Wegen 200 Metern und wenigen Sekunden: Schlagerstar Leonard tappt in die österreichische „Besitzstörungs-Falle“ und muss vor Gericht

Kurz vor Weihnachten sollte eigentlich Ruhe einkehren, doch für den Schweizer Schlagerstar Leonard (61) kommt es in diesem Jahr knüppeldick. Statt besinnlicher Adventsstimmung und Vorfreude auf das Fest, flatterte dem beliebten Sänger („Voulez-vous danser“) eine Gerichtsvorladung ins Haus. Der Vorwurf klingt so banal wie unglaublich: Ein simples Wendemanöver auf einem österreichischen Bauernhof. Was nach einem schlechten Scherz klingt, ist bitterer Ernst und beleuchtet eine juristische Praxis im Nachbarland, die Kritiker längst als „reine Abzocke“ bezeichnen.

Es ist eine Geschichte, die jeden Autofahrer treffen kann, der sich im grenznahen Verkehr einmal verfährt. Leonard, mit bürgerlichem Namen Carlo Schenker, war auf dem Weg von seinem Zuhause im Kanton Luzern zu einem Konzertauftritt in Deutschland. Eine Routinefahrt für den erfahrenen Musiker, der seit Jahrzehnten auf den Bühnen Europas zu Hause ist. Doch südlich des Bodensees, im österreichischen Dornbirn, passierte das Missgeschick: Leonard verpasste die Autobahnauffahrt.

Das verhängnisvolle Manöver

Um wieder auf den richtigen Weg zu gelangen, tat Leonard das, was wohl die meisten in dieser Situation tun würden. Er nutzte die erstbeste Gelegenheit zum Umkehren. „Nach zirka 200 Metern nutzte ich bei einem Bauernhof die erste Möglichkeit zu wenden“, berichtet der Sänger gegenüber der „GlücksPost“. Ein Vorgang von wenigen Sekunden. Kein Parken, kein Aussteigen, keine Behinderung des Betriebs. Leonard setzte seine Fahrt fort, erreichte sein Konzert und verschwendete keinen Gedanken mehr an den kurzen Stopp auf dem Kiesplatz.

Doch die österreichische Bürokratie vergisst nicht – und sie hat Augen, wo man sie nicht vermutet. Drei Monate nach dem Vorfall erhielt der Sänger plötzlich Post aus Österreich. Ein Rechtsanwalt, spezialisiert auf sogenannte Besitzstörungsklagen, meldete sich zu Wort. Der Vorwurf: Leonard habe trotz Kennzeichnung unbefugt Privatgrund befahren. Die Forderung hatte es in sich: Rund 350 Euro sollte er zahlen, zuzüglich einer Unterlassungserklärung.

„Ich dachte an eine Betrugsmasche“

Für den rechtschaffenen Schweizer, der nach eigenen Angaben noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, war das Schreiben ein Schock. „Ich zahle doch nicht einfach irgendjemandem 350 Euro!“, empörte sich Leonard. Zunächst vermutete er einen der vielen betrügerischen Versuche, die oft per Post kursieren. Eine Online-Recherche über den betreffenden Anwalt bestärkte ihn zunächst in seinem Verdacht: Das Internet war voll von negativen Bewertungen und Berichten anderer Betroffener, die sich abgezockt fühlten.

Leonard versuchte, die Sache wie ein Gentleman zu klären. Mehrfach habe er versucht, den Anwalt telefonisch zu erreichen, um den Sachverhalt zu schildern und eine gütliche Einigung zu finden – vergeblich. Selbst seine Rechtsschutzversicherung biss auf Granit und erhielt keine Antwort auf ihre Schreiben.

Die österreichische Spezialität: Besitzstörung

Was viele Schweizer und deutsche Autofahrer nicht wissen: In Österreich existiert der Tatbestand der „Besitzstörung“, den es in dieser Form in der Schweiz oder Deutschland nicht gibt. Das Gesetz schützt den Besitzer eines Grundstücks vor jeder Beeinträchtigung – und dazu zählt nach strenger Auslegung bereits das bloße Befahren oder Wenden, selbst wenn kein Schaden entsteht.

In den letzten Jahren hat sich um dieses Gesetz eine wahre Industrie entwickelt. Grundstücksbesitzer installieren Kameras, die automatisch Kennzeichen erfassen, und leiten die Daten an spezialisierte Kanzleien weiter. Diese verschicken dann massenhaft Zahlungsaufforderungen. Kritiker, darunter auch der österreichische Automobilclub ÖAMTC, sprechen offen von „Parkplatz-Fallen“ und einem Geschäftsmodell, das darauf ausgelegt ist, Unwissende zur Kasse zu bitten. Sogar die Politik hat das Problem erkannt: Die SPÖ fordert aktuell ein Ende dieses „Missbrauchs“, doch die Mühlen der Gesetzgebung mahlen langsam.

Das böse Erwachen vor dem Fest

Für Leonard schien die Sache eigentlich erledigt. Ein Jahr lang hörte er nichts mehr. „Just an dem Tag, an dem ich dachte, dass die Geschichte gegessen ist und ich den Brief aus Österreich wegwerfen wollte, erhielt ich wieder Post“, erzählt er resigniert.

Diesmal kam der Brief nicht von einem Anwalt, sondern direkt vom Bezirksgericht Dornbirn. Der Grundstücksbesitzer hat Ernst gemacht und Klage eingereicht. Nun muss sich der Schlagerstar, der eigentlich für gute Laune und romantische Melodien steht, mit juristischen Spitzfindigkeiten auseinandersetzen.

Die emotionale Belastung für den 61-Jährigen ist deutlich spürbar. „Ich hatte noch nie mit dem Gesetz zu tun und die Sache ärgert mich enorm. Ich habe nichts Böses getan und bin dem nun machtlos ausgeliefert“, klagt er. Es geht längst nicht mehr nur um das Geld, sondern um das Prinzip und das Gefühl der Ungerechtigkeit. Wegen einer Lappalie, einem Wendemanöver, das niemanden wirklich gestört hat, wird ein unbescholtener Bürger kriminalisiert.

Eine Warnung an alle

Leonards Fall ist mehr als nur eine Promi-Anekdote. Er ist eine deutliche Warnung an alle, die mit dem Auto in Österreich unterwegs sind. Das Schild „Privatgrundstück“ oder „Hier gilt die StVO nicht“ sollte man im Nachbarland penibel ernst nehmen. Selbst das kurze Einfahren in eine Hofeinfahrt zum Wenden kann hunderte Euro kosten und nervenaufreibende Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen.

Wie das Verfahren in Dornbirn ausgehen wird, ist noch offen. Doch eines ist sicher: Leonard wird seinen nächsten Besuch in Österreich wohl mit gemischten Gefühlen antreten – und Autobahnausfahrten in Zukunft sicher doppelt genau prüfen. Bis dahin bleibt ihm nur die Hoffnung, dass das Gericht Augenmaß beweist und erkennt, dass hier kein Verkehrsrowdy am Werk war, sondern nur ein Mann, der einfach nur wenden wollte.

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