Eklat im Bundestag: AfD-Abgeordneter Kneller konfrontiert Parlamentarier mit gewaltverherrlichendem TikTok-Video – Debatte um Antifa eskaliert

Berlin – Es sind Momente, in denen die Luft im Plenarsaal des Deutschen Bundestages förmlich knistert. Momente, in denen die ohnehin schon tiefen Gräben zwischen den Fraktionen unüberwindbar scheinen. Ein solcher Moment ereignete sich am 16. Oktober 2025. Auf der Tagesordnung stand ein Thema, das ideologisch kaum aufgeladener sein könnte: ein Antrag der AfD-Fraktion, der auf ein Verbot der sogenannten “Antifa” abzielt. Schon zu Beginn der Debatte war die Stimmung aufgeheizt. Zwischenrufe wie “Antifaschismus gehört in die Verfassung!” und “Nie wieder Faschismus!” hallten durch den Saal. Doch was dann geschah, sprengte den Rahmen einer üblichen politischen Auseinandersetzung.

Der AfD-Abgeordnete Maximilian Kneller trat ans Rednerpult. Kneller, Jahrgang 1993, gilt als einer der provokanteren Köpfe seiner Fraktion, ein Mann, der bereits in der Vergangenheit mit kontroversen Äußerungen für Aufsehen sorgte. Doch an diesem Tag ging es nicht um seine eigene Ideologie, sondern um die eines politischen Gegners, den er direkt adressierte. Seine Anklage: Ein namentlich nicht genannter Abgeordneter – Kneller sprach ihn direkt mit “Sie” an – habe nur wenige Meter vom Reichstagsgebäude entfernt ein TikTok-Video gedreht und dort aus einem Lied mit erschreckend gewalttätigem Inhalt zitiert.

Was folgte, war ein Zitat, das viele im Saal sichtlich schockierte und das die Debatte um Linksextremismus auf eine neue, beunruhigende Ebene hob.

Die Anatomie einer Eskalation

“Ich möchte gerne mal zitieren, was Sie da so vom Stapel gelassen haben”, begann Kneller seine Ausführungen, seine Stimme scharf und anklagend. Er warf dem Parlamentarier vor, die folgenden Zeilen “entschieden und mit kämpferischem Schmackes” nachgesungen zu haben.

Die Zeilen, die Kneller verlas, sind ein Sittenbild roher Gewalt und extremistischer Ideologie:

“Aus einer Gorbatschow wird eine Molotov, aus dem Bullenauto ein Haufen Schrott.”

Hier wird die Symbolik klar: Die Zeit der friedlichen Reform (Gorbatschow) sei vorbei, jetzt beginne die Zeit der Gewalt (Molotowcocktail). Die Zerstörung von Polizeifahrzeugen wird als legitimes Ziel proklamiert.

Doch es ging weiter: “Bullenschweine raus aus unserer Gegend, hier herrscht Anarchie, spuck auf eure Regeln. Schirme hoch gegen Tränengase, riechest du den Dampf der Pyrotechnik? Nieder mit euren Führungsketten!”

Dies ist die offene Kampfansage an die Staatsgewalt. Die Polizei wird entmenschlicht und als “Bullenschweine” diffamiert. Es ist die Ästhetik des “Schwarzen Blocks”, die hier beschworen wird – die Bereitschaft zur militanten Konfrontation mit Tränengas und Pyrotechnik.

Die zitierten Zeilen steigerten sich in eine offene Verherrlichung totalitärer und extremistischer Ikonen: “Da Flex kommt wie Mao und Stalin, chill im schwarzen Block nicht in Sansibar.”

Die Nennung von Mao und Stalin, zwei der größten Massenmörder des 20. Jahrhunderts, als positive Bezugspunkte, ließ selbst erfahrene Parlamentarier zusammenzucken. Es ist eine offene Absage an die freiheitlich-demokratische Grundordnung und eine Hinwendung zu totalitären Ideologien.

Kneller beendete sein Zitat mit den vielleicht schockierendsten Zeilen: “Jedes Bullenschwein ist eine Missgeburt. Hauen im rechten aufs Maul auf die linke Tour. Molotovs als Antwort auf Tränengase. Fickt die USA, fickt die Emirate. Steine fliegen, Helme krachen, Barrikaden, Straßenschlachten. Wir tanzen im Nebel der Repression. One solution: Revolution.”

Der Vorwurf: Ein Volksvertreter als Revolutions-Rapper?

Der Kern von Knellers Anklage war nicht nur das Zitat selbst, sondern der Umstand, dass ein “deutscher Volksvertreter”, so Kneller, diese Inhalte verbreite. Ein Mann, der über dem Eingang des Hauses den Eid “Dem deutschen Volke” geschworen hat.

“Finden Sie es angemessen als deutscher Volksvertreter so aufzutreten, solche widerliche Polizeigewalt zu befürworten und sich dann hier hinzustellen und so zu tun, als wären wir das Problem?”, rief Kneller in den Saal. Die rhetorische Wucht seiner Frage war unüberhörbar. Er verband die angebliche TikTok-Performance direkt mit der laufenden Debatte über “Antifa-Verbote” und implizierte, dass genau jene Kräfte, die sich gegen ein solches Verbot stemmen, in Wahrheit selbst von dieser Gewalt fasziniert seien.

Die Rede gipfelte in der ultimativen politischen Forderung: “Da frage ich Sie: Ist das angemessen oder sollten Sie nicht Ihr Mandat zurückgeben?”

Die Rede, kaum länger als anderthalb Minuten, schlug ein wie eine Bombe. Sie wirft ein grelles Licht auf mehrere besorgniserregende Entwicklungen in der politischen Kultur Deutschlands.

Die Strategie hinter dem Eklat

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Vorwurfs – und das muss betont werden, da Kneller keinen Beweis in Form des Videos selbst lieferte, sondern lediglich daraus zitierte – ist die strategische Dimension dieses Angriffs offensichtlich.

Die AfD versucht seit langem, eine politische Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus zu etablieren. Die Debatte um ein “Antifa-Verbot” ist ein zentraler Baustein dieser Strategie. Kritiker werfen der AfD vor, den legitimen und historisch notwendigen Antifaschismus mit gewalttätigen, linksextremen Akteuren gleichzusetzen, um den Kampf gegen Rechtsextremismus zu delegitimieren.

Knellers Rede ist der Versuch, diesen Kritikern den Spiegel vorzuhalten. Indem er einen (mutmaßlich linken oder grünen) Abgeordneten direkt mit derart expliziten Gewaltaufrufen in Verbindung bringt, schafft er ein Narrativ, das lautet: “Ihr predigt Antifaschismus, aber meint Straßenterror.” Er nutzt die Provokation, um die Gegenseite zu entlarven und ihre moralische Integrität fundamental infrage zu stellen.

Das gewählte Medium, TikTok, ist dabei kein Zufall. Die Plattform wird zunehmend von Politikern genutzt, um eine junge Wählerschaft zu erreichen. Gleichzeitig ist sie ein Ort der schnellen, oft unreflektierten Inszenierung. Der Vorwurf, ein Abgeordneter würde dort “kämpferisch” Lieder mit solchem Inhalt singen, zielt darauf ab, ihn als unreifen, gefährlichen Ideologen darzustellen, der die digitale Bühne für extremistische Propaganda missbraucht.

Die gefährliche Entmenschlichung der Polizei

Im Zentrum der zitierten Texte steht eine tiefe, hasserfüllte Verachtung für die Polizei. Begriffe wie “Bullenschwein” und “Missgeburt” sind keine bloßen Beleidigungen; sie sind Werkzeuge der Entmenschlichung. Sie sollen die Hemmschwelle für Gewalt senken, indem sie den Beamten als legitimes Ziel, als Ungeziefer, darstellen.

Wenn ein Volksvertreter solche Inhalte auch nur passiv verbreitet oder gar aktiv performt, stellt dies einen massiven Angriff auf das staatliche Gewaltmonopol und auf jene Menschen dar, die täglich ihren Kopf für die Sicherheit der Gesellschaft hinhalten. Es ist eine Verhöhnung der tausenden Polizistinnen und Polizisten, die bei Demonstrationen, wie sie in den Texten verherrlicht werden, verletzt werden.

Die Zeilen “Steine fliegen, Helme krachen, Barrikaden, Straßenschlachten” sind keine abstrakte Poesie. Es ist die realistische Beschreibung von Szenarien, wie sie Deutschland in Hamburg beim G20-Gipfel oder regelmäßig am 1. Mai in Berlin erlebt hat. Es ist die Romantisierung von Kriminalität und schwerem Landfriedensbruch.

Ein Parlament am Rande des Nervenzusammenbruchs

Der Eklat vom 16. Oktober ist mehr als nur eine hitzige Rede. Er ist ein Symptom für die Verrohung der politischen Debatte. Die Konfrontation wird schärfer, die Vorwürfe persönlicher und die ideologischen Gräben tiefer.

Knellers Rede hinterlässt eine Reihe von bohrenden Fragen, die nun im Raum stehen. Die wichtigste: Wer war der adressierte Abgeordnete, und was ist dran an dem Vorwurf? Bisher gibt es keine öffentliche Bestätigung oder ein Dementi. Hat der AfD-Abgeordnete bewusst eine Falschinformation gestreut, um einen Skandal zu provozieren? Oder gibt es dieses schockierende Video tatsächlich?

Sollte der Vorwurf zutreffen, stünde die betreffende Fraktion vor einem unlösbaren Problem. Ein Abgeordneter, der zur Revolution aufruft und die Ermordung von Polizisten (nichts anderes bedeutet “Molotov” auf ein “Bullenauto”) besingt, wäre untragbar. Es wäre ein Offenbarungseid für jene, die stets betonen, ihr Antifaschismus sei friedlich.

Sollte der Vorwurf jedoch erfunden sein, wäre es eine perfide Verleumdung und ein weiterer Beweis dafür, dass im politischen Kampf jedes Mittel recht ist – selbst die Unterstellung von Terror-Sympathien.

So oder so hat dieser kurze Moment im Bundestag tiefen Schaden angerichtet. Er hat das Misstrauen zwischen den Fraktionen weiter genährt und die Debatte über Extremismus vergiftet. Was bleibt, ist der widerliche Nachgeschmack von Worten, die Gewalt verherrlichen, und die beunruhigende Erkenntnis, dass solche Worte ihren Weg bis ins Herz der deutschen Demokratie gefunden haben – sei es als Zitat oder, noch schlimmer, als Überzeugung eines Volksvertreters.

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