Es ist ein Moment, der in die deutsche Fernsehgeschichte eingehen wird – doch er fand nicht in einem glitzernden TV-Studio statt, sondern auf einer Bühne in Passau. Thomas Gottschalk, die unbestrittene Ikone der deutschen Samstagabendunterhaltung, hat mit 75 Jahren seinen endgültigen Abschied aus dem Showgeschäft verkündet. Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe und hinterlässt eine Mischung aus Schock, Wehmut und Verständnis bei Millionen von Fans. Doch hinter der Entscheidung steckt mehr als nur das Alter – es ist die Konsequenz aus turbulenten Wochen, hitzigen Debatten und einer Medienlandschaft, die sich schneller wandelt, als es dem Altmeister lieb ist.

Der Paukenschlag in Passau
Bei der Verleihung des „Menschen in Europa“-Preises der Verlagsgruppe Passau sollte Thomas Gottschalk eigentlich nur eine Laudatio auf den Startenor Jonas Kaufmann halten. Doch was er dann sagte, ließ den Saal verstummen. „Ich bin 75 und verabschiede mich jetzt aus dem Geschäft“, erklärte Gottschalk mit fester Stimme gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Es war kein Scherz, keine seiner berühmten spontanen Floskeln. Es war bitterer Ernst.
Nach Jahrzehnten im Rampenlicht, in denen er mit „Wetten, dass..?“ Generationen vor dem Fernseher vereinte, zieht er nun die Reißleine. Eine einzige letzte große Show wird es noch geben – eine Abschiedsgala bei RTL am 6. Dezember. „Und das war’s dann“, bekräftigte der Entertainer.
Das Bambi-Desaster: Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte?
Die Ankündigung kommt nicht aus heiterem Himmel. Nur wenige Tage zuvor stand Gottschalk im Zentrum eines medialen Sturms, der ihm sichtlich zusetzte. Bei der Bambi-Verleihung in München sollte er der Pop-Legende Cher den Preis in der Kategorie „Legende“ überreichen. Was als glamouröser Moment geplant war, geriet zum Spießrutenlauf. Gottschalk wirkte auf der Bühne fahrig, verhaspelte sich und verlor den Faden. Ein Satz sorgte für besondere Empörung und sogar Buhrufe im Saal: Er bezeichnete Cher als die „einzige Frau, die er in seinem Leben ernst genommen habe“.
Die sozialen Medien explodierten förmlich. War der große Gottschalk nicht mehr auf der Höhe? Ist die Zeit an ihm vorbeigegangen? Gottschalk selbst erklärte den Vorfall später mit einem „Blackout“, ausgelöst durch ein Cher-Double, das ihn kurz vor dem Auftritt verwirrt habe. Doch die Diskussionen rissen nicht ab. In Passau zeigte er sich nun dünnhäutig und genervt von den anhaltenden Nachfragen.
„Die Debatte geht mir schlicht auf die Nerven“, gestand er offen. Er stellte klar, dass es zwischen ihm und Cher absolut keine Spannungen gebe – das sei das Wichtigste. Auch Sorgen um seinen Gesundheitszustand wischte er resolut beiseite: „Um mich muss man sich keine Sorgen machen.“ Dennoch scheint der Vorfall ihm gezeigt zu haben, dass seine Art der Moderation in der heutigen, hyperkritischen Öffentlichkeit immer weniger Platz findet.

Ein Titan in einer neuen Welt
In seiner Rede in Passau ließ Gottschalk tief blicken. Er sprach nicht nur über seinen Abschied, sondern auch über den fundamentalen Wandel der Unterhaltungsbranche. Mit einer Mischung aus Resignation und Realismus analysierte er die heutige Medienwelt: „Die klassische Unterhaltung, einst meine Bühne, gerät zunehmend unter Druck.“
Er zog einen treffenden Vergleich zwischen der Welt der Oper und dem linearen Fernsehen einerseits und der schnellen, digitalen Welt andererseits. „Langatmig gesungene Opernerzählungen und das schnelle TikTok-Video sind eben kein gutes Match“, resümierte er. Gottschalk, der Mann der großen Gesten und der langen Samstagabende, fühlt sich in der Ära der 15-Sekunden-Clips und der sofortigen Online-Empörung offensichtlich zunehmend fremd.
Dennoch zeigte er sich an diesem Abend in Passau von seiner besten Seite. In seiner Laudatio auf Jonas Kaufmann brillierte er noch einmal mit dem ihm eigenen Wortwitz und Charme. Er adelte den Tenor als den „George Clooney der Oper“ – ein Künstler, der es schaffe, sowohl die strengen Experten als auch das breite Massenpublikum zu begeistern. Ein Talent, das auch Gottschalk einst wie kein Zweiter beherrschte. „Ich glaube, dass Menschen wie Du das ändern können“, rief er Kaufmann zu und übergab damit symbolisch den Staffelstab der großen Unterhaltung an eine jüngere Generation weiter.
Das große Finale: Ein letztes Mal Gummibärchen und Glanz
Fans müssen nun stark sein, aber sie bekommen noch eine letzte Gelegenheit, ihrem Idol zuzujubeln. Am 6. Dezember wird Thomas Gottschalk ein letztes Mal die große Showtreppe herunterkommen. Bei RTL wird er in einer Sonderausgabe von „Denn sie wissen nicht, was passiert“ verabschiedet. Es wird erwartet, dass Weggefährten wie Günther Jauch und Barbara Schöneberger ihm einen würdigen Abgang bereiten werden.
Es wird ein Abend werden, der sicher von großen Emotionen geprägt sein wird. Ein Abend zwischen Wehmut und Dankbarkeit. Denn egal, wie man zu seinen letzten Auftritten stehen mag: Thomas Gottschalk hat das deutsche Fernsehen geprägt wie kaum ein anderer. Seine bunten Anzüge, seine frechen Sprüche und seine Fähigkeit, Weltstars wie Nachbarn wirken zu lassen, bleiben unerreicht.

Ein Vermächtnis, das bleibt
„Ich bin 75.“ Dieser Satz in Passau war mehr als eine Altersangabe. Es war die Erkenntnis, dass alles seine Zeit hat. Andere, so merkte Gottschalk an, würden schon mit 67 in Rente gehen. Er hat uns fast ein Jahrzehnt länger unterhalten.
Wenn am 6. Dezember das letzte Mal das Rotlicht ausgeht, endet eine Ära. Der „Titan“ verlässt die Arena. Er geht vielleicht mit einer kleinen Delle im Lack durch den Bambi-Abend, aber mit einem gigantischen Denkmal im Herzen seiner Zuschauer. Und eines ist sicher: Langweilig wird Thomas Gottschalk auch im Ruhestand nicht werden – dafür sorgt schon sein unruhiger Geist, der auch ohne TV-Kameras weiterleben wird.
Danke, Thomas, für die Wetten, die Lacher und die großen Momente. Mach’s gut!