den Terminkalender der letzten Tage. Eigentlich wollten sich die drei Freundinnen – Alice, Ellen und Carolin Reiber – noch treffen. Ein Besuch der Musical-Premiere von „Pretty Woman“ im Deutschen Theater am 13. November war geplant. Doch kurzfristig sagten die Zwillinge ab. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass dies keine gewöhnliche Absage war, sondern der Rückzug aus der Öffentlichkeit, um sich auf das Ende vorzubereiten.
Das „Todespaket“ behielten sie bis zuletzt für sich. Selbst engste Vertraute wurden nicht in den genauen Zeitplan eingeweiht. Die Fassungslosigkeit im Freundeskreis ist groß. Gundel Fuchsberger (95), die Witwe von Joachim „Blacky“ Fuchsberger und enge Freundin, zeigte sich gegenüber der Bild-Zeitung tief erschüttert: „Ich stehe unter Schock. Es ist so tief traurig. Sie werden mir sehr fehlen.“
Diese Reaktionen zeigen, dass trotz des hohen Alters und der bekannten gesundheitlichen Beschwerden niemand mit einem so abrupten Ende gerechnet hatte. Der assistierte Suizid, so rational er für die Betroffenen gewesen sein mag, hinterlässt bei den Hinterbliebenen oft eine Leere, gefüllt mit Fragen nach dem „Warum jetzt?“ und „Warum so still?“.

Ein Leben im Gleichschritt: Von Leipzig in die Welt
Um die Tragweite dieses Abschieds zu verstehen, muss man auf das außergewöhnliche Leben der Kessler-Zwillinge zurückblicken. Geboren 1936 in Sachsen, flüchteten sie in den 1950er Jahren aus der DDR in den Westen – und tanzten sich von dort aus an die Weltspitze. Sie waren die „Deutschen Mädel“ im legendären Pariser Lido, die einzigen, die Frank Sinatra und Elvis Presley den Kopf verdrehten, ohne ihn zu verlieren.
In den 60er und 70er Jahren waren sie die unbestrittenen Stars des deutschen und italienischen Fernsehens. Sie waren glamourös, weltgewandt und dabei immer diszipliniert. „Die Beine der Nation“ wurden sie genannt, doch sie waren viel mehr als das: Sie waren Pionierinnen einer modernen, selbstbestimmten Weiblichkeit. Sie heirateten nie („Wir sind mit uns selbst verheiratet“, scherzten sie oft), sie ließen sich von keinem Mann vorschreiben, wie sie zu leben hatten, und sie bewahrten ihre Unabhängigkeit bis zum letzten Atemzug.
Ihr Vermächtnis ist nicht nur in den Archiven der Fernsehsender zu finden, sondern auch in der Art und Weise, wie sie gingen. Der Tod war für sie kein Tabu, sondern der letzte Akt einer langen, gemeinsamen Inszenierung. Bereits vor Jahren hatten sie in Interviews angedeutet, dass sie nicht alleine zurückbleiben wollten, sollte die eine vor der anderen gehen. Dass sie diesen Pakt nun in die Tat umsetzten, zeugt von einer Willenskraft, die ihresgleichen sucht.
Das Echo eines Doppellebens
Was bleibt, sind die Erinnerungen an zwei außergewöhnliche Frauen, die Deutschland ein Stück Glanz und Glamour schenkten. Und natürlich bleibt dieses letzte Paket bei Carolin Reiber – ein stilles Zeugnis einer Freundschaft, die über den Tod hinausreicht. Die Jade-Perlen werden Reiber nun immer an Alice und Ellen erinnern, an ihre Eleganz und ihre Großzügigkeit.
In einer Zeit, in der das Thema Sterbehilfe und selbstbestimmtes Sterben oft hitzig diskutiert wird, haben die Kessler-Zwillinge ein stilles, aber kraftvolles Statement gesetzt. Sie haben gezeigt, dass Würde für sie bedeutete, die Regie niemals aus der Hand zu geben.
Ralph Siegel wird sie, wie er sagt, „für immer in Erinnerung behalten“. Und damit ist er nicht allein. Ganz Deutschland verneigt sich ein letztes Mal vor Alice und Ellen Kessler. Der Vorhang ist gefallen, das Licht ist aus, aber der Applaus für dieses einzigartige Lebenswerk wird noch lange nachhallen. Ruht in Frieden, ihr wunderbaren Seelen. Ihr seid nun wieder dort, wo ihr immer wart: zusammen.