Es war einer dieser Momente im deutschen Fernsehen, in denen die Zeit für einen Augenblick stillzustehen schien. Das Studiolicht im „Kölner Treff“ war gedimmt, die Atmosphäre intim, doch die Worte, die Uschi Glas (81) wählte, schlugen ein wie ein Blitz. Deutschlands ewiger Liebling, die Frau, die Generationen mit ihrem Lächeln verzauberte, offenbarte einen tiefen Riss in ihrer Familiengeschichte. Ein Riss, der bis in die dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte zurückreicht.
Es sollte eigentlich ein Abend der Inspiration werden. Uschi Glas war zu Gast bei Moderatorin Susan Link, um über ihr neues Buch „Du bist unwiderstehlich“ zu sprechen. Ein Werk über Werte, Mut und Menschlichkeit, das sie gemeinsam mit keiner Geringeren als der Holocaust-Überlebenden und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch (91), verfasst hat. Doch das Gespräch nahm eine Wendung, die nicht nur das Publikum im Studio, sondern auch Millionen Zuschauer an den Bildschirmen tief berührte. Uschi Glas sprach über ihren Vater – und dessen Mitgliedschaft in der Waffen-SS.

Die schmerzhafte Suche nach der Wahrheit
„Es hat mir einen Mordsknödel reingehauen“, gestand die 81-Jährige mit brüchiger Stimme, als sie auf die Ergebnisse ihrer privaten Nachforschungen zu sprechen kam. Diese bayerische Umschreibung für einen dicken Kloß im Hals konnte kaum verbergen, wie tief der Schmerz noch immer sitzt. Jahrelang hatte Ungewissheit in ihr genagt. Wer war ihr Vater wirklich? Was hatte er in jenen Jahren getan, über die in den Nachkriegswohnzimmern so eisern geschwiegen wurde?
Um endlich Klarheit zu schaffen, hatte Glas einen professionellen Ahnenforscher beauftragt. Sie wollte Fakten, keine Familienlegenden. Doch die Realität, die der Experte ans Licht förderte, war brutaler, als sie es sich in ihren schlimmsten Befürchtungen ausgemalt hatte. Die Akten sprachen eine eindeutige Sprache: Ihr Vater war bereits als 18-Jähriger in die NSDAP eingetreten. Doch damit nicht genug. Ab 1944 diente er aktiv bei der Waffen-SS, jener paramilitärischen Organisation, die als eine der Hauptverantwortlichen für die Gräueltaten des NS-Regimes gilt. Er war dort als Funker tätig.
Der Zwiespalt einer Tochter
Für Uschi Glas, die sich seit Jahrzehnten sozial engagiert, die gegen Rassismus kämpft und sich für benachteiligte Kinder einsetzt, war diese Enthüllung ein Schock. Wie bringt man das Bild des liebevollen Vaters mit dem eines Mannes in Einklang, der Teil einer verbrecherischen Organisation war? Es ist das Trauma einer ganzen Generation, das hier exemplarisch am Schicksal einer der bekanntesten Frauen Deutschlands sichtbar wird.
„Ich möchte meinen Vater in keiner Weise verurteilen“, betonte Glas im Interview mit Nachdruck. „Er war ein guter Vater für uns alle.“ In diesen Sätzen liegt die ganze Tragik der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Liebe zum Vater steht im krassen Widerspruch zur historischen Schuld der Person. Glas versucht nicht, die Taten zu entschuldigen, aber sie weigert sich, den Menschen, den sie liebte, komplett zu verdammen. Es ist ein Balanceakt, den sie öffentlich vollzieht – mutig und angreifbar zugleich.
Ein Fremder kehrt heim
Um diesen inneren Konflikt zu verstehen, muss man in die Kindheit der Schauspielerin blicken. Uschi Glas wuchs in einer Zeit auf, die von Schweigen und Verdrängung geprägt war. Als ihr Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, war Uschi gerade einmal drei Jahre alt. Für das kleine Mädchen war dieser Mann kein vertrauter Papa, sondern ein Eindringling. „Plötzlich kam ein fremder Mann daher“, erinnerte sie sich im Gespräch mit Susan Link.
Die emotionale Distanz wurde durch das Schweigen noch verstärkt. Wie so viele Männer seiner Generation mauerte auch ihr Vater, wenn es um die Erlebnisse an der Front ging. Der Versuch der Tochter, Antworten zu bekommen, prallte an einer unsichtbaren Wand ab. „Das verstehst du einfach nicht“, war der Standardsatz, mit dem er ihre neugierigen Kinderfragen abwürgte. Eine Zurückweisung, die das Kind mit dem Gefühl zurückließ, dass dort etwas Unaussprechliches lauerte.

Das Schweigen brechen
Dass Uschi Glas dieses Schweigen nun, mit 81 Jahren, bricht, ist von enormer Symbolkraft. Sie tut dies nicht allein, sondern an der Seite von Charlotte Knobloch. Dass die Tochter eines Waffen-SS-Mannes und eine Überlebende des Holocausts gemeinsam ein Buch über Menschlichkeit schreiben, ist vielleicht die stärkste Botschaft, die man in der heutigen, oft so gespaltenen Zeit senden kann.
Es ist ein Akt der Versöhnung, aber auch der Mahnung. Uschi Glas nutzt ihre Prominenz und ihre eigene schmerzhafte Familiengeschichte, um Brücken zu bauen. Sie zeigt, dass man die Vergangenheit nicht ändern, aber aus ihr lernen kann. Die Zusammenarbeit mit Knobloch ist dabei mehr als nur ein Buchprojekt; sie ist ein gelebtes Zeichen gegen das Vergessen und für ein Miteinander.
Bodenhaftung durch Geschichte
Interessanterweise zieht Glas aus dieser schwierigen Familiengeschichte auch eine positive Lehre für ihr eigenes Leben. Das Aufwachsen in diesem „nicht einfachen Haus“, das Ringen um Antworten und die Konfrontation mit den Schattenseiten, habe sie gelehrt, Dinge immer aus zwei Perspektiven zu betrachten. Diese Fähigkeit zur Differenzierung, so glaubt sie, habe sie trotz ihres kometenhaften Aufstiegs in jungen Jahren davor bewahrt, abzuheben.
„Gerade das hat mich auf dem Boden gehalten“, resümierte sie. Der Ruhm, der Glanz der Filmwelt, die roten Teppiche – all das war die eine Seite. Aber zu Hause wartete die Realität, wartete die unbewältigte Geschichte, die sie zwang, demütig und wachsam zu bleiben.
Ein Vermächtnis der Ehrlichkeit
Der Auftritt im „Kölner Treff“ wird in Erinnerung bleiben. Nicht wegen eines neuen Films oder eines Skandals, sondern wegen der radikalen Ehrlichkeit einer Frau, die nichts mehr beweisen muss. Uschi Glas hat sich verletzlich gezeigt. Sie hat dem Denkmal „Vater“ Risse zugefügt, um der Wahrheit Raum zu geben.
Ihr Buch „Du bist unwiderstehlich“ bekommt durch diese Hintergrundgeschichte eine noch tiefere Bedeutung. Es ist nicht nur ein Ratgeber, es ist ein Dokument der Auseinandersetzung. Wenn Uschi Glas heute über Werte spricht, dann sind das keine hohlen Phrasen. Sie weiß, wohin es führen kann, wenn Werte verloren gehen – sie hat es in den Akten ihres eigenen Vaters schwarz auf weiß gelesen.
In einer Zeit, in der Zeitzeugen immer seltener werden, übernimmt die nächste Generation die Verantwortung der Erinnerung. Uschi Glas hat diese Verantwortung angenommen, so schmerzhaft sie auch sein mag. Ihr „Mordsknödel“ im Hals ist ein Gefühl, das viele Deutsche nachempfinden können. Doch indem sie darüber spricht, löst sie den Knoten – für sich und vielleicht auch für viele andere. Es bleibt die Erkenntnis: Wahre Größe zeigt sich nicht im Verstecken von Fehlern, sondern im offenen Umgang mit der eigenen Geschichte. Uschi Glas ist an diesem Abend im „Kölner Treff“ ein ganzes Stück größer geworden.