Ein Gespenst geht um in den deutschen Industriehallen. Es ist die Angst vor dem Stillstand, vor kalten Maschinen und leeren Auftragsbüchern. Es ist die Angst vor der Kurzarbeit, die Tausende von Existenzen bedroht. Inmitten dieser existenziellen Krise, ausgelöst durch eine massive Verknappung von Halbleitern und seltenen Erden, leistet sich die neue CDU-geführte Bundesregierung ein diplomatisches Schauspiel, das Beobachter fassungslos zwischen Kopfschütteln und Entsetzen schwanken lässt. Es ist ein Akt der Selbstsabotage, ausgeführt mit einer Mischung aus Arroganz und Ahnungslosigkeit, der Deutschland auf der Weltbühne wie einen “völligen Trottel” dastehen lässt, so die harten Worte eines politischen Kommentators.
Die Ereignisse dieser Woche lesen sich wie das Drehbuch einer politischen Satire, die leider bitterer Ernst ist. Auf der einen Seite sagt der deutsche Außenminister seine seit langem geplante China-Reise für Montag und Dienstag kurzfristig ab. Der Grund: Eine Blamage. Außer seinem direkten Amtskollegen Wang Yi wollte sich in Peking offenbar niemand die Zeit nehmen, den deutschen Besucher zu empfangen. Auf der anderen Seite reist die Bundeswirtschaftsministerin, Katharina Reiche, ins kriegsgebeutelte Kiew, verspricht Gaslieferungen für den Winter, die Deutschland selbst kaum entbehren kann, und sendet von dort aus eine scharfe diplomatische Protestnote – eine sogenannte Demarche – an das chinesische Handelsministerium.
Was wir hier erleben, ist mehr als nur schlechtes Timing. Es ist der Offenbarungseid einer deutschen Außenpolitik, die den fundamentalen Unterschied zwischen moralischem Anspruch und geopolitischer Realität nicht verstanden hat. Es ist das gefährliche Spiel einer Nation, die mit der einen Hand den moralischen Zeigefinger gegen Peking erhebt, während sie mit der anderen verzweifelt um die lebenswichtigen Chips bettelt, von denen ihre gesamte Volkswirtschaft abhängt.

Der abservierte Außenminister: Ein Symbol der Irrelevanz
Die Absage der China-Reise des Außenministers ist weit mehr als eine protokollarische Unannehmlichkeit. Sie ist ein klares und unmissverständliches Signal aus Peking. Die Chinesen, so die Analyse von Kritikern, sehen in diesem Minister schlichtweg eine “Witzfigur”. Sie betrachten ihn als beliebig austauschbar, ohne echte Kompetenz und vor allem ohne jede Entscheidungsgewalt. Warum, so scheint das Kalkül in Peking zu sein, sollte man wertvolle Zeit mit jemandem verschwenden, der beim nächsten politischen Windstoß ohnehin wieder “weg vom Fenster” ist?
Man mag diese chinesische Haltung als arrogant abtun, doch sie ist vor allem eines: pragmatisch. Die Chinesen verhandeln nicht, um Freundlichkeiten auszutauschen. Sie verhandeln, um Ergebnisse zu erzielen. Und von diesem Außenminister, so die offensichtliche Einschätzung, sind keine Ergebnisse zu erwarten. Anstatt einen höflichen Anstandstermin nach dem anderen abzuhalten, lässt man ihn einfach auflaufen. Man signalisiert ihm und der Welt: Du bist für uns irrelevant.
Verschärft wird diese diplomatische Demütigung durch den Zeitpunkt. Fast zeitgleich zur geplanten Reise sah sich die Bundesregierung genötigt, sich einmal mehr zur Taiwan-Frage zu äußern. In einer Wortwahl, die in Peking nur als Provokation verstanden werden konnte, kritisierte man China für dessen angeblich “aggressives Vorgehen” im Indopazifik und den Versuch, den Status quo in der Meerenge von Taiwan einseitig zu verändern.
Kritiker werfen der Regierung vor, hier mit zweierlei Maß zu messen. Sie prangert Chinas Haltung an, während sie selbst als “kleiner Bruder” der amerikanischen Schutzmacht über Jahrzehnte hinweg aggressive Interventionen in aller Welt mitgetragen hat – eine Heuchelei, die in Peking sehr genau registriert wird.
Die Taiwan-Falle: Wenn Moral die Wirtschaft stranguliert
Niemand bestreitet die komplexen und legitimen Sorgen um die Sicherheit Taiwans. Doch die Art und Weise, wie die deutsche Politik dieses Thema instrumentalisiert, während die eigene Wirtschaft brennt, zeugt von einer erschreckenden Realitätsferne. Die Bundesregierung ignoriert scheinbar wissentlich die offizielle “Ein-China-Politik”, die von den Vereinten Nationen festgeschrieben wurde – eine Resolution, die besagt, dass Taiwan ein Teil Chinas ist.

Anstatt sich auf die drängendsten Probleme der eigenen Bevölkerung zu konzentrieren – die drohende Massen-Kurzarbeit bei VW und anderen Konzernen infolge der Chip-Krise –, verstrickt sich der Außenminister in geopolitische Grundsatzdebatten, die er nicht gewinnen kann. Er stellt sich hin und kritisiert Peking, wohl wissend, dass er nur wenige Tage später als Bittsteller für ebenjene Halbleiter anreisen wollte, deren Zufuhr China kontrolliert.
Es ist diese unerträgliche Dissonanz, die Chinas Führung zur Weißglut treiben muss. Man lässt sich nicht von jemandem, der wirtschaftlich am Tropf hängt, respektlos behandeln und in seinen innersten Angelegenheiten belehren. Die Chinesen, so heißt es, drangsalieren niemanden grundlos. Aber sie lassen sich auch nicht alles bieten. Irgendwann wehren sie sich. Die Absage der Reise des Außenministers war die erste, sanfte Form dieser Gegenwehr.
Die absurde Demarche: Protest aus dem Kriegsgebiet
Wenn man dachte, die Causa des Außenministers sei der Gipfel der Inkompetenz, wurde man von Wirtschaftsministerin Katharina Reiche eines Besseren belehrt. Ihr Auftritt in Kiew setzt dem diplomatischen Dilettantismus die Krone auf.
Man muss sich diese Szene auf der Zunge zergehen lassen: Die deutsche Wirtschaftsministerin steht in der ukrainischen Hauptstadt – einem Land, das selbst massiv um seine Energieversorgung bangt – und sichert den Ukrainern allen Ernstes zu, “sie mit unserem Gas durch den Winter zu bringen”. Das ist dasselbe Gas, das in Deutschland selbst so knapp ist, dass schon eine durchschnittliche Wintertemperatur von nur zwei Grad unter dem Normalwert ausreicht, um die Versorgungssicherheit zu gefährden. Eine solche Zusage ist im besten Fall blauäugig, im schlimmsten Fall eine glatte Lüge gegenüber den Ukrainern und der eigenen Bevölkerung.
Doch damit nicht genug. Von Kiew aus verkündet Reiche, sie habe eine “Demarche” an den chinesischen Handelsminister gesandt. Eine Demarche, das ist im diplomatischen Sprachgebrauch eine offizielle Protestnote, mit der man einem Anliegen Nachdruck verleiht. Und was ist das Anliegen? Sie hoffe auf “eine rasche Deeskalation und die Wiederaufnahme der Chipexporte”. Sie fordert China also ultimativ auf, die Liefereinschränkungen zu beenden, die “die deutsche Wirtschaft massiv belasten”.
Die Absurdität ist kaum zu überbieten. Während der eine Minister China wegen Taiwan provoziert, steht die andere Ministerin Tausende Kilometer entfernt und bettelt um Chips. Man droht mit dem moralischen Zeigefinger und hält gleichzeitig die leere Reisschüssel hin. Es ist ein Akt, der in Peking nicht als Stärke, sondern nur als panische Schwäche und kopflose Inkohärenz wahrgenommen werden kann. Man kann sich fast vorstellen, wie die chinesische Führung diese Demarche mit einem amüsierten Lächeln zur Kenntnis nimmt, bevor sie im Papierkorb landet.
Der Kern der Katastrophe: Das “Chip-Armageddon” und seine Ursachen
Im Zentrum dieser außenpolitischen Farce steht eine handfeste ökonomische Katastrophe. Ein “globales Black Swan Event”, wie ein Kommentator es nannte. Es geht um die niederländische Firma Nexperia, einen der weltweit wichtigsten Chiphersteller. Auf massiven Druck der USA hin, so die Darstellung, habe die niederländische Regierung diesen Konzern faktisch “enteignet”.
Die Reaktion Chinas, wo Nexperia entscheidende Tochterfirmen betreibt, ließ nicht lange auf sich warten. Die chinesischen Tochtergesellschaften, die nun de facto von ihrer niederländischen Mutter getrennt sind, verweigern den Gehorsam und haben die Exporte gestoppt. Als chinesischer Akteur würde man wohl ähnlich “ultra aggressiv” reagieren, wenn der eigene Staat einem das Geschäft wegnimmt. Peking zeigt nun, “wo der Hammer hängt” – und der Hammer hängt über der deutschen Automobilindustrie.

Diese Krise ist jedoch nicht nur ein Produkt geopolitischer Spannungen. Sie ist auch ein hausgemachtes deutsches Problem. Die deutsche Industrie, allen voran Giganten wie VW, hat die Kardinalregel der Betriebswirtschaft gebrochen: Lege niemals alle Eier in einen Korb. Man hat sich in eine fatale Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten und einer einzigen Region begeben.
Kritiker werfen den Konzernzentralen vor, dass dort offenbar “nicht die besten BWL-Absolventen” gerechnet haben. Anstatt Lieferketten zu diversifizieren, vielleicht sogar Cent-Artikel an verschiedenen Orten der Welt parallel fertigen zu lassen, hat man sich blind auf das “Just-in-Time”-Prinzip und die billigsten Anbieter verlassen. Ein ähnliches Desaster, so wird erinnert, erlebte Mercedes, als ein weltweit führender Hersteller von Kofferraumschlössern Insolvenz anmelden musste – weil die großen Hersteller die Zulieferer bis aufs Blut ausbluten ließen.
Dieses System der maximalen Effizienz und minimalen Redundanz bricht nun wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Es ist das “beste Deutschland aller Zeiten”, wie es uns die Politik täglich einredet, das nun mit der bitteren Realität seiner eigenen strategischen Kurzsichtigkeit konfrontiert wird.
Deutschlands Platz in einer Welt im Umbruch
Während Berlin sich in einem moralisch-diplomatischen Chaos verheddert, sortiert sich die Welt neu. Die Amerikaner, die Deutschland in diese Konfrontation gedrängt haben, reden längst wieder mit den Chinesen. Aber sie reden über ihre Probleme: über Fentanyl-Exporte, Zölle und den Verkauf von Sojabohnen. Die deutsche Chip-Krise interessiert in Washington niemanden.
Deutschland steht im Regen. Es hat sich als willfähriger Partner der USA angedient und zahlt nun den Preis für eine Konfrontation, die nicht seine eigene ist. Die Bundesregierung hat es geschafft, sich innerhalb kürzester Zeit mit einer der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt anzulegen, ohne einen Plan B zu haben.
Die aktuelle Situation ist ein Weckruf. Die deutsche Politik muss aufwachen und die Realitäten einer multipolaren Welt anerkennen. Eine Außenpolitik, die glaubt, sie könne Arroganz mit Abhängigkeit kombinieren, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn Berlin nicht schleunigst einen Weg findet, um mit Respekt, Pragmatismus und einem klaren Blick für die eigenen Interessen mit Mächten wie China zu verhandeln, steht weit mehr auf dem Spiel als nur eine abgesagte Ministerreise. Es steht der Wohlstand einer ganzen Nation auf dem Spiel.