Mordfall Fabian (8): Das ohrenbetäubende Schweigen des Vaters und die dunklen Abgründe einer Familientragödie

Es gibt Verbrechen, die so entsetzlich sind, dass sie die Grenzen unserer Vorstellungskraft sprengen. Der Mord an dem achtjährigen Fabian aus Güstrow ist ein solches Verbrechen. Ein Kind, das am 10. Oktober als krank zu Hause bleibt, irgendwann zwischen Vormittag und Nachmittag spurlos verschwindet, ohne sein Handy mitzunehmen. Ein Detail, das im Nachhinein wie ein Menetekel wirkt. Vier Tage später, am 14. Oktober, wird die furchtbare Ahnung zur grausamen Gewissheit. In einem Waldstück bei Klein Upal wird eine Leiche gefunden. Sie ist verbrannt. Es ist Fabian.

Die Erschütterung in der Region und in ganz Deutschland ist immens. Die Polizei arbeitet unter Hochdruck. Wer tut so etwas Unfassbares? Wochen vergehen, bis am 5. November eine Nachricht für vorläufige Erleichterung sorgt: Gina H., die 29-jährige Ex-Freundin von Fabians Vater, wird festgenommen. Sie steht unter dringendem Mordverdacht. Doch der wahre Schock, das Detail, das die gesamte Öffentlichkeit fassungslos macht, ist ein anderes: Es war Gina H. selbst, die angab, die Leiche des Jungen “zufällig” bei einem Spaziergang mit ihrem Hund entdeckt zu haben.

Ein perfides Spiel? Ein kaltblütiges Täuschungsmanöver? Die Staatsanwaltschaft scheint sich ihrer Sache sicher zu sein. Gina H. sitzt seither in Untersuchungshaft. Für viele schien der Fall damit eine klare, wenn auch tragische, Richtung einzuschlagen: Eine Tat aus Eifersucht, Rache nach der Trennung von Fabians Vater, Matthias R. (34). Doch je mehr Zeit vergeht, desto mehr Risse bekommt diese scheinbar klare Fassade. Und im Zentrum dieser Risse, im Auge eines neuen, dunklen Sturms, steht plötzlich der Mann, der bisher vor allem durch eines auffiel: seine öffentliche Abwesenheit. Der Vater. Matthias R.

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Das ohrenbetäubende Schweigen eines Vaters

In Fällen wie diesem, wenn ein Kind auf so brutale Weise aus dem Leben gerissen wird, ist die Reaktion der Eltern oft ein verzweifeltes Ringen um Öffentlichkeit. Wir sehen sie in Pressekonferenzen, mit Tränen in den Augen und Fotos ihrer Kinder in den Händen. Sie flehen um Hinweise, sie wollen Druck auf die Ermittler ausüben, sie wollen, dass der Fall nicht vergessen wird. Sie wollen Gerechtigkeit.

Bei Matthias R.: Fehlanzeige. Kein öffentliches Statement. Kein Auftritt. Keine Pressekonferenz. Nichts. Während Fabians Mutter, Dorina L., über ihre Anwältin ihre unermessliche Bestürzung und das Gefühl des Verrats – Verrat an dem Vertrauen, das sie Gina H. entgegenbrachte – mitteilen lässt, hüllt sich der Vater in ein Schweigen, das von Tag zu Tag lauter und bemerkenswerter wird.

Natürlich trauert jeder Mensch anders. Manche ziehen sich zurück, verarbeiten ihren Schmerz im Stillen, wollen oder können der Öffentlichkeit nicht gegenübertreten. Das ist legitim und menschlich. Doch in diesem speziellen Fall, in dem die eigene Ex-Partnerin als Hauptverdächtige für den Mord am eigenen Kind inhaftiert ist, wirft dieses Schweigen Fragen auf. Fragen, die nicht nur die Öffentlichkeit bewegen, sondern offenbar auch die Ermittler. Denn Berichten aus Ermittlerkreisen zufolge ist Matthias R. nicht mehr nur der trauernde Vater im Hintergrund. Er ist ins Visier geraten.

Die Risse in der Fassade: Lügen und Widersprüche?

Der Grund für diese neue, beunruhigende Entwicklung soll gravierend sein: Matthias R. soll sich in seinen Aussagen bei der Polizei in erhebliche Widersprüche verstrickt haben. Welche Widersprüche das genau sind, hält die Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen unter Verschluss. Doch allein die Tatsache, dass es sie gibt, öffnet die Tür zu Spekulationen und Szenarien, die an Düsternheit kaum zu überbieten sind.

Worum könnten sich diese Widersprüche drehen? Ein zentraler Punkt könnte der Kontakt zu Gina H. nach der Trennung sein. Hat Matthias R. zunächst behauptet, es habe keinen Kontakt mehr gegeben, während Handydaten oder Zeugenaussagen das Gegenteil beweisen? Ein weiterer, noch heiklerer Punkt: Sein Alibi. Wo genau war Matthias R. am 10. Oktober, dem Tag, an dem Fabian verschwand und höchstwahrscheinlich auch ermordet wurde? Die vielleicht entscheidendste Frage ist jedoch: Was wusste er?

Wer wusste, dass Fabian an diesem Donnerstag krank zu Hause und nicht in der Schule war? Die Mutter wusste es. Aber wer noch? Hat sie Matthias R. informiert, wie es in einer normalen Elternbeziehung üblich wäre? Und wenn ja, hat Matthias R. diese Information vielleicht weitergegeben? Möglicherweise an Gina H.? War es vielleicht sogar abgesprochen, dass Fabian zu ihr geht?

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Ein “zweites Zuhause”, das zur Todesfalle wurde

Um die ganze Tragweite dieser Fragen zu verstehen, muss man die Beziehungsdynamik dieses Trios betrachten. Matthias R. und Gina H. waren kein flüchtiges Abenteuer. Sie waren Medienberichten und Nachbarsaussagen zufolge mehrere Jahre ein Paar. Es war eine ernste Beziehung. Und Fabian war ein zentraler Teil davon. Die Anwältin seiner Mutter formulierte es drastisch: Für Fabian sei es bei Gina H. wie ein “zweites Zuhause” gewesen. Er verbrachte viel Zeit dort, kannte sie gut, mochte sie.

Die Trennung von Matthias R. und Gina H. erfolgte erst im September, nur etwa zwei Monate vor Fabians Tod. Sie soll emotional und von Streit geprägt gewesen sein. Dennoch: Der Kontakt zu Fabian riss nicht ab. Seine Mutter, Dorina L., erlaubte es, weil sie Gina H. als “dem Kind zugetan” wahrnahm und ihr vertraute. Ein Vertrauen, das sie nun bitter bereuen muss.

Fabian war das letzte verbliebene Bindeglied zwischen Matthias R. und Gina H. Und genau hier setzen die dunkelsten Spekulationen an. War er nur ein Bindeglied? Oder wurde er zum Problem?

Szenario 3: Der dunkelste aller Abgründe

Die Ermittler müssen in alle Richtungen denken. Mehrere Szenarien liegen auf dem Tisch.

Szenario 1: Gina H. hat alleine gehandelt. Aus Eifersucht, aus Rache, aus einer tiefen psychischen Krise nach der Trennung. Sie wusste, dass Fabian zu Hause war, hat ihn zu sich gelockt oder abgeholt, und es kam zur unbegreiflichen Tat.

Szenario 2: Matthias R. ist unwissentlich beteiligt. Er hat Gina H. vielleicht gebeten, auf Fabian aufzupassen, da er krank war. Es war eine Routine, die schrecklich eskalierte, und Gina H. tötete den Jungen.

Und dann gibt es Szenario 3. Das dunkelste Szenario. Ein Szenario, vor dem man instinktiv zurückschreckt, weil es so ungeheuerlich ist, aber das Ermittler in Betracht ziehen müssen. Ein Szenario, in dem Matthias R. nicht nur unwissentlich beteiligt war, sondern Bescheid wusste oder – noch schlimmer – direkt involviert war.

Ein Vater, der am Tod seines eigenen Kindes beteiligt ist? Es widerspricht allem, was wir über elterliche Liebe zu wissen glauben. Doch die Kriminalgeschichte ist voll von Fällen, in denen die Täter aus dem allernächsten Umfeld stammen.

Was spricht für ein solches Horrorszenario? Neben den angeblichen Widersprüchen und dem Schweigen sind es auch praktische Überlegungen. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Fundort nicht der Tatort ist. Fabians Leiche wurde dorthin transportiert. Jemand musste den Körper des Achtjährigen bewegen und dann versuchen, ihn zu verbrennen, um Spuren zu verwischen. Könnte eine Frau das alleine tun? Ja, natürlich. Aber es wäre einfacher für zwei Personen.

Und dann das Motiv. Ist Eifersucht nach einer Trennung wirklich stark genug für einen so brutalen Kindsmord und eine derartige Vertuschungstat? Oder gab es ein anderes, ein gemeinsames Motiv? Stand Fabian im Weg? Finanziell? Psychologisch? War er eine Belastung, ein Symbol für ein gescheitertes Leben, das beide hinter sich lassen wollten?

Die Inszenierung eines Fundes

In diesem dritten, schrecklichsten Szenario bekäme auch der “Fund” der Leiche durch Gina H. eine völlig neue, noch perfidere Bedeutung. Es wäre kein Zufall, sondern eine kalkulierte Inszenierung. Ein psychologischer Trick, der in der Kriminalistik bekannt ist: Wer die Leiche meldet, lenkt den Verdacht von sich ab. Man inszeniert sich als schockierter Entdecker. Ein Plan, der die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte. Matthias R. wäre währenddessen im Hintergrund geblieben, hätte den trauernden, schweigsamen Vater gespielt.

Fall Fabian: Tötete Gina H. den Jungen aus Rache?

Ein Plan, der nun durch die akribische Arbeit der Kriminaltechnik und durch die Widersprüche des Vaters zu scheitern droht.

Das Dilemma der Staatsanwaltschaft

Für die Staatsanwaltschaft ist die Lage damit unendlich komplizierter geworden. Sie steht unter enormem Druck. Die Öffentlichkeit will Antworten, die Familie will Gerechtigkeit. Sie haben Gina H. in U-Haft. Doch was, wenn die Beweise gegen sie allein – DNA, digitale Spuren, Fasern – nicht für eine wasserdichte Verurteilung wegen Mordes ausreichen?

Wenn es Hinweise auf eine Mittäterschaft des Vaters gibt, ändert das alles. Dann muss die Anklage erweitert werden. Dann müssen auch gegen Matthias R. hieb- und stichfeste Beweise gesammelt werden. Das erklärt vielleicht, warum es noch keine Anklage gibt. Die Staatsanwaltschaft kann sich keinen Fehler leisten. Sie braucht eine Anklage, die vor Gericht Bestand hat, selbst wenn das bedeutet, den schmerzhaftesten aller Wege zu gehen und den Vater ins Visier zu nehmen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Matthias R. als Beschuldigter geführt werden kann, ohne dass die Voraussetzungen für einen Haftbefehl – dringender Tatverdacht plus Haftgründe wie Flucht- oder Verdunkelungsgefahr – vorliegen. Die Ermittlungen gegen ihn könnten längst parallel laufen, still und leise, während die Öffentlichkeit noch auf Gina H. blickt.

Ein unermesslicher, doppelter Verrat

Inmitten all dieser Spekulationen, Ermittlungen und juristischen Abwägungen steht eine Frau, deren Leid kaum in Worte zu fassen ist: Fabians Mutter, Dorina L. Sie hat ihr Kind auf die grausamste Weise verloren. Sie musste erfahren, dass die Frau, der sie vertraute, die sie als “dem Kind zugetan” ansah, die Hauptverdächtige in diesem Mordfall ist.

Und nun muss sie mit dem Gedanken leben, dass vielleicht auch der Vater ihres Kindes, ihr ehemaliger Partner, in diesen Albtraum verwickelt ist. Es ist ein doppelter Verrat, ein unvorstellbarer Schock, der das Fundament jeder menschlichen Sicherheit erschüttert.

Der Fall Fabian ist weit mehr als ein tragischer Mordfall. Er ist ein komplexes Geflecht aus Beziehungen, Vertrauen, Lügen und möglicherweise einem Abgrund an Kaltblütigkeit, der zwei Menschen vereint hat. Das Schweigen des Vaters ist ohrenbetäubend. Die Widersprüche sind alarmierend. Während Gina H. in ihrer Zelle sitzt, bleibt die wichtigste Frage unbeantwortet: Was genau geschah am 10. Oktober?

Die Ermittler werden weitergraben. Sie werden digitale Spuren auswerten, Alibis zerlegen und DNA-Spuren analysieren. Sie werden die Widersprüche des Vaters aufklären müssen. Die Wahrheit ist eine Schuld, die sie Fabian schulden. Und sie wird, so hoffen wir alle, ans Licht kommen. Egal, wie dunkel sie auch sein mag.

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