Es ist eine Geschichte, die klingt wie eine dieser alten, tragischen Balladen, die sie einst gemeinsam sangen. In den frühen 60er Jahren waren sie das Traumpaar der Gegenkultur, die “Königin” und der “König” des Folk: Joan Baez und Bob Dylan. Doch hinter den harmonischen Duetten und den ikonischen Schwarz-Weiß-Fotos verbirgt sich eine Realität, die weit weniger romantisch war. Es ist eine Erzählung von bedingungsloser Hingabe auf der einen und rücksichtslosem Ego auf der anderen Seite – eine Liebesgeschichte, die an der harten Realität von Ruhm und Macht zerbrach.

Der Engel und der Streuner
Als sich ihre Wege 1961 in New Yorks “Gerde’s Folk City” kreuzten, waren die Rollen klar verteilt. Joan Baez war bereits ein Superstar. Mit ihrer engelsgleichen Stimme, den langen dunklen Haaren und ihrem unerschütterlichen politischen Engagement zierte sie das Cover des Time Magazine. Sie war die Stimme einer Generation. Und Bob Dylan? Er war, wie Baez sich später erinnerte, ein “schmuddeliges, blassgesichtiges Wesen”, das aussah, als hätte es seit Tagen nicht geschlafen.
Doch als er den Mund aufmachte und “Song to Woody” sang, passierte etwas Magisches. Baez verliebte sich nicht sofort in den Mann – ihr damaliger Freund saß eifersüchtig daneben –, aber sie verliebte sich in seine Vision, in seine Worte, in das Versprechen, das in seiner Kunst lag. Sie erkannte das Genie in dem ungeschliffenen Jungen aus Minnesota, noch bevor die Welt es tat.
Die Fackelübergabe: Ein Opfer aus Liebe
Was folgte, war keine gewöhnliche Romanze, sondern eine fast mütterliche Förderung. Joan Baez nutzte ihre gigantische Plattform, um Dylan ins Rampenlicht zu zerren. “Dieser Junge zählt”, rief sie ihren Fans zu, die eigentlich nur ihre Hits hören wollten. Sie teilte ihre Bühne, ihr Publikum und ihren Ruhm mit ihm. Sie war der Star, der beiseite trat, damit er glänzen konnte.
Es war eine Zeit der “verrückten Liebe”, wie Baez es nannte. Sie sangen auf dem Marsch nach Washington, verliebten sich in Hotelzimmern und Tourbussen. Doch während Baez von einer gemeinsamen Zukunft als politisches und musikalisches Power-Couple träumte, hatte Dylan ganz andere Pläne. Er wollte nicht marschieren, er wollte schreiben. Er wollte keine Königin an seiner Seite, die ihm ebenbürtig war.

Der kalte Schulterblick des Ruhms
Der Wendepunkt kam grausam und schnell. Als Dylans Ruhm Mitte der 60er Jahre explodierte und er sich vom traditionellen Folk abwandte, wurde Baez plötzlich zur Last. Während seiner England-Tournee 1965 ließ er sie spüren, dass sich die Machtverhältnisse verschoben hatten. Er lud sie nicht auf die Bühne ein. Sie, die ihn einst groß gemacht hatte, stand nun tatenlos und gedemütigt im Hintergrund, während Kameras jeden seiner Schritte festhielten.
Der endgültige Dolchstoß folgte im November desselben Jahres. Bob Dylan heiratete Sara Lownds in einer geheimen Zeremonie. Joan Baez, die Frau, die glaubte, eine tiefe seelische Verbindung zu ihm zu haben, erfuhr davon nicht persönlich. Niemand rief sie an. Sie las es in der Zeitung, wie jeder andere Fan auch. Es war der ultimative Beweis dafür, dass er sie aus seiner Zukunft gestrichen hatte, ohne sich auch nur umzudrehen.
“Diamonds and Rust”: Die Abrechnung
Jahrelang schwieg Baez, schluckte den Schmerz und die öffentliche Demütigung hinunter. Doch 1975 brach es aus ihr heraus. Mit “Diamonds and Rust” schuf sie nicht nur einen Welthit, sondern ein Meisterwerk der lyrischen Vergeltung. Zeilen wie “Du platztest in die Szene, schon eine Legende” triefen vor Ironie und verletzter Liebe. Dylan selbst gab später zu, dass er Sara geheiratet hatte, weil sie “da war, als er sie brauchte” und tat, was er wollte – im Gegensatz zu Baez, die ihren eigenen Kopf hatte. Er wollte keine Partnerin auf Augenhöhe; er wollte jemanden, der ihm diente.

Ein bitterer Nachgeschmack und späte Versöhnung
Die wenigen Wiederbegegnungen in den folgenden Jahrzehnten waren oft schmerzhaft. Die berühmte “Rolling Thunder Revue” Tour 1975 begann vielversprechend, endete aber wieder im Chaos. Noch schlimmer war die gemeinsame Tour 1984. Dylan, nun ein distanzierter und ausgebrannter Weltstar, behandelte Baez wie eine Fremde, die nur dazu da war, Tickets zu verkaufen.
Eine Szene aus dieser Zeit beschreibt das ganze Elend ihrer Beziehung vielleicht am besten: Als Baez sich in seiner Garderobe verabschieden wollte, suchte sie ein klärendes Gespräch oder einen respektvollen Abschied. Stattdessen fuhr Dylan ihr unvermittelt mit der Hand unter den Rock. Eine Geste, die so respektlos und unpassend war, dass sie Baez’ Gefühl bestätigte: Für ihn war sie oft nur ein Objekt, eine Episode, aber kein Mensch mit Gefühlen.
Es dauerte Jahrzehnte, bis Joan Baez ihren Frieden finden konnte. Sie mied ihn, um sich selbst zu schützen – 2010 im Weißen Haus ging sie ihm bewusst aus dem Weg, weil sie seine Kälte nicht ertragen hätte. Doch in ihren späten Jahren fand sie einen Weg zur Vergebung. Sie malte ein Porträt des jungen Dylan, hörte seine Musik und weinte alle Tränen, die noch übrig waren. Sie schickte ihm das Bild ohne Nachricht. Es war ihr stiller Abschied, ihr Loslassen.
Heute bleibt die Geschichte von Joan Baez und Bob Dylan ein faszinierendes Lehrstück über Kunst und Menschlichkeit. Sie gab ihm alles, er nahm es und ging. Doch am Ende war es Baez, die mit Würde und Größe zurückblickte, dankbar für die Musik, die aus ihrem Schmerz entstand, und für die Zeit, in der zwei Legenden kurzzeitig eins waren.