Es ist eine Nachricht, die Deutschland in den letzten Tagen nicht nur bewegt, sondern auch zum Nachdenken gezwungen hat: Der Tod von Alice und Ellen Kessler. Die legendären Zwillinge, die jahrzehntelang als Synonym für Eleganz, Synchronität und Showbusiness-Glamour galten, haben die Bühne des Lebens verlassen – und zwar genau so, wie sie es sich immer gewünscht hatten: gemeinsam, selbstbestimmt und bis ins letzte Detail geplant. Am 17. November 2025 schlossen die 89-jährigen Ikonen in ihrem Haus in Grünwald bei München für immer die Augen. Es war kein tragischer Unfall, kein langes, einsames Leiden im Krankenhaus, sondern ein assistierter Suizid, ein Freitod, der eine Welle der Diskussion über Würde, Autonomie und das Sterben ausgelöst hat.
Mitten in dieser emotionalen Debatte meldet sich nun eine Frau zu Wort, die wir sonst vor allem für ihre ansteckende Fröhlichkeit im ZDF-Fernsehgarten kennen: Andrea Kiewel. Doch das Lachen ist einer tiefen Nachdenklichkeit gewichen. In ihrer aktuellen Kolumne für die „Super Illu“ gewährt die 60-jährige Moderatorin einen seltenen, verletzlichen Einblick in ihr Seelenleben – und zieht eine schmerzhaft ehrliche Parallele zu ihrer eigenen Familiensituation. Denn was für die Kessler-Zwillinge ein Akt der Freiheit war, wird für Kiewel zum Spiegel ihrer eigenen Ängste als Tochter einer hochbetagten Mutter.
Ein Abschied nach Drehbuch: Der letzte Vorhang der Kesslers
Um die Tragweite von Andrea Kiewels Reaktion zu verstehen, muss man sich die Umstände des Todes von Alice und Ellen Kessler vor Augen führen. Die beiden waren zeitlebens unzertrennlich. Sie teilten sich das Rampenlicht, den Applaus und am Ende auch den Tod. Berichten zufolge hatten sie alles vorbereitet. Es gab keine losen Enden. Sogar Zeitungsabonnements wurden gekündigt, Päckchen mit Erinnerungsstücken an Freunde verschickt. Es war ein Abschied mit der gleichen Disziplin, die ihre Weltkarriere geprägt hatte.
Für viele Fans war dies ein Schock. Der Gedanke, dass zwei körperlich zwar gezeichnete, aber geistig klare Menschen den Zeitpunkt ihres Todes selbst wählen, widerstrebt oft unserem Instinkt, das Leben um jeden Preis zu bewahren. Doch Andrea Kiewel findet für diesen radikalen Schritt überraschend klare Worte. Sie nennt den Freitod der Zwillinge zwar „schockierend“, aber im gleichen Atemzug auch „akzeptabel“.
„Es war das gute Recht von Alice und Ellen Kessler, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden“, schreibt sie. Dieser Satz wiegt schwer. Er erkennt an, dass Autonomie nicht mit dem Verlust der Jugend endet. Kiewel respektiert, dass die Zwillinge, die ihr Leben lang die Kontrolle über ihre Körper und ihre Karriere hatten, diese Kontrolle auch am Ende nicht abgeben wollten. „Nur weil jemand alt wäre, bedeutet das nicht, dass er keinen freien Willen mehr hätte“, betont die Moderatorin. Ein starkes Plädoyer für die Selbstbestimmung im Alter, das vielen aus der Seele spricht, die das langsame Verlöschen von Angehörigen miterleben mussten.
Der private Schmerz: „Was qualifiziert mich als Tochter?“
Doch Andrea Kiewel wäre nicht die empathische Persönlichkeit, die ihre Fans lieben, wenn sie es bei einer distanzierten Analyse belassen würde. Der Tod der Kesslers rührt an einem Nerv, der bei ihr gerade blank liegt. Ihre eigene Mutter ist 94 Jahre alt. Zwar lebt die Seniorin noch in ihrer eigenen Wohnung und ist geistig präsent, doch das Alter fordert seinen Tribut. Kiewel, die sich rührend um ihre Mutter kümmert und sie pflegt, spürt die Last der Verantwortung, die auf den Schultern der “Kinder” lastet.
In ihrer Kolumne stellt sie die quälende Frage: „Wie viel Leben und Sterben liegt eigentlich in unserer Macht?“ Die Antwort ist ernüchternd: „Nicht allzu viel.“ Wir versuchen zu stützen, zu halten, zu pflegen – und doch bleibt oft das Gefühl, dass es nie genug ist.
Besonders bewegend wird es, wenn Kiewel ihre eigene Hilflosigkeit thematisiert. Während die Kessler-Zwillinge ihre Entscheidung selbst trafen, fürchten sich viele Angehörige vor dem Moment, in dem sie für ihre Eltern entscheiden müssen. „Ich grusele mich ein bisschen davor“, gesteht Kiwi offen. „Weil, was qualifiziert mich als Tochter, über das Leben meiner Mutter zu bestimmen?“
Diese Frage trifft ins Mark. Sie artikuliert das Dilemma einer ganzen Generation, der sogenannten “Sandwich-Generation”, die zwischen der Sorge um die eigenen Kinder und der Pflege der alternden Eltern steht. Darf man entscheiden, wann es “genug” ist? Darf man hoffen, dass die geliebte Mutter friedlich einschläft, wenn das Leben nur noch aus Schmerz besteht? „Müssen wir den ganzen Weg bis zum bitteren Ende gehen oder dürfen wir friedlich einschlafen, wenn wir uns nichts anderes mehr als das wünschen?“, fragt Kiewel. Es sind Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt, und Kiewels Mut, sie öffentlich zu stellen, bricht ein Tabu.

Die Würde des Alters und die gesellschaftliche Debatte
Der Fall der Kessler-Zwillinge und die Reaktion von Andrea Kiewel fallen in eine Zeit, in der Deutschland intensiv über Sterbehilfe diskutiert. Seit das Bundesverfassungsgericht 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe kippte und das Recht auf selbstbestimmtes Sterben stärkte, ist vieles im Fluss. Doch Gesetze sind das eine – die emotionale Realität in den Familien ist das andere.
Kiewels Mutter ist, wie die Moderatorin in früheren Interviews betonte, eine stolze Frau, ein „Role Model“. Sie war immer berufstätig, politisch interessiert, würdevoll. Zu sehen, wie diese Stärke durch das Alter bröckelt, ist für eine Tochter schwer zu ertragen. Die Sorge, dass diese Würde am Ende verloren gehen könnte, treibt Kiewel um. Der Wunsch nach einer „guten Lösung für die Familie, aber eben auch für diesen älteren Menschen“, den sie im RTL-Interview äußert, ist ein frommer Wunsch, der in der harten Realität der Pflege oft schwer zu erfüllen ist.
Die Kessler-Zwillinge haben ihre “gute Lösung” gefunden. Sie sind gemeinsam gegangen, Hand in Hand, bevor sie die Kontrolle verloren. Für Außenstehende mag das befremdlich wirken, vielleicht sogar egoistisch oder voreilig. Doch für Andrea Kiewel ist es ein legitimer Weg, der Respekt verdient.

Ein Blick nach vorn: Das Vermächtnis der Diskussion
Was bleibt, ist nicht nur die Trauer um zwei große Entertainerinnen, sondern auch eine wichtige Diskussion, die Andrea Kiewel mit ihrer Offenheit befeuert. Sie zeigt uns, dass auch Prominente, deren Leben oft so perfekt scheint, mit den gleichen existenziellen Ängsten kämpfen wie jeder von uns. Die 10 Kilo, die Kiewel kürzlich abgenommen hat, oder ihre Verlobung – all das rückt in den Hintergrund, wenn es um Leben und Tod geht.
Am Ende ist ihr Text in der „Super Illu“ mehr als nur ein Promi-Kommentar. Es ist ein Aufruf zu mehr Empathie und Verständnis – sowohl für diejenigen, die gehen wollen, als auch für diejenigen, die bleiben und die Last der Verantwortung tragen. Andrea Kiewel wünscht sich, dass wir nicht urteilen, sondern zuhören. Dass wir akzeptieren, dass der freie Wille auch im hohen Alter gilt. Und vielleicht auch, dass wir uns selbst die Frage stellen: Wie wollen wir einmal gehen?
Die Kessler-Zwillinge haben ihre Antwort gegeben. Andrea Kiewel sucht noch nach dem richtigen Weg für sich und ihre Mutter. Und wir alle sind eingeladen, über unsere eigenen Antworten nachzudenken, bevor es zu spät ist.