Ein Beben erschüttert die Grundfesten der internationalen Diplomatie, und das Epizentrum liegt gefährlich nahe an Deutschland. In wenigen Tagen soll der G20-Gipfel stattfinden – jenes prestigeträchtige Treffen der mächtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt, das einst als Symbol für eine multipolare, kooperative Weltordnung galt. Doch was sich nun abzeichnet, ist weniger ein Gipfel der Kooperation als vielmehr ein Trauerspiel der Isolation, eine Zäsur, die als tiefe Demütigung in die Geschichtsbücher eingehen könnte – insbesondere für Deutschland und Europa.
Die Nachrichtenlage überschlägt sich, und jede neue Meldung ist ein weiterer Nagel im Sarg des ehemals so bedeutenden Treffens. Schlag auf Schlag treffen die Absagen ein. Zuerst wurde über die Abwesenheit von Wladimir Putin spekuliert – angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine und seiner internationalen Isolation kaum eine Überraschung, aber dennoch ein Symbol für die tiefe Kluft zwischen Russland und dem Westen. Dann folgte die Nachricht, dass auch Donald Trump, der polarisierende Ex-Präsident und mögliche zukünftige starke Mann Amerikas, dem Treffen fernbleiben wird. Ein klares Signal des “America First”-Kurses, ein Zeichen, dass die USA ihre eigenen Interessen über multilaterale Formate stellen.

Doch der wahre Paukenschlag, die Nachricht, die das diplomatische Parkett in Berlin und Brüssel erzittern lässt, kam zuletzt: Auch Xi Jinping, der Präsident der Volksrepublik China, wird nicht teilnehmen. Er schickt nicht einmal einen hochrangigen Vertreter, sondern lässt die Einladung ins Leere laufen.
Diese Dreifach-Absage ist ein diplomatischer Offenbarungseid. Es ist eine Demütigung vor der versammelten Weltöffentlichkeit, die besonders tief sitzt.
Lassen wir das für einen Moment auf uns wirken. Die Anführer der drei Nationen, die das globale Geschehen des 21. Jahrhunderts maßgeblich definieren – die USA als etablierte Supermacht, Russland als militärischer Aggressor und Rohstoffriese, und China als aufstrebende Wirtschaftsmacht – wenden sich geschlossen von dem wichtigsten Forum der globalen Governance ab. Sie signalisieren damit unmissverständlich: Dieses Treffen ist uns nicht wichtig. Eure Anliegen sind uns nicht wichtig. Und ihr, die Gastgeber und Teilnehmer, seid uns nicht wichtig genug, um unsere Zeit zu opfern.
Dieser massive Bedeutungsverlust der G20 ist kein abstraktes Problem. Er trifft Deutschland und Europa ins Mark. Jahrelang haben wir uns in der Rolle des ehrlichen Maklers, des Zentrums der Diplomatie und des moralischen Kompasses der Welt gesonnt. Wir haben auf die Kraft des Dialogs, auf multilaterale Abkommen und auf eine regelbasierte Ordnung gepocht. Nun stehen wir vor den Trümmern dieser Politik.
Die Frage, die sich mit brutaler Dringlichkeit stellt, lautet: Wer sind denn überhaupt noch unsere Partner? Wenn die entscheidenden Akteure nicht mehr an den Tisch kommen, mit wem sollen wir dann verhandeln? Die Antwort, die bei dem bevorstehenden Gipfel gegeben wird, ist ein Hohn. Deutschland wird dort sein. Frankreich wird dort sein. Ein Land, das, wie zynische Beobachter anmerken, bis zum Hals in Schulden versinkt und selbst mit massiven inneren Problemen kämpft. Das sollen unsere “wichtigen Partner” sein?
Keine Frage, die Partnerschaft mit Frankreich ist ein Grundpfeiler Europas. Aber die Realität ist, dass die globalen Probleme – von der Klimakrise über die Handelskonflikte bis hin zur kriegerischen Destabilisierung – nicht allein von einem geschwächten Europa gelöst werden können. Die Partner, die wir bräuchten, die wir für einen echten Dialog und für globale Lösungen an den Tisch holen müssten, sind exakt jene, die jetzt alle nicht kommen.
Die Abwesenheit von Trump, Putin und Xi ist mehr als nur eine unglückliche Terminkollision. Es ist eine strategische Entscheidung. Sie zeigt, dass die Welt sich neu sortiert, in Blöcke zerfällt und die Zentren der Macht sich verschieben – weg vom alten, transatlantischen Westen, hin zu neuen Allianzen im globalen Süden und Osten, wo man sich lieber untereinander abspricht als sich vom Westen belehren zu lassen.
Was bedeutet das konkret für Deutschland? Es ist ein Desaster. Wir sind eine Exportnation. Unsere Wirtschaft, unser Wohlstand basieren auf offenen Märkten und stabilen internationalen Beziehungen. Wir brauchen den Kontakt zu China, unserem wichtigsten Handelspartner. Wir brauchen ein kalkulierbares Verhältnis zu den USA, unserem wichtigsten Sicherheitsgaranten. Und ja, langfristig brauchen wir auch einen Weg, mit dem atomar bewaffneten Russland umzugehen.
Wenn diese Länder aber nicht einmal mehr den Anstand besitzen, zu einem G20-Gipfel zu erscheinen, wie sollen dann die drängenden bilateralen Probleme gelöst werden? Die Absagen sind ein klares Zeichen: Deutschland und Europa werden nicht mehr als ebenbürtige Akteure auf Augenhöhe wahrgenommen, sondern als Relikt einer vergangenen Ära, das man höflich ignorieren kann.
Die Demütigung wird noch dadurch verstärkt, dass die deutsche Politik auf diese Katastrophe scheinbar keine Antwort hat. Man stelle sich die Ratlosigkeit in den Ministerien vor. Man wird versuchen, die Bedeutung des Gipfels herunterzuspielen, von “wichtigen Gesprächen am Rande” zu sprechen und die “Einheit der verbliebenen Demokratien” zu beschwören. Doch das ist nur noch Fassade.
Die Bürger spüren die Leere hinter diesen Worten. Und sie blicken auf die politische Führung des Landes und fragen sich: Was wird eigentlich dagegen getan? Das Video, das diese Krise frühzeitig benannte, wirft eine entscheidende Frage auf: Was macht eigentlich ein Friedrich Merz dagegen? Der Oppositionsführer, der sich als Kanzleralternative ins Spiel bringt, müsste jetzt nicht schweigen, sondern die Regierung mit klaren Forderungen und einer schonungslosen Analyse der Lage konfrontieren.
Doch was sehen wir? Ein betretenes Schweigen. Weder von der Ampel-Regierung unter Kanzler Scholz noch von der Opposition ist ein klares Wort der Einordnung oder gar eine Strategie zu erkennen. Man scheint gelähmt, unfähig, auf die neue, raue Wirklichkeit zu reagieren. Man verwaltet den Status quo, während um uns herum die Weltordnung zerbricht.
Es ist diese offensichtliche Ohnmacht, die die Demütigung so vollkommen macht. Wir werden nicht nur von den Weltmächten ignoriert, wir scheinen auch innerlich nicht mehr die Kraft zu besitzen, auf diese Herausforderung zu reagieren. Wir verlieren nicht nur an Bedeutung in der Welt, wir scheinen es nicht einmal mehr zu bemerken oder uns dagegen zu wehren.
Dieser G20-Gipfel wird als der Gipfel der leeren Stühle in die Geschichte eingehen. Er markiert einen Wendepunkt, an dem endgültig klar wird, dass die alten Formate nicht mehr funktionieren. Für Deutschland ist er ein Weckruf, der schmerzhafter nicht sein könnte. Wenn wir nicht aufwachen und erkennen, dass wir in dieser neuen Welt um unseren Platz kämpfen müssen, dass wir unsere Interessen klar definieren und mit Stärke vertreten müssen, dann war diese Demütigung erst der Anfang. Dann werden wir von einer Nation, die die Welt mitgestaltet, zu einem Spielball der Interessen anderer – isoliert, bedeutungslos und allein gelassen vor der Weltöffentlichkeit.