Es ist 03:20 Uhr in der Nacht auf Montag. Hamburg-Othmarschen, eine sonst ruhige, gediegene Wohngegend, wird aus dem Schlaf gerissen. Blaulicht zuckt über die Fassaden, der Geruch von brennendem Gummi und Kunststoff liegt schwer in der Luft. Vier Fahrzeuge stehen in Flammen. Was zunächst wie ein Akt blinden Vandalismus aussehen mag, entpuppt sich schnell als etwas weitaus finstereres. Eines der Fahrzeuge gehört der Lebensgefährtin des AfD-Spitzenpolitikers Dr. Bernt Baumann. Um 5 Uhr morgens wird der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion vom Staatsschutz aus dem Bett geklingelt und über das Inferno vor seiner Haustür informiert.
Die Ermittler gehen sofort von Brandstiftung aus. Doch die traurige Gewissheit lässt nicht lange auf sich warten. Noch während die ersten Berichte über den Vorfall kursieren, taucht im Internet ein Bekennerschreiben auf. Die Antifa brüstet sich mit der Tat. “Surprise, surprise”, wie der Kommentator des Videos, das die Ereignisse aufarbeitet, sarkastisch anmerkt. Es war kein Zufall. Es war Absicht. Ein gezielter, politisch motivierter Anschlag auf das private Umfeld eines demokratisch gewählten Politikers.
Dieser Vorfall ist kein isoliertes Ereignis. Er ist der vorläufige, traurige Höhepunkt einer langen Kette von Einschüchterungen, Drohungen und Gewalt, die Dr. Baumann und seine Familie bereits seit Längerem ertragen müssen.

Ein Leben in Angst: Die Realität hinter der Politik
Um die volle Tragweite dieses Anschlags zu verstehen, muss man wissen, was Bernt Baumann erst vor knapp einem Monat in einem Interview mit der “Welt” schilderte. Es war ein seltener und beunruhigender Einblick in den Alltag eines Mannes, der für seine politischen Überzeugungen zur Zielscheibe geworden ist. Baumann berichtete von einer Atmosphäre der ständigen Bedrohung, von Angriffen auf sein Haus, von einer Frau, die sich nicht mehr traut, allein auf die Straße zu gehen.
Die Angst wurde so übermächtig, dass der Politiker zu drastischen Maßnahmen greifen musste. Er ließ in einer Einliegerwohnung seines Hauses massive Stahltüren einbauen – Panzertüren, wie man sie sonst nur aus Hochsicherheitsbereichen kennt. Nicht, um Werte zu schützen, sondern um seiner Frau einen sicheren Rückzugsort zu geben, einen Ort, an dem sie nachts wieder schlafen kann, ohne bei jedem Geräusch zusammenzuzucken. Das muss man sich vorstellen: Ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages muss sein Zuhause in einen Bunker verwandeln, weil militante Extremisten ihm und seiner Familie nach dem Leben trachten.
Schon lange kursierten Aufkleber und Flyer mit Drohungen in seiner Nachbarschaft. Seine Privatadresse wurde im Internet veröffentlicht – ein klares Doxing, ein gezieltes “Zum Abschuss Freigeben”. Die Polizei ermittelt, doch die Täter bleiben meist unerkannt. Bis jetzt. Mit dem Brandanschlag und dem Bekennerschreiben hat der Terror eine neue, offene und erschreckend stolze Dimension erreicht.
Eine Chronik der Gewalt: Kein Einzelfall
Der Fall Baumann ist, so schrecklich er ist, nur die Spitze des Eisbergs. Die politische Gewalt gegen die AfD hat System. Der Video-Kommentator zählt mühelos eine ganze Reihe ähnlicher Vorfälle aus den letzten Jahren auf, die ein düsteres Muster erkennen lassen:
- Tino Chrupalla (2020): Das Auto des heutigen AfD-Bundesvorsitzenden brannte auf einem abgeschlossenen Grundstück aus. Die Polizei ermittelte auch damals wegen Brandstiftung.
- Marius Bayer (2024): Ein Brandanschlag auf das Elternhaus des AfD-Politikers. Das Auto seiner Mutter wurde angezündet. Die mutmaßlich linksextremen Täter hinterließen üble Graffiti und die Drohung: “Wir kommen wieder.”
- Ronald Gläser (2020): Der Wagen des stellvertretenden AfD-Vorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus wurde in Niederschönhausen angezündet und brannte völlig aus. Der Staatsschutz ermittelte.
- Holger Henschel (2024): Das LKA Sachsen ermittelte wegen eines Brandanschlags auf gleich zwei Autos des AfD-Landtagsabgeordneten.
Die Liste ließe sich fortsetzen. Es sind keine zufälligen Ausbrüche von Wut. Es ist eine Strategie der Zermürbung, der Einschüchterung. Es ist der Versuch, politisches Engagement mit roher Gewalt zu unterbinden.
Die gefährliche Doppelmoral einer Gesellschaft
Inmitten dieser Eskalation stellt sich eine drängende Frage, die der Kommentator des Videos pointiert formuliert: Was wäre los in diesem Land, wenn Täter aus dem rechten Spektrum gezielt die Fahrzeuge von Politikern der Grünen, der SPD oder der CDU anzünden würden?

Man kann es sich lebhaft vorstellen: “Brennpunkt”-Sondersendungen im Fernsehen, Lichterketten in den Innenstädten, flammende Appelle von Spitzenpolitikern aller Lager, die den “Angriff auf die Demokratie” beklagen. Die “Omas gegen Rechts” wären auf der Straße, die Zivilgesellschaft stünde Kopf. Und das alles zu Recht.
Doch wenn es die AfD trifft, ist die Reaktion bestenfalls verhalten. Man verurteilt die Gewalt zwar “aufs Schärfste”, aber es schwingt oft ein stilles “Aber” mit. Die Empörung wirkt pflichtschuldig, nicht von Herzen kommend. Diese wahrgenommene Doppelmoral ist Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie signalisiert, dass Gewalt gegen die “Falschen” zwar nicht legal, aber irgendwie verständlicher, ja fast schon legitim sei.
Diese Haltung gipfelt in der statistischen Realität. Eine kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Martin Hess brachte es an den Tag: Allein im ersten Halbjahr 2025 gab es 808 Angriffe auf Politiker der AfD. Sie sind damit die mit Abstand am häufigsten attackierte Gruppe im politischen Spektrum. Diese Zahl ist kein abstraktes Phänomen; sie ist das tägliche Risiko für Hunderte von Menschen, die sich in einer demokratisch gewählten Partei engagieren.
Wenn der Diskurs stirbt: Die sozialen Folgen des Terrors
Die Taten haben nicht nur direkte Folgen für die Betroffenen – den immensen Stress, den Ärger mit der Versicherung, den Verlust von Eigentum. Die Auswirkungen fressen sich viel tiefer in die Gesellschaft hinein.
Was macht ein Vermieter, der die Bilder von vier brennenden Autos vor einem Haus in Hamburg sieht? Wird er noch an einen AfD-Politiker vermieten? Wohl kaum. Die Angst, das eigene Eigentum könnte ebenfalls zur Zielscheibe werden, die Sorge um die anderen Mieter, der drohende Ärger – all das führt zu einer schleichenden sozialen Ausgrenzung. Politiker einer bestimmten Partei finden keine Wohnung mehr, keine Räume für Veranstaltungen, keine Dienstleister, die offen mit ihnen arbeiten wollen.
Das ist genau das Ziel der Täter: die “Zersetzung” des politischen Gegners, seine Verdrängung aus dem öffentlichen und privaten Raum.
Hier stirbt der demokratische Diskurs. Wenn Argumente durch Brandsätze und Einschüchterung durch Steine ersetzt werden, hat die Zivilisation versagt. Der Kommentator im Video bringt es auf den Punkt: Es fehlt jegliches Gespür, jegliches Gespräch. Es ist ein beängstigender Zustand, in welche Richtung sich dieses Land bewegt. Die Gewalt ist ein Eingeständnis des eigenen Scheiterns, eine Bankrotterklärung derer, die glauben, ihre Ideologie mit Feuer statt mit Worten verteidigen zu müssen.
Ein Weckruf, der verhallt?
Der Brandanschlag von Hamburg-Othmarschen und das kaltschnäuzige Bekennerschreiben der Antifa sind mehr als nur eine weitere Schlagzeile. Sie sind ein Alarmsignal. Ein Signal, dass die Hemmschwellen gefallen sind und die Spirale der Gewalt sich immer schneller dreht. Es ist ein Angriff nicht nur auf Bernt Baumann, sondern auf das Fundament unseres Zusammenlebens: die Akzeptanz, dass in einer Demokratie auch Meinungen existieren müssen, die man selbst zutiefst ablehnt.
Die Frage, die bleibt, ist beklemmend: Wie soll das weitergehen? Wer ist der Nächste? Und wann wacht die schweigende Mehrheit auf und begreift, dass eine Demokratie, die ihre Vertreter nicht vor Terror schützen kann oder will, auf dem besten Weg ist, sich selbst abzuschaffen? Der Geruch von verbranntem Gummi in Hamburg ist auch der Geruch einer schwelenden Krise, die das ganze Land zu erfassen droht.