Sie war ein Gesamtkunstwerk, lebendig geworden auf einer surrealen Leinwand. Eine Frau mit einer Stimme wie rauchiger Whisky, Beinen, die in Londoner Swinging Sixties begannen und auf den größten Bühnen Europas endeten, und einem Geheimnis, das sie zu einer der faszinierendsten und meistdiskutierten Ikonen des 20. Jahrhunderts machte. Amanda Lear. Der Name allein ist ein Versprechen von Glamour, Skandal, Kunst und Disco. Sie war die Muse von Salvador Dalí, die Geliebte von David Bowie, die Königin der Nachtclubs. Sie lebte ein Dutzend Leben in einem – lauter, bunter und wilder, als die meisten es sich je zu träumen wagen.
Doch heute, mit über 80 Jahren, ist der Lärm der Disco-Kugeln verblasst. Die Scheinwerfer sind erloschen. Übrig geblieben ist eine Frau in einem wiederaufgebauten Haus in der Provence, umgeben von Tieren und den Geistern einer Vergangenheit, die ebenso glanzvoll wie unaussprechlich tragisch ist. Hinter dem berühmten, markanten Lidstrich und dem immer noch scharfen Witz verbirgt sich eine Stille und eine Einsamkeit, die das schockierende, leise Ende eines so lauten Lebens markiert. Die Geschichte der Amanda Lear ist eine Lektion darüber, wie hoch der Preis für ein Leben im Licht sein kann und wie dunkel der Schatten ist, den es wirft.
Ihre Existenz war von Anfang an als Mythos konzipiert. Wann und wo sie geboren wurde? Vielleicht 1939 in Saigon, vielleicht 1946 in Hongkong. War ihr Vater Brite oder Russe? Ihre Mutter Asiatin oder Französin? Amanda Lear selbst zuckte auf diese Fragen stets nur mit einem wissenden Lächeln die Schultern. Das Geheimnis war nie ein Mangel, es war ihre Superkraft. Früh lernte sie von dem Mann, der sie mehr prägen sollte als jeder andere: Salvador Dalí.

Sie traf den Meister des Surrealismus als blutjunge Kunststudentin und Model. Dalí war fasziniert von ihrer androgynen Schönheit, ihrem Witz und ihrer Intelligenz. Er machte sie zu seiner Muse, seinem „spirituellen Ehemann“, wie er sie nannte. Es war Dalí, der ihr riet, das Rätsel um ihre Herkunft und ihre Identität niemals zu lüften. „Bewahre das Rätsel“, befahl er. Und sie tat es wie eine heilige Pflicht. Diese Aura des Unergründlichen wurde zu ihrem Markenzeichen und ihrer stärksten Waffe.
Bevor sie jedoch selbst zur Künstlerin wurde, war sie die ultimative Muse einer Ära im Umbruch. In den 60er Jahren bewegte sie sich in London durch die Kreise von Brian Jones von den Rolling Stones – dem sie den Song „Miss Amanda Jones“ verdankt – und posierte für das ikonische Albumcover von Roxy Musics „For Your Pleasure“. In schwarzem Leder, einen Panther an der Leine, blickte sie lasziv in die Kamera – ein Bild, das die Aufmerksamkeit eines anderen musikalischen Genies erregte: David Bowie.
Ihre Affäre war kurz, aber prägend. Bowie sah mehr in ihr als nur ein hübsches Gesicht. Er erkannte die Künstlerin hinter der Fassade, bezahlte ihre Gesangs- und Tanzstunden und drängte sie, selbst auf die Bühne zu treten. Er war es, der sie zur Musik brachte.
Und so wurde die Muse Ende der 70er Jahre selbst zum Star. Mit ihrer tiefen, rauchigen, fast gesprochenen Stimme wurde Amanda Lear zur unwahrscheinlichsten Disco-Queen Europas. Hits wie „Blood and Honey“ und vor allem die düstere Hymne „Follow Me“ machten sie zur Ikone. Ihre Stimme war unverwechselbar, ihr Look – eine Mischung aus Hochglanz-Glamour und gefährlicher Androgynität – war ein weltweiter Erfolg. Sie verkörperte Verlangen, Gefahr und Camp wie keine Zweite.
Das größte Gerücht der Popkultur, das über ihre Geschlechtsidentität, wurde dabei zu ihrem mächtigsten Marketinginstrument. Entstanden in den Künstlerkreisen um Dalí, der jeden provokant in der männlichen Form ansprach, nahm das Gerücht ein Eigenleben an. In einer Zeit, in der jedes hübsche Model versuchte zu singen, gab ihr dieses Alleinstellungsmerkmal die nötige Schärfe. Amanda dementierte nie, sie bestätigte nie. Sie spielte mit der Fantasie des Publikums. „Geschäft ist Werbung“, ein Leitsatz, den sie von Dalí gelernt hatte. Sie verglich das Gerücht später mit „Kaugummi am Schuh“ – es klebte an ihr, aber es brachte sie auch voran.
Als die Disco-Ära abebbte, erfand sich Lear mühelos neu. In Italien wurde sie, gefördert von Silvio Berlusconi, zu einer der beliebtesten und scharfzüngigsten Fernsehmoderatorinnen des Landes. Sie eroberte die Bildschirme in Frankreich und Deutschland, moderierte zwei Jahrzehnte lang Prime-Time-Shows und bewies, dass ihr Intellekt und ihr Humor noch schärfer waren als ihr Look. In den 2000er Jahren folgte die nächste Metamorphose: Sie wurde eine gefeierte Theaterschauspielerin in Paris und überraschte Kritiker mit ihrem komödiantischen Talent.

Sie schien unbesiegbar. Eine Frau, die sich aus sich selbst heraus erschaffen hatte, die jeden Wandel mitmachte und jede Dekade zu ihrer eigenen machte. Sie hatte alles erreicht: Ruhm, Reichtum und eine kulturelle Signifikanz, die über flüchtige Hits hinausging. Und sie hatte die Liebe gefunden.
1979 heiratete sie in Las Vegas den französischen Aristokraten Alin-Philippe Malagnac. Es war, nach all den turbulenten Affären mit Rockstars und Künstlern, die eine, beständige Liebe ihres Lebens. Sie zogen sich in ein altes Landhaus in Saint-Étienne-du-Grès in der Provence zurück, einen stillen Ort unter Olivenbäumen, weit weg von den Kameras und dem Lärm der Welt. Es war ihr Heiligtum.
Dann kam der 16. Dezember 2000. Die Nacht, die alles auslöschte.
Amanda war für einen Fernsehauftritt in Italien. In den frühen Morgenstunden brach in ihrem Haus in der Provence ein Feuer aus. Ein elektrischer Defekt, wie es später hieß. Die Flammen fraßen sich durch das alte Gebäude und vernichteten alles. Als Amanda Lear die Nachricht erhielt, war ihr Zuhause nur noch Asche. Doch der materielle Verlust war nichts im Vergleich zu dem unvorstellbaren menschlichen Horror. In den Trümmern wurden zwei Leichen gefunden: die ihres Ehemannes, Alin-Philippe Malagnac, und die eines engen Freundes.
Die Liebe ihres Lebens war tot. Ihr gemeinsames Leben, ihre Vergangenheit, ausgelöscht. „Heute habe ich nichts“, sagte sie der Presse mit gebrochener Stimme. „Ich lebe mit zwei Koffern, ziehe von Hotel zu Hotel.“ Das Feuer hatte nicht nur ihren Mann genommen, sondern jede einzelne Erinnerung. Alle Liebesbriefe, alle Fotografien, ihre Schallplattensammlung, jeden Schmuckgegenstand. Selbst die unersetzlichen Gemälde, die ihr Salvador Dalí über die Jahre geschenkt hatte, waren zu Asche verbrannt.
Die Medien, angezogen vom Duft der Tragödie, stürzten sich auf sie und befeuerten Gerüchte über einen angeblichen Selbstmordpakt. Amanda, am Boden zerstört, musste sich nicht nur ihrer Trauer stellen, sondern auch diesen Spekulationen. Es folgte ein Jahr der totalen Finsternis. „Mir geht es nicht gut“, gab sie offen zu. „Ich nehme Antidepressiva. Mein Psychoanalytiker sagt, ich habe das Loch noch nicht verlassen.“
Sie hat nie wieder geheiratet. „Er war die Liebe meines Lebens“, sagte sie schlicht. „Nach so etwas will man sich einfach eine Pistole nehmen und ihm folgen. Aber ich habe es nicht getan.“
Stattdessen tat sie das Einzige, was sie kannte: Sie stürzte sich in die Arbeit. Sie promotete ein Album, das im Schatten der Tragödie aufgenommen wurde, kehrte ins italienische Fernsehen zurück. Die Arbeit, so sagte sie, ließ sie nicht vergessen, aber sie half, weniger daran zu denken. Sie begann, das Haus in der Provence wieder aufzubauen, Stein für Stein. Ein schmerzhafter Prozess. „Ich kann nicht weitergehen, solange das Haus nicht wieder aufgebaut ist“, sagte sie. „Es ist, als hätte ich einen Dorn im Fuß, der mich am Gehen hindert.“

Heute steht das Haus wieder. Aber es ist ein Haus voller Geister. Amanda Lear, die Frau, die einst die schillerndste und geheimnisvollste Figur Europas war, lebt dort nun allein. Nach einigen Beziehungen mit deutlich jüngeren Männern, die die Presse genüsslich ausschlachtete, hat sie mit der Idee einer Partnerschaft abgeschlossen.
Ihr Leben, das einst von den größten Genies und Rockstars bevölkert war, teilt sie heute nur noch mit ihren Tieren. „Ich bin besser allein“, sagte sie. „Ich habe mit der Idee von Paaren abgeschlossen, aber nicht mit der Liebe.“ Ihren Katzen vertraue sie mehr als jedem Mann. „Sie haben mich nie belogen“, sagte sie. „Mich nie enttäuscht.“
Mit über 80 Jahren jagt sie keinen Ruhm mehr. Sie malt, sie schreibt, sie lebt in der Stille, die jene tragische Nacht im Jahr 2000 hinterlassen hat. Das Leben der Amanda Lear mag von außen traurig erscheinen – ein Triumph, der in einer unendlichen Einsamkeit endet. Doch vielleicht ist es einfach das unausweichliche Schicksal einer Frau, die mehr gelebt, mehr riskiert und mehr verloren hat als andere sich je trauen werden. Sie war nie nur jemandes Muse; sie war stets das Meisterwerk selbst, auch wenn das Ende dieses Kunstwerks von einer tiefen, stillen Melancholie geprägt ist.