Das leere Schlachtfeld: Oberst Reisner enthüllt die brutale Wahrheit des Drohnenkriegs und Europas fatale Fehleinschätzung

Es gibt Momente, in denen die komfortablen Illusionen der Politik auf die harte, kalte Realität der Kriegsführung treffen. Einer dieser Momente ereignete sich kürzlich bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), als Oberst Markus Reisner das Wort ergriff. Reisner, ein österreichischer Militärstratege, bekannt für seine ungeschminkten und präzisen Analysen, zeichnete ein Bild des Ukraine-Krieges, das in den westlichen Hauptstädten für tiefes Unbehagen sorgen muss. Es ist ein Bild, das nichts mit heldenhaften Vorstößen oder schnellen Siegen zu tun hat. Es ist das Bild eines brutalen “Abnutzungskrieges”, einer technologischen Hölle und einer fundamentalen Fehleinschätzung des Westens.

Wer Reisner zuhört, verlässt den Raum nicht mit einfacher Hoffnung, sondern mit drängender Sorge. Seine zentrale These ist einfach und erschütternd: Während der Westen über Eskalation debattiert, hat Russland Fakten geschaffen. Es hat seine Wirtschaft auf einen langen Krieg umgestellt und hält die strategische Initiative in der Hand. Die Ukraine hingegen kämpft nicht nur gegen einen übermächtigen Feind, sondern auch gegen einen existenziellen Mangel: “Granatenhunger”.

A YouTube thumbnail with maxres quality

Die Hölle des “Granatenhungers”

Der Begriff “Abnutzungskrieg” (im Deutschen “Abnutzungskrieg”) ist das zentrale Wort in Reisners Analyse. Es beschreibt einen Konflikt, der nicht durch brillante Manöver, sondern durch schiere Masse und die Fähigkeit, Verluste zu ertragen und zu ersetzen, gewonnen wird. Und in diesem Punkt, so Reisner, ist die Asymmetrie furchteinflößend.

An der Front, so berichtet der Oberst, herrscht ein Artillerieverhältnis von zehn zu eins – zugunsten Russlands. Auf zehn russische Granaten, die auf ukrainische Stellungen niederprasseln, können die Verteidiger nur eine einzige abfeuern. Dieser “Granatenhunger” ist die tödlichste Realität für die ukrainischen Soldaten. Er bedeutet, dass feindliche Vorstöße nicht effektiv bekämpft, dass russische Artilleriestellungen nicht zerstört und dass die eigenen Truppen nicht ausreichend geschützt werden können.

Während die Ukraine verzweifelt auf lebenswichtige Lieferungen aus dem Westen wartet – Lieferungen, die oft “Stückwerk” bleiben und “zu wenig, zu spät” kommen – hat der Kreml gehandelt. Russland, so Reisner, hat seine Wirtschaft erfolgreich auf die Bedürfnisse eines totalen Krieges umgestellt. Fabriken produzieren rund um die Uhr Panzer, Raketen und vor allem Artilleriemunition. Was sie nicht selbst herstellen können, wird von Verbündeten wie Nordkorea (das Millionen von Granaten geliefert haben soll) und dem Iran (der Tausende von Shahed-Drohnen bereitstellt) geliefert.

Die Ukraine hingegen ist vollständig von der Unterstützung eines Westens abhängig, der noch immer im Friedensmodus zu operieren scheint. Diese Diskrepanz zwischen einer Kriegswirtschaft und einer zögerlichen Unterstützungsallianz ist es, die das Leben Tausender an der Front kostet und die strategische Initiative klar auf die Seite Moskaus verschoben hat. Die jüngste russische Offensive im Raum Charkiw sei, so Reisner, ein direktes Ergebnis dieser Ungleichheit. Sie war ein kalkulierter Schachzug, um die bereits überdehnten und unterversorgten ukrainischen Linien an einem weiteren Punkt zum Reißen zu bringen.

Willkommen auf dem “leeren Schlachtfeld”

Die zweite Revolution, die diesen Krieg definiert, ist technologischer Natur. Wenn der “Granatenhunger” das materielle Problem ist, ist die Drohne das neue Gesicht des Kampfes. Reisner spricht von einer Entwicklung, die das Schlachtfeld fundamental verändert hat. “Wir erleben die Geburt des ‘leeren Schlachtfeldes'”, erklärt er.

Zwischen Trödel, Kunst und Leidenschaft | sweb

Was bedeutet das? Es bedeutet, dass der offene Raum zur Todeszone geworden ist. Die Allgegenwart von Aufklärungs- und Angriffsdrohnen, insbesondere der billigen, aber tödlichen FPV-Drohnen (First-Person-View), macht es für Soldaten fast unmöglich, sich ungesehen zu bewegen. “Die FPV-Drohne ist die neue Kalaschnikow dieses Krieges”, so Reisner. Ein Gerät im Wert von 500 Dollar kann einen Multi-Millionen-Dollar-Kampfpanzer zerstören.

Diese neue Realität hat verheerende Auswirkungen. Traditionelle Panzer- und Infanterieangriffe im Stil des 20. Jahrhunderts sind zu Selbstmordkommandos geworden. Sobald sich ein Fahrzeug oder eine Gruppe von Soldaten in Bewegung setzt, wird sie von Drohnen erfasst und von Artillerie oder anderen Drohnen bekämpft. Die Soldaten sind gezwungen, sich in Gräben, Bunkern und den Ruinen von Kellern zu verstecken.

Reisner beschreibt eine psychologische Belastung für die Truppen, die unvorstellbar ist. Es ist der ständige Stress, aus dem Himmel beobachtet und jederzeit angegriffen werden zu können. Es gibt keine sichere Zone mehr, keine Ruhepause. Dieser Krieg wird nicht nur mit Sprengstoff, sondern auch mit der permanenten, nervenzerfetzenden Angst vor dem unsichtbaren Tod von oben geführt.

Eng damit verbunden ist ein unerbittliches “Katz-und-Maus-Spiel” der elektronischen Kriegsführung (EW). Beide Seiten versuchen verzweifelt, die Drohnensignale des Gegners zu stören, während sie gleichzeitig versuchen, ihre eigenen Drohnen durchzubringen. Es ist ein ständiger Wettlauf der Anpassung, bei dem der technologische Vorsprung von heute morgen schon wieder veraltet sein kann.

Russlands stärkste Waffe: Die “Eskalationsangst” des Westens

Reisner beschränkt seine Analyse jedoch nicht auf das Schlachtfeld. Er richtet den Blick scharf auf die politischen Hauptstädte Europas und der USA. Seiner Meinung nach ist Russlands stärkste Waffe nicht die Artillerie oder die Drohne, sondern die “Eskalationsangst” des Westens.

Wladimir Putin, so der Oberst, versteht die Psyche seiner Gegner meisterhaft. Er nutzt die offene Drohung mit einem nuklearen Armageddon als psychologisches Werkzeug, um den Westen zu lähmen. Diese “nukleare Erpressung” funktioniert erschreckend gut. Sie führt zu einem Zögern, zu einer Politik der Selbstbeschränkung, die der Ukraine genau die Waffen vorenthält, die sie bräuchte, um einen strategischen Unterschied zu machen – oder sie liefert sie erst nach monatelangen Verzögerungen.

Diese “Stückwerk”-Politik (“piecemealing”) sei fatal. Sie gebe der Ukraine zwar genug, um nicht zu kollabieren, aber niemals genug, um zu gewinnen. Sie verlängere lediglich das Leiden und gebe Russland die wertvollste Ressource von allen: Zeit. Zeit, um mehr Soldaten zu mobilisieren, mehr Munition zu produzieren und seine Verteidigungslinien auszubauen.

Reisner stellt die harte Frage: Was nützt die Angst vor einer Eskalation, wenn die Alternative ein russischer Sieg ist? Er argumentiert, dass die eigentliche Eskalation bereits stattfindet – durch Russlands unerbittlichen Angriff auf die Souveränität eines europäischen Staates. Das Zögern des Westens, so seine implizite Warnung, wird von Moskau nicht als kluge Zurückhaltung, sondern als Schwäche interpretiert.

Der Weckruf: Die “Zeitenwende” muss Realität werden

Am Ende seiner Analyse steht ein dringender Appell, der weit über die Ukraine hinausgeht. Für Markus Reisner ist dieser Krieg ein Weckruf an ein Europa, das sich zu lange in der Illusion der “Friedensdividende” gesonnt hat. Diese Ära, so stellt er klar, ist unwiderruflich vorbei.

Bares für Rares": Statue von Horst Lichter sorgt für Showabbruch durch Händler

Der Krieg in der Ukraine ist für ihn kein regionaler Konflikt. Es ist der Kampf um die Zukunft der europäischen Sicherheitsordnung. Wenn Russland in der Ukraine Erfolg hat – wenn es beweist, dass Grenzen mit Gewalt verschoben werden können und der Westen zu ängstlich ist, dies zu verhindern – wer ist dann der Nächste? Die baltischen Staaten? Polen?

Der Begriff “Zeitenwende”, den Bundeskanzler Olaf Scholz kurz nach der Invasion prägte, müsse endlich mit Substanz gefüllt werden. “Zeitenwende” bedeute nicht nur, ein Sondervermögen einzurichten; es bedeute einen mentalen Wandel. Es bedeute, die Welt so zu sehen, wie sie ist – ein Ort, an dem “Hard Power” wieder zählt – und entsprechend zu handeln. Europa müsse massiv aufrüsten, seine Verteidigungsindustrie wiederbeleben und eine kohärente Strategie entwickeln, um der russischen Bedrohung zu begegnen.

Reisners Prognose ist düster: Dies wird ein langer Krieg sein. Es gibt keine schnelle, einfache Lösung. Es gibt keinen magischen Knopf, der den Frieden wiederherstellt. Die einzige Antwort ist Entschlossenheit, materielle Überlegenheit und der politische Wille, diesen langen Atem zu beweisen.

Die Analyse von Oberst Reisner ist unbequem. Sie ist frei von politischem Wunschdenken und diplomatischer Weichzeichnung. Es ist der nüchterne Bericht eines Militärs, der die Lücke zwischen den politischen Reden in Brüssel und Berlin und der blutigen Realität in den Gräben bei Awdijiwka aufzeigt. Es ist eine Warnung, dass Zeit ein Luxus ist, den sich die Ukraine – und Europa – nicht länger leisten kann.

Related Posts

Our Privacy policy

https://newsjob24.com - © 2025 News