Lorne Greene: Der dunkle Mantel des „Stimme des Todes“ und der Kampf um die Seele von „Bonanza“

Die weltweite Vorstellung von einem standhaften, gütigen und unerschütterlichen Vater des Wilden Westens trägt einen Namen: Ben Cartwright. 14 Jahre lang prägte der Schauspieler Lorne Greene diese Ikone der amerikanischen Fernsehlandschaft und machte die Ponderosa Ranch in der klassischen Westernserie „Bonanza“ zu einem Zuhause für Millionen. Doch hinter der majestätischen Fassade des Patriarchen verbarg sich ein Mann, dessen Leben von frühen Tragödien, tief verwurzelten moralischen Konflikten und dem dunklen Spitznamen „Die Stimme des Todes“ gezeichnet war. Die Geschichte von Lorne Greene ist keine von einfachem Hollywood-Ruhm, sondern ein packendes Epos über die unaufhörliche Suche eines Künstlers nach Integrität in einer Welt, die ihn ständig zu Kompromissen zwang.

Die Narben der Kindheit: Ein Überlebenskampf in der Kälte Ottawas

Lorne Greene, geboren als Lion Hayman Green, sah sich schon als Kind mit Herausforderungen konfrontiert, die die meisten Hollywood-Stars nur aus ihren Drehbüchern kannten. Mitten in einem der kältesten Winter Kanadas, in der beengten Wohnung einer Einwandererfamilie, begann sein Leben. Sein Vater, Daniel Green, war aus Russland vor den Pogromen geflohen und schlug sich als Schuster mühsam durch. Die Armut war eine ständige Begleiterin. Mit nur drei Jahren überlebte der kleine Lion die Spanische Grippe – ein wundersamer Triumph über den Tod, der ihm den Beinamen „Löwe“ in seinen Vornamen hineintrug.

Doch die tiefste seelische Wunde hinterließ ein Feuer, als ein Kurzschluss die gesamte Schumacherwerkstatt seines Vaters in Schutt und Asche legte. Die Familie verlor ihr gesamtes Vermögen, wurde aus ihrer Wohnung geworfen und musste im feuchten Keller einer jüdischen Wohltätigkeitsgesellschaft Schutz suchen. Diese Nacht prägte Greene so tief, dass die Angst vor Schulden und Verlust ihn nie wieder losließ. Später, als wohlhabender Hollywood-Star, behielt er eine fast schon obsessive Vorsicht bei, investierte sein Geld niemals leichtfertig und war immer auf das Schlimmste vorbereitet. Die Flammen und der Geruch von Asche wurden zu einem unvergesslichen Trauma, das seinen moralischen Kompass justierte: Ein Leben in Würde war nicht verhandelbar.

Seine erste Begegnung mit der Macht der Bühne war ebenso rebellisch wie prägend. Als 13-Jähriger wurde er für ein Schulstück gecastet – seine Rolle: ein Baum. Doch anstatt stumm zu verharren, nutzte er das Rampenlicht für eine improvisierte, donnernde Rede, in der er den korrupten Stadtrat von Ottawa verspottete. Der Skandal führte zu seiner Suspendierung, doch sein Theaterlehrer erkannte sein Talent. „In dieser Nacht hast du etwas getan, wozu nur sehr wenige den Mut haben: die Wahrheit ausgesprochen“. Er lehrte Greene zwei Dinge, die ihn sein Leben lang begleiteten: die Bühne kann Herzen bewegen, doch die Politik ist gefährlich für jene, die zu offen sprechen.

„Die Stimme des Todes“: Die moralische Bürde eines Nachrichtensprechers

Bevor die Welt sein Gesicht kannte, kannte sie seine Stimme. Seine tiefe, sonore Stimme war ein Geschenk, das Greene durch das Bauen eines eigenen Radiosenders im Kohlenkeller perfektionierte. Er trat der Canadian Broadcasting Corporation (CBC) bei und stieg schnell zum führenden nationalen Nachrichtensprecher auf. Er wurde als „Die Stimme Kanadas“ gefeiert, doch mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nahm sein Ruhm eine dunkle Wendung.

Jeden Abend musste Lorne Greene die Verlustmeldungen verlesen. Seine einst warme und vertrauensvolle Stimme wurde zum klangvollen Echo kollektiven Schmerzes. Mehr als 45.000 kanadische Soldaten fielen, und seine Stimme erhielt den makabren Beinamen „Die Stimme des Todes“. Dieser Druck lastete schwer auf seiner Seele; er erlitt langanhaltende Albträume, sah endlose Namenslisten, wann immer er die Augen schloss. Er verließ die CBC, weil er die Besessenheit, die Hoffnung oder Verzweiflung er brachte, nicht ertragen konnte.

Diese Erfahrung prägte sein soziales Gewissen für immer. Jahre später, als er in Hollywood Millionen verdiente, spendete er heimlich einen Großteil seiner Bonanza-Einnahmen – insgesamt über 400.000 US-Dollar, heute etwa 2,8 Millionen Dollar – an Kriegswaisen in Kanada. Diese stille Sühne, die erst durch eine Steuerprüfung in den 70er Jahren ans Licht kam, war seine Art, die Erinnerung an die Kinder, deren Schicksal er im Radio verkündet hatte, zu ehren.

Das Hollywood-Dilemma: Integrität über dem Ruhm

Greens Weg nach Hollywood war steinig. Obwohl er mit dem Traum ankam, seine Stimme für das Drama einzusetzen, wurde er zunächst ständig abgelehnt. Regisseure hielten seine Stimme für zu streng. Doch wo andere Kompromisse eingegangen wären, wählte Greene die kompromisslose Integrität. Als ihm eine Sprecherrolle für den Dokumentarfilm The Heart of Time über Atomtests angeboten wurde, lehnte er das Gehalt ab, weil die Regierung Aufnahmen von Tierfehlbildungen herausgeschnitten hatte. Er konnte nicht schweigen, als er die Gefahren sah.

Seine wohl kühnste Entscheidung traf er: Er lehnte einen mit 25.000 US-Dollar dotierten Fernsehvertrag ab, um an einem Radioprojekt namens The Garrick Power Story teilzunehmen, das nur 300 Dollar pro Episode zahlte. Die Sendung warnte die Öffentlichkeit vor den Gefahren radioaktiver Strahlung. Für Greene war es eine Gewissensentscheidung: Er wollte seine Stimme für etwas Nützliches einsetzen.

Diese prinzipientreue Haltung führte zu finanziellen Katastrophen. Als er versuchte, seine eigene Produktionsfirma zu gründen, verlor er 35.000 Dollar, weil er sich weigerte, NBC die exklusive Nutzung seiner Stimme für fünf Jahre zuzugestehen. Er musste sein erstes Haus in Burbank mit Verlust verkaufen. Diese Lektionen lehrten ihn: Er schwor, nie wieder Verträge mit unklaren Klauseln zu unterzeichnen und forderte später stets eine Gewinnbeteiligung sowie Mitsprache bei der inhaltlichen Gestaltung.

Der Ponderosa-Krieg: Der Konflikt um Ben Cartwrights Herz

Die Einladung zu „Bonanza“ kam und veränderte alles. Er übernahm die Rolle des Ben Cartwright und wurde über Nacht zur Fernsehlegende. Doch der Erfolg war nicht sofort garantiert. Schon nach 16 Episoden drohte Greene damit, die Serie zu verlassen, da ihm der Charakter des Ben Cartwright zu kalt, zu trocken und zu sehr „ein Mann mit einer Waffe“ erschien. Er konfrontierte die Drehbuchautoren unverblümt: „Wenn Sie ihm kein Herz geben können, werde ich gehen“. Die Produzenten hörten zu. Ab der 13. Episode wurde Ben als warmherziger, gütiger Vater neu geschrieben, der seine Söhne mit Vernunft und Mitgefühl erzog. Diese Änderung rettete nicht nur die Serie, sie prägte auch den gesamten humanistischen Western-Geist von „Bonanza“.

Doch hinter dem Rampenlicht begannen Risse, die die Familienidylle auf der Leinwand Lügen straften. Lorne Greene geriet in heftige, öffentliche Konflikte mit Pernell Roberts (Adam Cartwright). Roberts warf Greene vor, sich wie ein Boss aufzuführen und alles kontrollieren zu wollen, während Greene glaubte, den gemeinsamen Geist der Serie zu verteteidigen. Die Spannungen nahmen durch die ungleiche Bezahlung zu, bis Roberts nach 202 Episoden die Serie verließ.

Später folgten kreative Spannungen mit Michael Landon (Little Joe). Landon drängte auf romantischere Elemente, um ein jüngeres Publikum anzuziehen, während Greene befürchtete, dies würde den moralischen Kern der Serie verwässern. Für Greene war „Bonanza“ nie nur eine Unterhaltungssendung, sondern sein Vermächtnis, seine Chance, die Stimme für das Gute einzusetzen – eine Philosophie, die er durch die Forderung nach moralischen Lektionen in jeder Episode und durch das aktive Einbringen von Themen wie Tierschutz und Rassismus am Set durchsetzte. Er bestand darauf, dass indigene Rollen von indigenen Schauspielern gespielt wurden – ein seltener Akt sozialen Engagements im Fernsehen der 60er Jahre.

Das leise Ende und ein Vermächtnis der Hoffnung

Die tiefste Wunde in Lorne Greenes „Bonanza“-Jahren war jedoch der Tod. Nach dem unerwarteten Ableben von Dan Blocker (Hoss Cartwright), wusste Greene, dass die Serie am Ende war. Das Band der Cartwright-Brüder war zerrissen. Greene sagte Freunden leise, die Serie hätte schon sechs Staffeln früher enden sollen. Für ihn hatte „Bonanza“ seinen ursprünglichen Geist verloren.

Die tragische Ironie war das Ende selbst. Die Crew wurde an einem Montag über die Absetzung am folgenden Mittwoch informiert. Nach 431 Episoden endete „Bonanza“ stillschweigend, ohne letzte Umarmung, ohne Sonnenuntergangsszene, nur mit einer leeren Stille. Die letzte Chance auf Versöhnung zerbrach, als Greenes Vorschlag für Ben Cartwright, eine Scheidung durchzuleiden, um den Charakter menschlicher zu machen, von NBC abgelehnt wurde, da man das perfekte Familienbild nicht verlieren wollte.

Auch nach „Bonanza“ blieb Greene ein Mann des Prinzips. Sein überraschender #1-Hit „Ringo“ – eine Geschichte über Ehre und Erlösung – brachte ihm Tantiemen in Höhe von 500.000 US-Dollar ein, die er vollständig an Anti-Atomwaffen-Organisationen spendete. Er weigerte sich, angesichts der atomaren Bedrohung zu schweigen, da er einst die Todesmeldungen verlesen hatte und den Wert des Lebens zutiefst verstand.

Bis zu seinem Tod blieb Lorne Greene seiner Berufung treu. Er vollzog noch eine kühne Wende, indem er Commander Adama in „Battlestar Galactica“ spielte und seine Stimme schließlich für die Natur und den Umweltschutz einsetzte. Als Moderator der preisgekrönten Serie New Wilderness wurde die „Stimme des Todes“ zur Stimme der Hoffnung, die über die zerbrechliche Schönheit der Erde und den Glauben an die Menschheit sprach.

Der Mann, der in einem Kohlenkeller das Lesen lernte, der in Kriegszeiten die dunkelsten Nachrichten überbrachte und der die Seele eines der größten TV-Westerns rettete, hinterließ ein Vermächtnis, das weit über die Ponderosa Ranch hinausgeht. Es ist die Geschichte eines Mannes, der stets daran festhielt, dass die Bühne und das Mikrofon Werkzeuge für die Wahrheit sein sollten – auch wenn der Preis dafür hoch war.

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