„Es nervt mich inzwischen“: Thomas Gottschalks endgültige Abrechnung und der unwiderrufliche TV-Abschied nach dem Bambi-Eklat

Es ist der Moment, vor dem sich viele Fans der deutschen Fernsehunterhaltung gefürchtet haben, und doch war er unausweichlich. Thomas Gottschalk, der blonde Hüne, der über Jahrzehnte hinweg das Samstagabend-Gefühl in die deutschen Wohnzimmer brachte, zieht einen endgültigen Schlussstrich. In Passau, weit weg vom Glamour der großen Hauptstadt-Studios, fand der 75-Jährige deutliche, fast schon trotzige Worte für seinen Abschied. Doch es war nicht nur eine Rücktrittserklärung – es war eine emotionale Befreiungsschlag nach Wochen der Kritik, des Spottes und der bohrenden Nachfragen.

Das Nachbeben der Bambi-Gala

Um die Atmosphäre in Passau zu verstehen, muss man den Blick kurz zurückwerfen. Die Bambi-Verleihung, eigentlich ein Heimspiel für den routinierten Moderator, geriet zum Spießrutenlauf. Als Gottschalk auf der Bühne stand, um Weltstar Cher zu ehren, geschah das Unvorstellbare: Der Mann, der für seine Schlagfertigkeit berühmt ist, verlor den Faden. Er wirkte verwirrt, verwechselte Details und musste sogar von Laudator Hannes Jaenicke korrigiert werden. Ein „Blackout“, wie er es später nannte, ausgelöst durch ein Cher-Double, das ihn irritierte.

Doch anstatt Mitleid zu ernten, hagelte es Häme. Und genau diese Reaktionen haben Spuren hinterlassen. In Passau, wo er eigentlich nur die Laudatio auf den Startenor Jonas Kaufmann halten sollte, wurde deutlich, wie sehr ihn das Thema noch immer verfolgt – und wie sehr es ihn mittlerweile anwidert.

„Es nervt mich inzwischen“, gestand Gottschalk der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Veranstaltung. Die ständigen Fragen nach dem Bambi-Auftritt, nach seinem Gesundheitszustand, nach seiner Konzentration – all das scheint den Entertainer zermürbt zu haben. Er stellte klar: „Ich habe kein Problem mit Cher und Cher hat kein Problem mit mir. Das ist das Wichtigste.“ Es war der Versuch, die Deutungshoheit über seinen eigenen Fauxpas zurückzugewinnen, doch in seiner Stimme schwang eine unverkennbare Müdigkeit mit.

Der unwiderrufliche Abschied: „Das war’s dann“

Vielleicht war es genau diese Müdigkeit, die ihn zu seiner wohl klarsten Aussage der letzten Jahre verleitete. Thomas Gottschalk macht Schluss. Nicht vielleicht, nicht irgendwann, sondern jetzt. „Noch eine Show und dann ist Schluss. Ich bin 75 und verabschiede mich jetzt aus dem Geschäft“, verkündete er mit einer Bestimmtheit, die wenig Raum für Spekulationen lässt.

Es steht noch eine große Samstagabend-Show bei RTL auf dem Programm – ein letztes Mal die große Bühne, ein letztes Mal das Bad in der Menge. Aber danach soll der Vorhang endgültig fallen. „Das war’s dann“, sagte Gottschalk und fügte fast schon entschuldigend hinzu, dass andere Menschen schließlich schon mit 67 in Rente gehen würden. Es klingt, als müsse er sich dafür rechtfertigen, dass er nach über 50 Jahren im Rampenlicht endlich seinen Ruhestand genießen möchte. Um ihn müsse man sich keine Sorgen machen, betonte er. Ihm werde sicher nicht langweilig werden. Doch wer Gottschalk kennt, weiß: Die Bühne war sein Lebenselixier. Dieser Schritt ist kein einfacher Gang in den Ruhestand, es ist der Abschied von einer Identität.

Wenn die Ehefrau Regie führt

Dass Gottschalk trotz aller Kritik seinen Humor nicht verloren hat, bewies er während seiner Rede auf Jonas Kaufmann, der mit dem „Menschen in Europa“-Award der Passauer Neuen Presse ausgezeichnet wurde. Mit einem Augenzwinkern erzählte er von einer Szene kurz vor dem Auftritt, die tief blicken lässt. Seine Frau habe ihm eine klare Ansage gemacht: „Es geht hier nicht um dich, sondern um Jonas Kaufmann.“

Das Publikum lachte, doch in der Anekdote steckt viel Wahrheit. „Ich neige dazu, wenn ich auf der Bühne stehe, diese für mich einzunehmen“, gab Gottschalk offen zu. Es war ein seltener Moment der Selbstreflexion. Diese Eigenschaft, die ihn einst zum größten Showmaster Deutschlands machte – das völlige Vereinnahmen des Raumes –, wird ihm heute oft als Eitelkeit ausgelegt. Dass er dies nun selbst thematisiert, zeigt, dass er die Kritik der letzten Zeit durchaus registriert hat.

Die Parallele zum Bambi-Eklat war dabei unüberhörbar. Auch dort hatte man ihm zuraunen müssen, worum es eigentlich geht. In Passau jedoch wirkte Gottschalk gefasst, fast schon erleichtert, die Rolle des Hauptdarstellers für einen Abend an Jonas Kaufmann abtreten zu können.

Kulturkampf: Oper gegen TikTok

In seiner Laudatio zeigte sich dann der „alte“ Gottschalk – der Feuilletonist unter den Entertainern, der über den Tellerrand der bloßen Unterhaltung hinausblickt. Er zog einen düsteren, aber treffenden Vergleich zwischen der Welt der klassischen Musik und seiner eigenen Branche, dem linearen Fernsehen. Beide, so Gottschalk, hätten es heutzutage schwer, besonders bei der Jugend.

„Langatmig gesungene Opernerzählungen und das schnelle TikTok-Video sind eben kein gutes Match“, analysierte er messerscharf. Er sprach davon, dass die Oper, so wie Richard Wagner sie verstand, ähnlich wie das klassische Fernsehen weitgehend aus den Köpfen der Menschen verschwunden sei. Es war ein Abgesang auf eine Epoche, in der Konzentration und Geduld noch Tugenden waren.

Doch Gottschalk wäre nicht Gottschalk, wenn er nicht auch Hoffnung verbreiten würde. Er wandte sich direkt an Jonas Kaufmann: „Aber ich glaube, dass Menschen wie du das ändern können.“ Er adelte den Tenor als den „aktuellen Star der Opernszene“ und zog einen Vergleich, der wohl nur ihm einfallen konnte: „Du bist der George Clooney der Oper.“ Einer, der nicht nur stimmlich, sondern auch optisch überzeuge und so Publikum wie Kritiker gleichermaßen begeistere.

Ein leises Servus

Der Auftritt in Passau war mehr als nur eine Laudatio. Es war eine therapeutische Sitzung in eigener Sache. Thomas Gottschalk hat gezeigt, dass er verletzt ist, dass ihn die öffentliche Demontage der letzten Wochen trifft. Aber er hat auch gezeigt, dass er bereit ist, die Konsequenzen zu ziehen.

Wenn er demnächst seine letzte große Show moderiert, wird es nicht mehr darum gehen, Quotenrekorde zu brechen oder sich für die Zukunft zu empfehlen. Es wird eine Abschiedsvorstellung sein. Ein letztes Mal „Wetten, dass..?“-Feeling (auch wenn die Show anders heißen mag), ein letztes Mal die großen Gesten, die bunten Anzüge.

Gottschalks Worte „Es nervt mich inzwischen“ sind verständlich. Ein Mann, der sein Leben der Unterhaltung anderer gewidmet hat, möchte am Ende seiner Karriere nicht als seniler Greis dargestellt werden, der den Faden verliert. Er möchte als der Gigant in Erinnerung bleiben, der er war. Mit seinem Rückzug gibt er sich und uns die Chance, genau dieses Bild zu bewahren.

Die Ära der großen Samstagabend-Unterhaltung stirbt einen langsamen Tod, und ihr letzter großer König dankt nun endgültig ab. Es bleibt zu hoffen, dass ihm sein Publikum diesen letzten Wunsch erfüllt: Ihn nicht an einem schlechten Abend beim Bambi zu messen, sondern an den tausenden Stunden Freude, die er uns über Jahrzehnte geschenkt hat. Mach’s gut, Thommy.

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