Fall Rebecca Reusch: Die Wende – Polizei gräbt Omas Grundstück um, Schwager im Zentrum des schrecklichen Verdachts

Es ist ein stiller Oktobertag im Jahr 2025, der die Hoffnungslosigkeit von mehr als sechs Jahren mit einem Schlag durchbricht. In Tauche, einem verschlafenen Ortsteil namens Lindenberg im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree, südöstlich von Berlin, herrscht plötzlich Ausnahmezustand. Die Stille wird zerrissen vom Dröhnen schwerer Maschinen, von Kommandos und dem Bellen von Hunden. Es ist ein Bild, das Deutschland seit Februar 2019 herbeigesehnt und zugleich gefürchtet hat: Die Polizei rückt mit einem Großaufgebot an und beginnt zu graben. Diesmal ist es kein anonymer Waldweg. Diesmal ist es persönlich. Sie graben auf dem Grundstück der 72-jährigen Großmutter von Florian R. – dem Schwager der vermissten Rebecca Reusch.

Der Fall, der Deutschland über Jahre in Atem hielt und zu einem der quälendsten Kriminalrätsel der Nachkriegsgeschichte wurde, ist mit voller Wucht zurück. Und die Details, die die Berliner Staatsanwaltschaft an diesem Tag nennt, lassen das Blut in den Adern gefrieren. Es geht nicht mehr nur um vage Indizien. Es geht um einen konkreten Ort und einen konkreten Verdacht: Florian R. soll die Leiche der damals 15-jährigen Rebecca sowie ihre persönlichen Gegenstände auf dieses Grundstück gebracht haben, zumindest vorübergehend.

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Mehr als 100 Einsatzkräfte sind vor Ort. Dies ist keine Routinemaßnahme, dies ist ein massiver Schlag der Ermittler. Sie setzen alles ein, was die moderne Kriminaltechnik zu bieten hat: Bagger, um die Erde großflächig abzutragen, Drohnen, die das Areal aus der Luft überwachen, Leichenspürhunde, die auf den kleinsten Geruch von Verwesung trainiert sind, und Bodenradar, um Anomalien tief unter der Erdoberfläche sichtbar zu machen. Die Botschaft ist unmissverständlich: Sie suchen nicht mehr nur, sie erwarten, etwas zu finden.

Die drängendste Frage, die seit Stunden über dem Geschehen schwebt: Warum jetzt? Warum nach sechseinhalb Jahren?

Die Antwort der Staatsanwaltschaft ist ebenso knapp wie brisant: “Die Ermittlungen haben neue Erkenntnisse ans Tageslicht getragen, denen jetzt nachgegangen wird.” Und dann folgt der entscheidende Satz: Das Grundstück wurde “ursprünglich nicht durchsucht”. Eine Lücke in den Ermittlungen, die nun, im Herbst 2025, mit maximalem Aufwand geschlossen wird. Man drehe “buchstäblich jeden Stein um”, um Hinweise auf den Verbleib von Rebecca zu finden.

Dieser neue, “heiße” Spur führt direkt zurück zu dem Mann, der seit dem ersten Tag im Fadenkreuz der Ermittler steht: Florian R., der heute 33-jährige Schwager. Er ist weiterhin der einzige Beschuldigte in diesem Fall. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigt gegenüber der Presse, was seit 2019 die unumstößliche Theorie der Mordkommission ist: “Im Rahmen der Ermittlung gab es diverse Hinweise darauf, dass er eigentlich als einziger Tatverdächtiger in Betracht kommt.”

Trotz dieser erdrückenden Verdachtslage befindet sich Florian R. auf freiem Fuß. Der Staatsanwalt erklärt die juristische Zwickmühle: “Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlung ist der dringende Tatverdacht nicht gegeben, was Voraussetzung dafür wäre, einen Haftbefehl zum Beispiel zu erlassen.” Ein “dringender Tatverdacht” – das ist die höchste Stufe vor einer Anklage. Bislang reichten die Indizien dafür nicht aus. Doch der Sprecher fügt einen Satz hinzu, der die Dynamik dieses Tages einfängt: “Dennoch, die Ermittlungen dienen natürlich dem Ergebnis, Beweismittel ans Tageslicht zu trägen, und das ist natürlich ein sehr dynamisches Geschehen, was sich jederzeit ändern kann.”

Die Botschaft zwischen den Zeilen: Sollten die Bagger in Tauche fündig werden, könnten die Handschellen noch am selben Tag klicken.

Um die Wucht dieser neuen Entwicklung zu verstehen, muss man die Chronologie des Albtraums rekonstruieren. Es ist der 18. Februar 2019, als die 15-jährige Rebecca Reusch aus dem Haus ihrer älteren Schwester Jessica und ihres Schwagers Florian R. in Berlin-Neukölln spurlos verschwindet. Sie hatte dort übernachtet. Florian R. ist der letzte, der sie gesehen haben will. Er bringt sich mit widersprüchlichen Aussagen schnell selbst in Bedrängnis.

Das entscheidende Indiz, das ihn bis heute belastet, ist sein himbeerroter Renault Twingo. Das automatische Kennzeichenerfassungssystem KESY registriert das Fahrzeug am Tag von Rebeccas Verschwinden und am Tag danach auf der Autobahn A12 in Richtung Brandenburg. Es sind jene zwei Fahrten, die für die Ermittler nur einen Schluss zulassen: Florian R. hat die Leiche des Mädchens aus Berlin weggeschafft und in den weitläufigen Wäldern Brandenburgs versteckt.

Wochenlang suchten Hundertschaften damals die Waldgebiete um Storkow ab – vergeblich. Es wurde nichts gefunden. Kein Rucksack, keine Kleidung, keine Leiche. Der Fall wurde kalt. Florian R. schwieg, seine Frau, Rebeccas Schwester, hielt zu ihm.

Jetzt, sechseinhalb Jahre später, eröffnet die Razzia in Tauche eine völlig neue, schreckliche Theorie. Tauche liegt ebenfalls in Brandenburg, nicht weit von der A12 entfernt. Die Ermittler scheinen nun davon auszugehen, dass die Suche in den Wäldern damals vergeblich war, weil der Täter ein Zwischenlager hatte. Ein Versteck, das ihm vertraut war, wo er sich sicher fühlte: das Grundstück seiner eigenen Großmutter.

Die Vorstellung ist ungeheuerlich. Sollte Florian R. die Leiche seiner 15-jährigen Schwägerin auf dem Grundstück versteckt haben, auf dem seine 72-jährige Großmutter lebt? Hat er den Leichnam und Rebeccas Habseligkeiten dort “zumindest vorübergehend verbracht”, wie die Staatsanwaltschaft es formuliert, um sie später an einen finalen, bis heute unbekannten Ort zu bringen?

Die “neuen Erkenntnisse”, die zu dieser Razzia führten, werden von den Behörden “zum Schutz der Ermittlungen” noch geheim gehalten. Doch es muss sich um eine massive neue Informationslage handeln. Eine Zeugenaussage nach all den Jahren? Eine technische Auswertung alter Daten, die das Grundstück in Tauche plötzlich relevant macht? Oder hat sich jemand aus dem Umfeld des Täters offenbart?

Die Ermittler machen deutlich, dass dies kein letzter, verzweifelter Versuch ist. Es ist ein Auftakt. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft betont: “Wichtig ist dabei noch zu sagen, dass es der Anfang von vielen Maßnahmen ist, die in dieser Woche stattfinden und gegebenenfalls auch noch in der Folgezeit. Dass also nicht heute das mit den Maßnahmen zu Ende ist, sondern es weitergeht.”

Vermisste Rebecca Reusch aus Berlin: Staatsanwalt glaubt, dass sie tot ist

Im Umfeld der Durchsuchung werden bereits Zeugen vernommen. Nachbarn, Anwohner – jeder, der in den Tagen nach dem 18. Februar 2019 auf dem Grundstück der Großmutter oder in dessen Nähe etwas Verdächtiges bemerkt haben könnte.

Für die Familie von Rebecca Reusch, die seit 2490 Tagen in einem Zustand zwischen minimaler Hoffnung und maximalem Schmerz lebt, muss dieser Tag eine erneute Zerreißprobe sein. Die Hoffnung, endlich Gewissheit zu erlangen, mischt sich mit der Angst vor dem, was die Bagger ans Tageslicht fördern könnten. Es ist die schreckliche Bestätigung, dass die Polizei nie an ein Weglaufen geglaubt hat, sondern von der ersten Minute an von einem Tötungsdelikt im engsten Familienkreis ausging.

Der Fall Rebecca Reusch hat Deutschland verändert. Er hat gezeigt, wie ein Mensch in einer digitalen Welt spurlos verschwinden kann, und er hat eine Familie tief gespalten. Während Rebeccas Eltern immer an die Unschuld ihres Schwiegersohns glauben wollten, war er für die Ermittler immer der “einzige Tatverdächtige”.

Jetzt, im Herbst 2025, könnte die Erde in Brandenburg das letzte, schreckliche Geheimnis dieses Falles freigeben. Die Kameras der Nation sind auf ein Haus in Tauche gerichtet, in dem eine 72-jährige Frau lebt und unter dem das Schicksal eines 15-jährigen Mädchens begraben liegen könnte. Das Schweigen ist gebrochen, und die Wahrheit war vielleicht noch nie so nah.

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