Es ist das Ende einer Ära, ein Moment, der in die deutsche Fernsehgeschichte eingehen wird, und er kommt mit einem Paukenschlag, der noch lange nachhallen dürfte. Thomas Gottschalk, der unbestrittene Titan der Samstagabendunterhaltung, der Mann, der Generationen vor den Bildschirmen vereinte, hat genug. Mit 75 Jahren zieht der Showmaster die Reißleine und verkündet seinen endgültigen Rückzug aus dem Geschäft. Doch es ist nicht der sanfte Abschied in den Sonnenuntergang, den man vielleicht erwartet hätte. Es ist ein Abgang mit Ecken und Kanten, geprägt von jüngsten Kontroversen und einer spürbaren Erschöpfung gegenüber der unerbittlichen Kritik der Öffentlichkeit.
Der Auslöser für dieses plötzliche und resolute Machtwort scheint tief zu sitzen. Erst vor wenigen Tagen stand Gottschalk bei der glanzvollen Bambi-Verleihung auf der Bühne, um der Pop-Ikone Cher das „Goldene Reh“ zu überreichen. Was als triumphaler Moment geplant war, geriet ins Wanken. Gottschalk verlor auf offener Bühne den Faden, wirkte konfus. Später erklärte er, der Anblick eines Cher-Doubles habe ihn völlig aus dem Konzept gebracht, gefolgt von einem Blackout. Doch die Medienwelt und die sozialen Netzwerke kannten keine Gnade. Die Häme war laut, die Fragen bohrend. Und genau diese Nachwehen sind es, die dem Entertainer nun sichtlich zusetzen.
Bei einem Auftritt in Passau, wo er eigentlich eine Laudatio auf den Startenor Jonas Kaufmann halten sollte, ließ Gottschalk die Bombe platzen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) fand er deutliche Worte, die keinen Raum für Interpretationen lassen: „Ich bin 75 und verabschiede mich jetzt aus dem Geschäft.“ Ein Satz, so schlicht und doch so gewaltig. Er markiert das Ende einer Laufbahn, die das deutsche Fernsehen geprägt hat wie kaum eine andere.

Genervt von der „Bambi-Blamage“
In Passau wurde deutlich, wie sehr die Diskussionen um seinen Bambi-Auftritt an Gottschalk nagen. Auf die Frage nach dem verpatzten Moment reagierte er nicht mit der gewohnten Lässigkeit, sondern mit offener Frustration. „Es nervt mich inzwischen“, gestand er unumwunden. Die ständigen Nachfragen, das Wühlen in einem Moment der Schwäche – all das scheint dem Moderator die Freude am öffentlichen Parkett vergällt zu haben. Er stellte klar: „Ich habe keine Probleme mit Cher und Cher hat keine Probleme mit mir. Das ist das Wichtigste und um mich muss man sich keine Sorgen machen.“
Es ist ein fast trotziges Aufbäumen gegen eine Medienlandschaft, die jeden Fehltritt seziert. Gottschalk, der jahrzehntelang Souveränität in Person war, zeigt sich verletzlich und angriffslustig zugleich. Der Vorfall bei der Bambi-Gala, wo ihm Laudator Hannes Jaenicke auf der Bühne zuflüstern musste: „Es geht um Cher, Thomas“, als dieser in eine seiner berühmten Anekdoten abzugleiten drohte, scheint ein Weckruf gewesen zu sein. Oder vielleicht der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Ein letztes Hurra bei RTL
Doch ganz ohne einen letzten großen Knall geht ein Thomas Gottschalk nicht. Er bestätigte, dass noch eine einzige große Samstagabend-Show bei seinem Stammsender RTL auf dem Programm steht. Aber danach ist Schluss. „Das war’s dann“, so seine Worte. Keine Hintertürchen, keine „Vielleicht“-Optionen. Er verglich seine Situation pragmatisch mit der normalen Arbeitswelt: „Andere Menschen hören schon mit 67 auf.“ Dass er mit 75 Jahren diesen Schritt geht, ist für ihn nur folgerichtig. Angst vor Langeweile im Ruhestand hat er nicht – ein Luxusproblem für jemanden, dessen Leben so prall gefüllt war wie das seine.

Selbstironie und Kritik am Zeitgeist
Trotz der spürbaren Gereiztheit zeigte sich Gottschalk in Passau bei der Ehrung von Jonas Kaufmann, der den „Menschen in Europa“-Award der Passauer Neuen Presse erhielt, auch von seiner besten Seite: charmant, wortgewandt und fähig zur Selbstironie. Er verriet dem Publikum unter Gelächter, was seine Frau ihm vor dem Auftritt mit auf den Weg gegeben hatte: „Es geht hier nicht um dich, sondern um Jonas Kaufmann.“ Eine klare Anspielung auf die Kritik nach der Bambi-Gala, wo ihm vorgeworfen wurde, die Bühne zu sehr für sich selbst einzunehmen. „Ich neige dazu, wenn ich auf der Bühne stehe, diese für mich einzunehmen“, gab er offen zu. Es ist diese Mischung aus Eitelkeit und der Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, die Gottschalks Charme über Jahrzehnte ausgemacht hat.
In seiner Rede für den 56-jährigen Startenor blitzte dann auch wieder der scharfsinnige Beobachter des Zeitgeistes auf. Gottschalk zog Parallelen zwischen der klassischen Musik und der traditionellen Fernsehunterhaltung – beide seien bedrohte Arten in einer Welt, die von TikTok und Sekunden-Aufmerksamkeitsspannen regiert wird. „Langatmig gesungene Opernerzählungen und das schnelle TikTok-Video sind eben kein gutes Match“, resümierte er. Opern, so wie Richard Wagner sie verstand, seien ähnlich wie das lineare Fernsehen weitgehend aus den Köpfen der Menschen verschwunden. Es klang fast wie eine melancholische Abgesang auf seine eigene Welt, eine Welt der großen Gesten und der langen Samstagabende, die keinen Platz mehr im modernen, hektischen Medienkonsum zu haben scheint.
Ein Abschied mit Würde
Thomas Gottschalks Ankündigung ist mehr als nur eine Personalie. Sie ist ein Symbol für den Wandel der Zeit. Wenn der „Wetten, dass..?“-König abtritt, geht ein Stück deutscher Kulturgeschichte. Dass dieser Abschied nun von einer Kontroverse überschattet wird, mag tragisch erscheinen, aber vielleicht passt es auch zu einem Mann, der immer live, immer ungeskriptet und immer er selbst war – mit allen Höhen und Tiefen.
Die Fans werden die letzte Show bei RTL mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgen. Es wird die letzte Gelegenheit sein, den großen Meister bei der Arbeit zu sehen, bevor er sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet – fernab von „Bambi-Blamagen“ und nervigen Reporterfragen. Thomas Gottschalk geht. Und diesmal scheint er es ernst zu meinen.