Es gibt Momente in der Politik, in denen die harten Konturen der Ideologie verschwimmen und der Mensch dahinter zum Vorschein kommt. Für Alice Weidel, die 46-jährige Co-Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) und Kanzlerkandidatin ihrer Partei, ist dieser Moment jetzt gekommen. Nach 16 Jahren einer Beziehung, die stets von Diskretion und dem Schutz der Privatsphäre geprägt war, tritt sie mit einer Nachricht an die Öffentlichkeit, die sowohl rührend als auch politisch brisant ist: Sie heiratet ihre langjährige Lebensgefährtin, die Schweizer Filmproduzentin Sarah Bossard.
Die Ankündigung, die im Sommer 2025 durchsickerte und nun offiziell bestätigt wurde, markiert nicht nur einen privaten Meilenstein im Leben einer der polarisierendsten Figuren Deutschlands. Sie wirft auch ein Schlaglicht auf das komplexe Spannungsfeld zwischen Weidels öffentlicher politischer Agenda und ihrer privaten Realität. Während die AfD in ihren Programmen das traditionelle Familienbild aus Vater, Mutter und Kind als “Keimzelle der Nation” propagiert, lebt ihre Spitzenkandidatin seit über einem Jahrzehnt das moderne Modell einer Regenbogenfamilie. Doch für einen Tag, den 15. August, sollen diese Widersprüche schweigen.

Eine Liebe voller Kontraste
Um die Bedeutung dieses Schrittes zu verstehen, muss man zurückblicken. Die Liebesgeschichte von Alice Weidel und Sarah Bossard liest sich wie das Drehbuch eines Films, den Bossard selbst hätte produzieren können. Sie beginnt 2009, fernab von politischen Bühnen, in der nüchternen Welt der Wirtschaft. Weidel, damals eine aufstrebende Unternehmensberaterin mit Stationen bei Goldman Sachs und Allianz Global Investors, traf in Frankfurt am Main auf Bossard.
Die Unterschiede zwischen den beiden Frauen könnten auf den ersten Blick kaum größer sein. Weidel, geboren in Gütersloh, aufgewachsen in einem leistungsorientierten bürgerlichen Haushalt, promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin, die Zahlen und Fakten atmet. Ihr gegenüber Sarah Bossard, 1982 in Sri Lanka geboren, als Adoptivkind in einer Schweizer Familie aufgewachsen, eine kreative Seele, die in Los Angeles Filmproduktion studierte und sich in der liberalen Kunstszene bewegt.
„Es war das Aufeinanderprallen zweier Welten“, beschreiben Freunde die Anfangszeit. Weidels rationale Strenge traf auf Bossarts expressive Emotionalität. Doch genau diese Reibung erzeugte offenbar die Funken, die eine tiefe Bindung schmiedeten. Was als berufliche Bekanntschaft begann, entwickelte sich schnell zu intensiven Gesprächen über globale Märkte, Kunst und Lebensvisionen. Schon 2011, lange bevor die “Ehe für alle” in Deutschland Realität wurde, ließen sie ihre Partnerschaft in der Schweiz eintragen – ein juristischer Schritt, der Sicherheit bot, ohne das ganz große öffentliche Aufsehen zu erregen.
Das idyllische Versteck in den Alpen
Seit Jahren ist die Schweiz der Rückzugsort des Paares. Zunächst lebten sie in Biel, später zogen sie nach Einsiedeln im Kanton Schwyz, um ihren zwei Söhnen ein ruhiges Aufwachsen zu ermöglichen. Die Kinder, heute im Teenageralter, sind das Zentrum ihres Lebens. Der ältere Sohn wurde 2013 adoptiert, der jüngere folgte zwei Jahre später. Bossard brachte den Jüngeren zur Welt, Weidel übernahm die Rolle der zweiten Mutter, die zwischen dem hektischen Politikbetrieb in Berlin und dem Familienleben in den Alpen pendelt.
In Einsiedeln, bekannt für sein Kloster und die konservative Prägung, fand die Familie eine Heimat. Nachbarn beschreiben sie als unauffällig und herzlich. Sarah backt Kuchen für die Nachbarschaft, Alice wird beim Spaziergang am See nicht als die scharfzüngige Rednerin aus dem Bundestag wahrgenommen, sondern als Mutter, die ihren Söhnen das Fahrradfahren beibringt oder Matheaufgaben erklärt. „Zu Hause bin ich einfach Mama“, soll Weidel einmal im privaten Kreis gesagt haben. Es ist eine Normalität, die sie mit Zähnen und Klauen gegen die Öffentlichkeit verteidigt – bis jetzt.
Die Hochzeit: Intimität statt Inszenierung
Die Entscheidung zur Hochzeit fiel nicht spontan. Sie reifte über Jahre, geformt durch gemeinsame Krisen, den Druck der Öffentlichkeit und die ständigen Bedrohungen, denen die Familie ausgesetzt ist. „Nach all den Jahren ist es Zeit, unsere Liebe offiziell zu feiern“, schrieb Weidel schlicht auf der Plattform X.
Die Details der geplanten Zeremonie zeugen von einem tiefen Wunsch nach Authentizität, fernab von politischem Kalkül. Statt einer Großveranstaltung mit Parteiprominenz wählte das Paar eine kleine Bergkapelle in Einsiedeln. Nur etwa 20 Gäste sind geladen: engste Familie, die Schwester aus Gütersloh, Studienfreunde aus Weidels Zeit in Japan und Bossarts kreativer Zirkel aus Bern. Keine AfD-Mitglieder, keine Pressevertreter. Es soll ein Tag der Reinheit sein.
Besonders die Gestaltung der Feier trägt die Handschrift beider Frauen. Sarah Bossard, die für ihren exquisiten Stil bekannt ist, entschied sich für ein maßgeschneidertes, asymmetrisches Seidenkleid aus einem Luzerner Atelier, das ihre dunkle Haut elegant zur Geltung bringt. Weidel hingegen bleibt ihrem Stil treu und wählt einen schlichten, maßgeschneiderten Leinenblazer, kombiniert mit einer Seidenbluse. Ein kleines, aber feines Detail: Die Bluse lässt ein dezentes Tattoo am Handgelenk durchblitzen, ein Andenken an ihre Jugend.
Auch kulinarisch wird die Verschmelzung der Kulturen zelebriert. Ein Sternekoch aus dem Toggenburg kreierte ein Menü, das Schweizer Bodenständigkeit mit den exotischen Wurzeln von Bossard verbindet. Es wird vegetarische Linsengerichte geben, frische Mangos und hausgemachte Sambals, gefolgt von einem klassischen Schweizer Schokoladenfondue mit selbstgepflückten Beeren. Musikalisch reicht das Spektrum von Johann Sebastian Bachs „Air“, gespielt von einem Streichquartett, bis zu modernen Kompositionen von Sofia Gubaidulina und traditionellen Jodlern – eine Hommage an die Heimat ihrer Kinder.
Der politische Elefant im Raum
Doch so romantisch die Details auch sein mögen, die politische Dimension dieser Hochzeit lässt sich nicht ausblenden. Alice Weidel ist das Gesicht einer Partei, die sich oft gegen genau jene Lebensmodelle stellt, die Weidel selbst verkörpert. Kritiker, sowohl aus dem linken Spektrum als auch konservative Hardliner, werfen ihr Doppelmoral vor. Wie passt der Kampf gegen „Gender-Gaga“ und die Betonung der „traditionellen Familie“ mit einer gleichgeschlechtlichen Ehe zusammen?
Weidel hat darauf eine Standardantwort, die sie wie ein Mantra wiederholt: „Meine Sexualität hat nichts mit meiner Politik zu tun.“ Sie argumentiert libertär: Der Staat habe sich aus dem Schlafzimmer herauszuhalten. Doch die Dissonanz bleibt. Während Parteifreunde in Chatgruppen über den Verfall der Werte lamentieren, lebt ihre Chefin den modernen Traum von Vielfalt.
Interessanterweise scheint genau dieser Widerspruch ihr bei einem Teil der Wählerschaft nicht zu schaden, sondern sogar zu nützen. Strategen sehen in der Hochzeit kurz vor der Bundestagswahl 2025 einen cleveren Schachzug, um Weidels Image zu „humanisieren“. Die “eiserne Alice” zeigt Herz. Sie wird nahbar, verletzlich und – ja – authentisch. Umfragen deuten darauf hin, dass sie durch diesen Schritt besonders bei jüngeren, urbanen Wählern punkten könnte, die die AfD bisher aus rein kulturellen Gründen ablehnten.

Reaktionen: Von Hass bis Bewunderung
Die öffentliche Reaktion auf die Hochzeitsankündigung spiegelte die Spaltung der Gesellschaft wider. In den sozialen Medien trendeten Hashtags wie #WeidelHochzeit und #LiebeOhneGrenzen. Während AfD-Anhänger das Ereignis als Beweis dafür feierten, dass man konservativ und modern zugleich sein kann („Endlich zeigt Alice ihr menschliches Gesicht“), hagelte es von linker Seite Spott über die vermeintliche Heuchelei. Ricarda Lang von den Grünen bezeichnete es als „zynisch“, gegen Regenbogenfamilien zu wettern und dann selbst eine zu zelebrieren.
Auch Sarah Bossard blieb nicht verschont. Frühere Instagram-Posts, die sie auf Pride-Paraden oder in linken Kulturkreisen zeigten, wurden ausgegraben und hämisch kommentiert. Doch das Paar scheint dagegen immun zu sein. Die Jahre der Anfeindungen – von markierten Häusern bis hin zu Polizeischutz für die Kinder – haben sie zusammengeschweißt. „Wir haben alles überstanden, jetzt wollen wir den nächsten Schritt“, soll Weidel im privaten Kreis gesagt haben. Die Hochzeit ist somit auch ein Akt des Trotzes: Wir lassen uns unser Glück nicht nehmen.
Ein Symbol für moderne Liebe?
Am Ende bleibt die Hochzeit von Alice Weidel und Sarah Bossard mehr als nur eine Schlagzeile im Sommerloch. Sie ist ein Spiegelbild unserer Zeit, in der private Lebensentwürfe und politische Zuordnungen nicht mehr in einfache Schubladen passen. Wenn die beiden Frauen am 15. August vor dem Altar stehen, die Ringe aus recyceltem Gold tauschen und sich ein Versprechen für die Ewigkeit geben, dann tun sie das nicht als Politikerin und Produzentin. Sie tun es als Alice und Sarah, zwei Menschen, die nach 16 Jahren Höhen und Tiefen beschlossen haben, dass ihre Liebe das Einzige ist, was wirklich zählt.
Ob dieser Schritt Weidels politische Karriere beflügelt oder belastet, wird die Wahl zeigen. Doch für einen Tag, hoch oben in den Schweizer Bergen, spielt die Wählergunst keine Rolle. Dort regiert nur das Herz. Und vielleicht ist genau das die Botschaft, die am Ende hängen bleibt: Dass Liebe, in all ihrer Komplexität, immer einen Weg findet – selbst im Auge des politischen Sturms.