Es sollte ein symbolträchtiger Besuch werden, ein Zeichen der Annäherung, vielleicht sogar ein Hauch von Versöhnung. Bundeskanzler Friedrich Merz, nach vielen Monaten seiner Amtszeit, beehrt Dresden mit seinem Antrittsbesuch in der Staatskanzlei. Doch was ihn in der sächsischen Hauptstadt erwartet, ist weit entfernt von protokollarischer Freundlichkeit. Es ist ein Spießrutenlauf. Es ist ein eisiger Wind der Verachtung, der ihm ins Gesicht bläst.
Noch bevor der Kanzler überhaupt ein Gebäude betreten kann, hallen ihm die Rufe entgegen: “Shame on you, CDU! Schämen Sie sich!”
Was sich an diesem Tag in Dresden offenbart, ist kein gewöhnlicher politischer Protest. Es ist kein ritualisiertes Geplänkel zwischen Regierung und Opposition. Es ist etwas Tieferes. Es ist der unüberhörbare Klang einer tiefen Kluft, eines fundamentalen Bruchs zwischen der politischen Elite in Berlin und einem erheblichen Teil der Bevölkerung, der sich nicht nur unverstanden, sondern verraten fühlt. Die Stimmen auf der Straße sind nicht diplomatisch. Sie sind roh, sie sind wütend, und sie sind brutal ehrlich.

Die “Stadtbild”-Debatte: Wenn abstrakte Politik auf nackte Angst trifft
Eines der zentralen Themen, das die Gemüter erhitzt, ist die von Merz selbst angestoßene Debatte um das “Stadtbild”. In Berlin mag dies wie ein strategischer Begriff klingen, ein Versuch, ein diffuses Problem zu benennen. In Dresden, auf der Straße, ist es das Codewort für eine alltägliche, greifbare Angst.
“Ich bin aus Deutschland weg. Genau aus diesem Grund”, schleudert eine sichtlich aufgewühlte Frau dem Reporter entgegen. Sie ist nur zu Besuch, lebt nicht mehr hier. Der Grund? Die Sicherheit. “Alleine in Großstädte reinzugehen als Frau ist ja relativ unsicher geworden. So nachts irgendwo hinzugehen alleine, hast du gar nicht die Möglichkeit.” Sie zieht einen schockierenden Vergleich: “Egal ob ich ins Ausland, ob das jetzt Türkei ist, Dubai, Malta… da kannst du als Frau alleine rausgehen und das ist einfach sicher. Und das kann dir der Kanzler hier nicht mehr garantieren.”
Diese Aussage sitzt. Ein Kanzler, der die elementarste Aufgabe des Staates – die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten – nicht mehr erfüllen kann. Es ist ein vernichtendes Urteil.
Eine andere Frau, aus Risa, pflichtet ihr bei: “Eine Frau traut sich alleine nicht mehr in der Stadt.” Sie beschreibt, wie sich Menschen abends nicht mehr auf zentrale Plätze trauen. Die Gründe werden klar benannt: “Wir haben zu viel Ausländer.”
Es geht nicht um abstrakte Zahlen. Es geht um konkrete Wahrnehmungen. Bürger klagen, dass in Städten wie Hamburg oder Berlin “an wirklich jede Ecke die Leute rumhängen” und man “mit Angst durch die Gegend gehen muss.” Es ist das Gefühl, dass sich die Regeln verschoben haben. “Manche meinen, sie müssen so auftreten, wie sie daheim auftreten, obwohl sie hier eigentlich Gäste sind.”
Und hier prallt die Realität der Bürger frontal auf ihre Wahrnehmung der Politik. Sie trauen Kanzler Merz nicht zu, dieses Problem zu lösen. Im Gegenteil. “Glauben Sie nicht, dass er was zur Verbesserung des Stadtbildes beiträgt? Mehr Abschiebung durchführt?”, fragt der Reporter. Die Antwort kommt prompt und zynisch: “Nee, gar nicht.” Eine andere Bürgerin wird noch deutlicher: “Die schieben ab und bringen neue rein… Sollen sie alle rausschiffen, die nicht arbeiten gehen hier.” Das Vertrauen ist auf dem Nullpunkt.

Der Kanzler der Widersprüche: “Heute so, morgen so”
Friedrich Merz selbst steht im Zentrum der Kritik. Er wird nicht als Problemlöser gesehen, sondern als Teil des Problems. Als Wendehals. “Wie finden Sie die Politik von Herrn Merz?”, wird ein Mann gefragt. “Ach, widersprüchlich. Heute so, morgen so. Wie die Fahne weht.”
Genau diese wahrgenommene Unbeständigkeit zerstört jede Glaubwürdigkeit. Er mag das Problem “Stadtbild” ansprechen, doch die Bürger glauben ihm nicht. “Jetzt muss er was sagen”, meint ein Passant, “aber übermorgen macht das wieder anders.”
Das härteste Urteil fällt eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt: “Weil er nur ein Lügner ist und weil er für Deutschland gar nichts tut.”
Dieses Gefühl, dass die Regierung “für Deutschland gar nichts tut”, zieht sich wie ein roter Faden durch die Gespräche. Es ist die Wahrnehmung einer Politik, die sich von den Sorgen der eigenen Bevölkerung entkoppelt hat. Und diese Entkopplung hat einen Preis – einen sehr konkreten.
Geplünderte Kassen: “Der Sozialstaat wird für Ausländer geplündert”
Die Wut über die gefühlte Unsicherheit vermischt sich nahtlos mit der Wut über die Verteilung von Geldern. Es ist eine explosive Mischung. Ein Mann hält ein Schild hoch: “Der ganze Sozialstaat wird geplündert für die Ausländer.” Es ist kein Einzelfall. Dieselbe Anklage kommt von einer anderen Bürgerin: “Der ganze Sozialstaat wird geplündert für die Ausländer. Die haben nicht eine müde Mark reingezah’ und haben noch die große Fresse.”
Diese Worte sind hart. Sie sind das Ventil für eine tief sitzende Frustration. Die Bürger sehen einen Mangel an allen Ecken und Enden: “für die einheimische Bevölkerung ist kein Geld da.” Sie blicken auf “Schulen”, “die alten Leute”, auf eine marode “Infrastruktur” und “Soziale Dienste”.
Gleichzeitig, so die Wahrnehmung, wird das Geld mit vollen Händen an anderer Stelle ausgegeben. Für Migranten. Aber auch für das Ausland. “Er schafft das ganze Geld ins Ausland, und wir gucken hier in die Röhre”, klagt eine Frau. Es ist das Gefühl, im eigenen Haus an letzter Stelle zu stehen. Ein Bürger kritisiert Lohnerhöhungen (vermutlich für Politiker), während “dem Volk nichts rausgerückt” wird. Der soziale Frieden, der Gesellschaftsvertrag – hier in Dresden liegt er in Scherben.
Die Angst vor dem Krieg: “Treibt Merz uns nach Russland?”
Als wäre die innenpolitische Lage nicht schon angespannt genug, mischt sich eine weitere, existenzielle Angst in die Gespräche: die Angst vor einem großen Krieg.
“Die ganze Politik jetzt auf Kriegsfuß steht. Weil sie Krieg wollen”, sagt ein Mann mit besorgter Miene. “So kommt einem das vor. Die ganze Propaganda richtet sich Richtung Krieg.” Er sieht eine gefährliche Aufrüstungsspirale.
Die Angst hat einen klaren Adressaten. Der Reporter fragt direkt: “Was denken Sie, könnte es mit den Herrn Merz in Krieg mit Russland geben?” Die Antwort ist ein Schlag in die Magengrube: “Ja, kann ich mir sehr gut vorstellen.”
Diese Furcht vor einer Eskalation, die von der Berliner Politik betrieben wird, zeigt, wie fundamental das Misstrauen ist. Es geht nicht mehr nur um Geld oder Sicherheit, es geht um Krieg und Frieden. Und die Bürger trauen ihrem Kanzler zu, sie in den Krieg zu führen.
Das AfD-Dilemma: “Die Brandmauer ist das Schlimmste, was es gibt”
Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte eine so tiefe Kluft entstehen? Fragt man die Menschen in Dresden, gibt es eine klare Antwort: die Arroganz der Macht, manifestiert in der “Brandmauer” gegen die AfD.
Die Ablehnung dieser politischen Strategie ist total. “Was halten Sie von der Brandmauer? Nur gar nichts. Das ist das Schlimmste, was es gibt”, urteilt eine Bürgerin. Eine andere nennt es “politisch Schwachsinn”.
Der Vorwurf lautet nicht nur Ignoranz, sondern Heuchelei. Die Bürger sehen sehr wohl, dass Merz versucht, AfD-Themen zu besetzen. “Er hat ja vieles schon übernommen von der AfD, aber das gibt er ja nicht zu”, analysiert eine Frau scharf. Warum tut er es nicht? “Er hat Angst um seinen Platz. Und nicht nur er, sondern die ganze Regierung. Die haben Angst um ihre Position.”
Es ist die Weigerung, mit einer demokratisch gewählten Partei zu sprechen, die die Menschen als “Unterdrückung” empfinden. “Jeder muss mit jedem reden können”, lautet die einfache Forderung. “Man muss zusammenarbeiten, wenn es vernünftige Argumente sind.”

Weil die etablierten Parteien genau das verweigern, treiben sie die Wähler sehenden Auges in eine Richtung. Gibt es überhaupt noch eine wählbare Partei? Eine Frau zögert, sagt dann leise: “Es gibt eine Partei, aber das will ich jetzt nicht so offen sagen.” Eine andere ist direkter: “AfD. Bloß die AfD.”
Kanzler Friedrich Merz kam nach Dresden, um Präsenz zu zeigen. Was er erntete, war ein Sturm der Wut. Die Botschaft aus Sachsen ist unmissverständlich: Die Menschen fühlen sich in ihrer Sicherheit bedroht, finanziell verraten, politisch ignoriert und in einen Krieg getrieben, den sie nicht wollen.
Die Rufe “Shame on you, CDU” waren mehr als nur ein Slogan. Sie waren ein Urteil. Ein Urteil von der Straße, das in Berlin kaum lauter hätte ausfallen können. Die Kluft zwischen der Hauptstadt und der Realität der Menschen in Sachsen scheint tiefer denn je.