Mit 74 Jahren ist das Gesicht von Romina Power eine Landkarte tiefer, unauslöschlicher Emotionen. Es ist gezeichnet von einer Tragödie, die das grelle Scheinwerferlicht der 80er Jahre nie erhellen konnte. Dieses Gesicht, das einst an der Seite von Al Bano Carrisi ein ganzes Jahrzehnt definierte, ist heute meilenweit entfernt von dem strahlenden Lächeln, das Deutschland verzauberte. Der Klang von “Felicità” und “Sharazan” ist nicht mehr nur ein Lied; es ist der Soundtrack einer unwiderruflich verlorenen Ära.
Sie waren das Symbol. Das Traumpaar des Italo-Pop. Sie verkauften Millionen von Platten, füllten die größten Hallen Deutschlands und waren das lebende Versprechen, dass die perfekte, sonnendurchflutete Liebe existiert. Doch um das Schweigen zu verstehen, das Romina Power jetzt, im Alter von 74 Jahren, bricht, müssen wir den wahren Preis dieses Glücks enthüllen. Es ist eine Geschichte, die nicht mit Al Bano beginnt, sondern im Schatten eines noch größeren Namens: ihres Vaters, der Hollywood-Legende Tyrone Power.

Romina wurde nicht einfach berühmt; sie wurde 1951 in den Ruhm hineingeboren. Als Tochter eines der größten Filmstars der Welt und der Schauspielerin Linda Christian war ihr Leben von Geburt an ein öffentliches Schauspiel. Doch dieser goldene Käfig Hollywoods war wurzellos. Nach dem frühen Tod ihres Vaters im Jahr 1958 wurde sie von ihrer Mutter durch die Welt gereicht. Ein Leben in Hotels, ohne Heimat, ohne Stabilität.
Als sie Al Bano traf, war sie erst 15 Jahre alt. Er war nicht nur ein Sänger; er war ihre Flucht. Dieser charismatische, acht Jahre ältere Mann aus dem einfachen, traditionellen Süden Italiens bot ihr alles, was Hollywood ihr vorenthalten hatte: ein Gefühl von Familie, von Zugehörigkeit, von echten Wurzeln. Die Bilderbuchfamilie, die sie so verzweifelt aufbauten, war Rominas Versuch, das zu erschaffen, was ihr selbst immer verwehrt worden war.
In einer tragischen Ironie des Schicksals, so blickt sie heute zurück, entkam sie dem goldenen Käfig Hollywoods nur, um sich mit Al Bano einen neuen zu bauen: den goldenen Käfig des Italo-Pop.
Um den Aufstieg von “Al Bano & Romina Power” zu verstehen, muss man das Deutschland der späten 70er und frühen 80er Jahre verstehen. Es war ein Land, das, obwohl wirtschaftlich stark, emotional von den Schatten der Vergangenheit und der Realität der Teilung geprägt war. Der Kalte Krieg dominierte die Nachrichten. Es herrschte eine tiefe, kollektive Sehnsucht nach Unbeschwertheit, nach Sonne, nach einer Welt, in der die Liebe einfach war.
In dieses Vakuum trat das Duo. Sie waren eine lebendig gewordene Fantasie. Romina, die sanfte Hollywood-Tochter, und Al Bano, der Tenor mit der kraftvollen Stimme aus dem ehrlichen Süden. Als sie 1982 mit “Felicità” beim Sanremo-Festival auftraten, eroberten sie Europa im Sturm. In Deutschland wurde das Lied zu einer Hymne, hielt sich 40 Wochen in den Charts. Sie waren nicht mehr nur Künstler; sie waren ein Idealbild.
Die Öffentlichkeit konsumierte nicht nur ihre Musik, sondern ihre gesamte Existenz. Die Geburt ihrer Kinder – Ylenia, Yari, Christel und Romina Junior – wurde Teil der öffentlichen Erzählung. Sie waren die perfekte Bilderbuchfamilie, der lebende Beweis für das Glück, von dem sie sangen. Doch dieser Ruhm hatte einen immanenten Druck. Sie waren nicht mehr zwei Menschen. Sie waren ein Produkt, eine Marke.
Und für Romina Power war es ein Gefängnis. Als 15-Jährige war sie in diese Partnerschaft eingetreten, die schnell zu einem fast vollständigen Verlust der Autonomie führte. Al Bano war nicht nur ihr Ehemann; er war, nach traditionell italienischem Verständnis, das unangefochtene Oberhaupt der Familie und damit auch das Oberhaupt der “Firma Albano & Romina Power”.
Ihr Leben wurde durch unfaire Verträge diktiert, die sie nicht als Individuen, sondern als untrennbare Einheit behandelten. Die Industrie sah nicht Romina; sie sah die Hälfte eines Produkts. Es gab keine Trennung zwischen dem Privatleben auf ihrem Anwesen in Cellino San Marco und der öffentlichen Persona. Es gab keine Zeit für eigene Bildung, keine Zeit für getrennte Freundschaften, keine Zeit für Romina, sich als eigenständige Frau zu entwickeln. Ihr persönliches Glück wurde zur öffentlichen Währung.

Was passiert, wenn das Traumpaar, das von “Felicità” singt, hinter der Bühne voller Erschöpfung und Meinungsverschiedenheiten ist? Die Antwort war einfach: Die Show muss weitergehen. Al Banos Wort hatte Gewicht, Rominas Wünsche waren zweitrangig. Sie war die sanfte Muse an der Seite des kraftvollen Tenors. Dieser Mangel an Autonomie hüllte sie langsam aus. Der Keim für den späteren Rosenkrieg wurde in diesen Jahren des scheinbar perfekten Glücks gesät.
Das Licht der 80er Jahre erlosch abrupt am 6. Januar 1994. An diesem Tag verschwand ihre älteste Tochter, Ylenia Carrisi, im Alter von nur 23 Jahren spurlos in New Orleans. Die Mystik dieser Stadt wurde zum Schauplatz einer Tragödie, die das Leben der Familie für immer verändern sollte.
Was als verzweifelte Suche einer Familie begann, verwandelte sich in einen globalen Mediensturm. Das Traumpaar, dessen Image auf perfektem Glück aufgebaut war, hielt dieser Belastung nicht stand. Die Öffentlichkeit sah entsetzt zu, wie die Fassade zerbrach.
Schnell kristallisierte sich eine Schlüsselfigur heraus: Alexander Massakela, ein älterer Straßenmusiker, in dessen Bann Ylenia geraten war. Hier begann die fundamentale Spaltung, die die Ehe zerstörte. Für Al Bano war Massakela der Teufel. Er war überzeugt, der Mann habe seine Tochter in die Drogenszene gezogen. Für Al Bano war das Bild klar: Ylenia war verwirrt, drogenabhängig und ist wahrscheinlich im Mississippi ertrunken. Er suchte nach einem Abschluss.
Für Romina war diese Annahme unerträglich. Sie weigerte sich, dieses Urteil zu akzeptieren. Für sie war Massakela der Schlüssel. Hatte er sie entführt? Wusste er, wo sie war? Sie suchte nach Antworten. Dieser unüberbrückbare Graben im Umgang mit der Trauer – Abschluss gegen Hoffnung – wurde zu einem Keil, der die Ehe 1999 unwiderruflich spaltete. Für Romina war es nicht nur das Ende ihrer Ehe; es war der Beginn einer tiefen Isolation, gefangen in einer Hoffnung, die niemand mehr mit ihr teilen wollte.
Jetzt, mit 74, bricht Romina Power ihr Schweigen. Und sie benennt zwei “Männer” – oder besser, Entitäten – denen sie niemals vergeben hat.
Das erste ist das unersättliche System der Medien. Dieselbe Presse, die ihre Liebe zur Schau gestellt hatte, zerriss ihre Familie nach der Tragödie in einem öffentlichen Rosenkrieg.
Der zweite Name ist jener, der einst gleichbedeutend mit ihrem eigenen war: Al Bano.
Das, was Romina Power als unverzeihlich bezeichnet, ist nicht die Trennung. Es ist eine einzige, folgenschwere Unterschrift. Eine juristische Handlung aus dem Jahr 2014.
Während Al Bano in Italien blieb und ein neues Leben begann, kämpfte Romina allein mit ihrer Hoffnung. 2011, siebzehn Jahre nach Ylenias Verschwinden, trat sie im deutschen Fernsehen bei “Aktenzeichen XY… ungelöst” auf. Es war kein Pop-Auftritt. Es war der schockierend verletzliche Hilferuf einer gealterten Mutter, die das deutsche Volk um Hinweise bat. Es war eine öffentliche Kriegserklärung an das Vergessen, ein Signal an Al Bano: Ich werde niemals aufgeben.
Nur zwei Jahre später, 2013, geschah das Unfassbare: Al Bano und Romina kündigten eine Bühnen-Wiedervereinigung an. Die Welt war fassungslos. Warum sollte eine Frau, die noch immer verzweifelt nach ihrem Kind suchte, mit dem Mann singen, der den Glauben längst verloren hatte?
Der Transcript deutet dies als Rominas wahren Machtmoment. Sie kehrte nicht als untergeordnete Ehefrau zurück, sondern als gleichberechtigte Partnerin. Sie zwang Al Bano, ihr in die Augen zu sehen und die Lieder ihres gemeinsamen Glücks zu singen, während die Tragödie, die er zu begraben versuchte, unausgesprochen zwischen ihnen stand.
Doch der ultimative Verrat, der Dolchstoß, geschah erst danach. Im Jahr 2014, kurz nach dieser medienwirksamen Wiedervereinigung, setzte Al Bano seinen Willen juristisch durch. Er beantragte beim Gericht in Brindisi die offizielle Todeserklärung für Ylenia Carrisi.

Sie standen wieder gemeinsam auf der Bühne, ein Akt, der wie Versöhnung aussah. Doch hinter den Kulissen löschte er ihre Tochter juristisch aus.
Rominas Entscheidung, trotzdem weiter mit ihm auf Tour zu gehen, ist der komplexeste Teil ihrer Geschichte. Sie tut es nicht, obwohl sie ihm nicht vergibt. Sie tut es, weil sie ihm nicht vergibt.
Die Bühne ist heute ihr Schlachtfeld. Sie steht dort als lebende Mahnung an ihn und an die Welt, dass ihre Wahrheit – die Wahrheit der hoffenden Mutter – nicht ausgelöscht werden kann. Jedes “Felicità”, das sie gemeinsam singen, ist ein psychologisches Duell, das unter der Oberfläche schwelt.
Es ist Rominas Weg zu sagen: “Du kannst unsere Tochter vor dem Gesetz für Tod erklären. Aber ich werde dich zwingen, auf dieser Bühne zu stehen und so zu tun, als wäre das Glück, das sie uns gab, noch immer real.” Ihre Weigerung zu vergeben ist kein Starrsinn. Es ist der verzweifelte Kampf einer Mutter um das Recht, ihre eigene Trauer zu definieren und die Hoffnung gegen jede Wahrscheinlichkeit am Leben zu erhalten.