Es gibt Momente im deutschen Fernsehen, die eine Eigendynamik entwickeln, die man erst Sekunden später begreift. Momente, in denen die sorgfältig aufgebaute Fassade der höflichen Konversation zerbricht und rohe, ungefilterte Emotionen durchbrechen. Genau ein solcher Moment ereignete sich kürzlich, als die Volksmusik-Ikone Heino, ein Mann, der seit über einem halben Jahrhundert ein fester Bestandteil der deutschen Kulturlandschaft ist, live im Fernsehen mit einem Thema konfrontiert wurde, das die Gesellschaft tiefer spaltet als kaum ein anderes: das Gendern.
Was als harmloses Werbe-Interview für sein neues Album begann, auf dem er provokant Ballermann-Hits als “Lieder meiner Heimat” covert, eskalierte zu einer öffentlichen Demütigung und einer der drastischsten Meinungsäußerungen, die je von einer Person seines Kalibers vor laufender Kamera getätigt wurden.

Die Moderatorin, sichtlich bemüht, eine Brücke zwischen Heinos traditionellem Image und der “neuen Zeit” zu schlagen, fragte ihn, wie er denn zu Themen wie der “Woke-Diskussion” und “beispielsweise dem Gendern” stünde. Heinos Antwort kam ohne Zögern, ohne diplomatische Umschweife und mit einer Wucht, die das Studio in Schockstarre versetzte.
“Das ist für mich alles…”, begann er, bevor er zu einem Satz ansetzte, der in die Annalen der TV-Eklats eingehen wird: “Denen haben sie ins Gehirn geschissen, die sowas wollen!”
Ein Raunen ging durch das Publikum. Die Moderatorin, sichtlich überrumpelt und blamiert, versuchte, die Situation zu retten, doch Heino war nicht mehr zu bremsen. “So wie wir im Rheinland sagen”, schob er nach, als wäre es die normalste Sache der Welt. “Nein, ich stehe da überhaupt gar nicht zu.”
Es war eine öffentliche Bloßstellung. Ein Mann, der sein gesamtes Leben lang als der adrette Barde mit der Sonnenbrille, der “Blau blüht der Enzian” sang, abgestempelt wurde, zeigte eine Seite von sich, die viele nicht kannten: einen unnachgiebigen Traditionalisten, der bereit ist, für seine Überzeugungen bis aufs Äußerste zu gehen.
Um die volle Tragweite dieses Moments zu verstehen, muss man Heinos Karriere der letzten Jahre betrachten. Dies ist nicht mehr nur der Sänger von Heimatliedern. Dies ist der Mann, der 2013, zehn Jahre ist es her, mit Rammstein auf der Bühne des Wacken Open Air stand. Eine Erfahrung, die ihn sichtlich prägte. “Ich habe nette, selten so nette Kollegen gesehen, Menschen um mich rum waren wie die Rammstein-Jungs. Sie waren vom Feinsten”, betonte er im selben Interview. Er bewies damals einen Mut, den ihm niemand zugetraut hatte, und scheute sich nicht vor der Kontroverse.
Genau diesen Mut – oder wie er es nennt: “Ich scheiß mich auch nichts” – legt er nun in die Kulturkampf-Debatte. Während die Moderatorin noch versuchte, das Gespräch zurück auf sein neues Album zu lenken, legte Heino nach. Er werde sich von niemandem verbiegen lassen. “Ich werde weiter von der ‘Schwarzen Haselnuss’ singen, ich würde weiter ‘Lustig ist das Zigeunerleben’ singen. Und da lasse ich mich von keinem Menschen abbringen. Das ist ein Stück Kulturgut.”
Die Fronten waren geklärt. Auf der einen Seite die Vertreter einer modernen, sprachsensiblen Gesellschaft. Auf der anderen Seite Heino, der sich als letzter Verteidiger eines Kulturguts sieht, das er in den 60er Jahren, auf dem Höhepunkt der Beat-Welle, eigenhändig popularisiert hat.
Die Kontroverse wurde durch seinen Ballermann-Kollegen Micky Krause, dessen Lieder Heino nun covert, unwissentlich befeuert. In einer Grußbotschaft, die kurz vor der Gender-Frage eingespielt wurde, feierte Krause Heino mit den Worten: “Ich habe gehört, er singt sogar ‘Finger im Po, Mexiko’ – und das in den Genderzeiten wie heute. Ich hoffe, die werden irgendwann abgeschafft!”
Heino sah sich durch Krauses Worte sichtlich bestätigt. Er lobte ihn als “einen der nettesten Kollegen”, der “riesen Erfolg” habe, und es freue ihn, von “so einem jungen Menschen ein Kompliment zu bekommen”. Es war die perfekte Vorlage für seine spätere, drastische Wortwahl.

Doch das Interview offenbarte nicht nur den streitbaren Kulturkämpfer, sondern auch den verletzlichen Privatmann. Auf sein Lebensmotto angesprochen, antwortete Heino mit einem Lächeln: “Wein, Weib und Gesang.” Doch als die Sprache auf das “Weib” kam, wurde seine Stimme leiser. “Jetzt habe ich gar kein Weib”, sagte er, sichtlich bewegt. “Jetzt habe ich meine kleine Familie, und da bin ich sehr mit zufrieden.”
Es war die unausgesprochene Trauer um seine Frau Hannelore, die den Raum füllte. Er gab zu, dass die Zeit “immer noch schwierig” sei. Er habe Hannelores Grab unweit seines Hauses und könne es von seinem Zimmer aus sehen. “Ich grüße sie auch jeden Tag”, sagte er mit brüchiger Stimme. “Es ist natürlich für mich immer sehr traurig, wenn ich dran denke. Muss ich… es ist eben halt so.”
Dieser Kontrast zwischen dem knallharten Provokateur, der seinen Kritikern Fäkalien im Gehirn unterstellt, und dem trauernden Witwer, der leise mit dem Verlust seines Lebensmenschen kämpft, macht die Figur Heino im Jahr 2025 so komplex.
Er distanziert sich aktiv von den Sorgen der Welt. “Ich nehme an den Sorgen der anderen Menschen ja nicht teil, weil ich das auch gar nicht mehr so mitkriege, weil ich mich um meine Sorgen, die ich habe… Aber was so draußen in der Welt passiert, das lese ich dann in der Zeitung. Es ist eben halt so, und daran kann man nichts ändern.”
Es ist eine Form des inneren Exils. Ein Rückzug auf das, was er kennt: seine Musik, seine Heimat und seine unerschütterliche Meinung. Und diese Meinung zum Gendern wiederholte er gegen Ende noch einmal mit Nachdruck, als wolle er sichergehen, dass es jeder verstanden hat: “Das ist alles Blödsinn. Das machen wir nicht mit. Also ich nicht. Weil das idiotisch ist. Habe ich doch gesagt: Dann haben sie ins Gehirn geschissen, wenn die mit Gendern ankommen.”

Der Auftritt hat Heino einmal mehr ins Zentrum der öffentlichen Debatte katapultiert. Für die einen ist er ein Held des gesunden Menschenverstands, der “endlich mal sagt, was alle denken”. Für die anderen ist er ein Mann von gestern, dessen vulgäre Rhetorik inakzeptabel ist. Heino selbst dürfte beides recht sein. Wie er im Interview zugab, als es um seine Ballermann-Cover ging: “Wir wollen ja auch Schlagzeile. Das funktioniert, ne? Die Plattenfirma ist ja kein Wohlfahrtsinstitut, die wollen ja Umsätze machen.”
Heino hat bewiesen, dass er auch mit über 80 Jahren noch jeden Mechanismus der Provokation beherrscht. Er hat die Moderatorin blamiert, Millionen vor den Kopf gestoßen und seine Fans begeistert. Er bleibt sich treu – ob man das nun als mutig oder als unbelehrbar empfindet.