Eklat um Steinmeier-Rede: AfD prüft Präsidentenanklage nach „Amtsmissbrauch“ – Droht dem Schloss Bellevue der juristische Ernstfall?

Berlin – Es sind Töne, die in der bundesrepublikanischen Geschichte selten so schrill und unversöhnlich klangen. Zwischen der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag, der Alternative für Deutschland (AfD), und dem höchsten Mann im Staate, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ist ein offener Konflikt entbrannt, der weit über das übliche politische Geplänkel hinausgeht. Auslöser ist eine Rede des Bundespräsidenten zum Gedenktag am 9. November, die von der AfD nicht als mahnende Erinnerung, sondern als direkter politischer Angriff gewertet wird. Der Vorwurf wiegt schwer: Amtsmissbrauch. Und im Raum steht eine Drohung, die in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie Realität wurde: Eine Anklage des Bundespräsidenten vor dem Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 61 des Grundgesetzes.

Der Stein des Anstoßes: Der 9. November

Es sollte ein Tag des Innehaltens sein. Der 9. November, Schicksalstag der Deutschen, steht wie kein anderer für die Abgründe und Höhen der deutschen Geschichte – von der Reichspogromnacht 1938 bis zum Mauerfall 1989. Doch in seiner diesjährigen Ansprache wählte Frank-Walter Steinmeier Worte, die bei der AfD für Schnappatmung sorgten. Er warnte eindringlich vor „rechtsextremen Kräften“, die die Demokratie von innen aushöhlen wollten, und mahnte, man müsse handeln. Zwar nannte er die Partei nicht explizit beim Namen, doch die Adressaten fühlten sich sofort angesprochen.

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Für Bernd Baumann, den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion, ist die rote Linie damit überschritten. „Nie hat ein Bundespräsident sein Amt so missbraucht“, wetterte Baumann. Die Kritik: Ein Bundespräsident habe überparteilich zu sein und als „pouvoir neutre“ zu fungieren, der das Land eint, statt es in „Gute“ und „Schlechte“ zu spalten. Steinmeiers Appell, keine Zusammenarbeit mit diesen Kräften einzugehen, interpretiert die AfD als direkten Aufruf zur Ausgrenzung von Millionen Wählern und als Einmischung in den politischen Wettbewerb, die einem Staatsoberhaupt nicht zustehe.

Die nukleare Option: Artikel 61

Doch die Empörung bleibt nicht bei Pressemitteilungen stehen. In den Fluren des Bundestages und in den sozialen Netzwerken kursiert ein Szenario, das bisher als theoretisches Gedankenspiel für Jurastudenten galt: Die Präsidentenanklage. Artikel 61 des Grundgesetzes erlaubt es dem Bundestag oder dem Bundesrat, den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anzuklagen.

Die AfD argumentiert, Steinmeier verletze durch seine einseitige Positionierung seine verfassungsmäßige Pflicht zur Neutralität und greife in die Chancengleichheit der Parteien ein. Juristisch ist das dünnes Eis, doch politisch birgt die Diskussion Sprengkraft. Denn die Hürden für eine solche Anklage sind zwar hoch, aber nicht unerreichbar.

Für den Antrag auf Erhebung der Anklage bedarf es der Unterstützung von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem Viertel der Stimmen des Bundesrates. Eine Marke, die die AfD bei der letzten Wahl im Februar 2025 fast erreicht hätte. „Es fehlen nur wenige Sitze“, analysieren Beobachter die Situation. Dass die Partei so nah an dieser Sperrminorität kratzt, zeigt, wie sehr sich die politischen Gewichte in Deutschland verschoben haben. Hätte die AfD die 25-Prozent-Marke geknackt, könnte sie diesen Prozess theoretisch im Alleingang in Gang setzen – ein Vorgang, der das politische System der Bundesrepublik in eine tiefe Krise stürzen würde.

Weidel bleibt gelassen, aber angriffslustig

Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, flankierte die Angriffe ihres Geschäftsführers mit scharfer Kritik an der Person Steinmeiers. Gegenüber „Table Media“ bezeichnete sie dessen Rede als „parteipolitisch motiviert“. Steinmeier agiere nicht als Präsident aller Deutschen, sondern als verlängerter Arm seiner SPD.

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Gleichzeitig gibt sich Weidel betont gelassen, was die drohenden Verbotsverfahren angeht, die Steinmeier indirekt befürwortet haben soll. Sollte ein solcher Antrag tatsächlich kommen, werde das Bundesverfassungsgericht ihn „kassieren“, so Weidels Prognose. Sie verweist auf die fehlende Substanz der Vorwürfe und die Wahlerfolge ihrer Partei. Die Strategie ist klar: Man inszeniert sich als Opfer eines etablierten Parteienkartells, das nun sogar das höchste Staatsamt missbraucht, um den unliebsamen Konkurrenten klein zu halten.

Der Fall Ludwigshafen als Brennglas

Wie sehr die Nerven blank liegen, zeigt auch der Verweis auf den Fall Joachim Paul in Ludwigshafen. Der AfD-Kandidat wurde dort von der Oberbürgermeisterwahl ausgeschlossen – offiziell wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue. Steinmeier hatte solche Ausschlüsse in seiner Rede als Ausdruck einer „wehrhaften Demokratie“ verteidigt. Für die AfD ist das der Beweis, dass hier mit gezinkten Karten gespielt wird. „Wählen bedeutet Auswählen“, so das Credo der Partei. Wenn dem Bürger die Wahlmöglichkeit genommen werde, sei das keine Demokratie mehr.

Dass Joachim Paul, der in Rheinland-Pfalz kein Unbekannter ist und bereits juristisch gegen seinen Ausschluss vorging (wenn auch erfolglos vor dem OVG Rheinland-Pfalz), nun als Kronzeuge für die These der „unterdrückten Opposition“ dient, passt ins Bild. Die AfD nutzt jeden dieser Fälle, um ihr Narrativ zu stärken: Wir gegen das System.

Fazit: Ein gefährliches Spiel

Ob es tatsächlich zu einem Antrag nach Artikel 61 kommt, ist fraglich. Für die eigentliche Anklageerhebung wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig – diese ist für die AfD völlig illusorisch. Doch allein die Tatsache, dass ernsthaft darüber diskutiert wird, den Bundespräsidenten anzuklagen, zeigt, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen den politischen Lagern ist.

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Die AfD nutzt die Debatte geschickt, um ihre Anhängerschaft zu mobilisieren und die Institutionen des Staates zu delegitimieren. Steinmeier wiederum muss sich die Frage gefallen lassen, ob seine mahnenden Worte die gewünschte Wirkung erzielen oder ob sie die Gräben nur noch tiefer aufreißen. In einem Jahr, in dem politische Tabus reihenweise fallen, scheint auch die Unantastbarkeit des Bundespräsidenten nicht mehr garantiert. Es bleibt abzuwarten, ob aus dem verbalen Schlagabtausch ein juristisches Nachspiel wird – oder ob es beim politischen Säbelrasseln bleibt. Eines ist sicher: Ruhig wird es im Schloss Bellevue in den kommenden Monaten nicht.

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