Schlagabtausch im Kreuzverhör: Wie Julia Klöckner bei Lanz die Fallen der AfD, der Linken und die ‘Israel-Frage’ parierte

Es gibt Abende bei Markus Lanz, die sind vorhersehbar. Es gibt Abende, die sind informativ. Und es gibt Abende, die sind ein politischer Showdown. Der jüngste Auftritt der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) gehörte zweifellos zur letzten Kategorie. Es war kein Gespräch, es war ein Kreuzverhör, ein strategisches Duell, in dem der Moderator versuchte, die höchste Repräsentantin des deutschen Parlaments in ein Minenfeld aus Fangfragen, Halbwahrheiten und moralischen Fallen zu locken. Doch wer einen nervösen, sich windenden Gast erwartete, wurde Zeuge einer Demonstration politischer Resilienz. Klöckner wehrte nicht nur ab; sie konterte, stellte klar und definierte die Grenzen ihres Amtes – und die Grenzen des Journalismus.

Der Schauplatz war bereitet. Julia Klöckner, eine Frau, die von den einen für ihre klare Linie gelobt und von den anderen als Teil des “Systems Merz” kritisiert wird, trat in ihrer Rolle als überparteiliche Bundestagspräsidentin auf. Eine Rolle, die per Definition zum Scheitern verurteilt ist, wenn man sie in der Arena eines polarisierenden Talkmasters wie Lanz verteidigen muss. Lanz’ Ziel war von der ersten Minute an klar: Er wollte die Risse in der Fassade der Neutralität finden, die parteipolitische CDU-Frau hinter der Präsidentin entlarven und sie in die Enge treiben.

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Das erste große Manöver: die AfD-Falle. Lanz zögerte nicht lange und stieß direkt ins Wespennest der deutschen Politik. Er sprach den “klaren Willen der Mehrheit im Lande” an, der angeblich ein “Mitte-Rechts-Bündnis” – also eine Koalition aus CDU und AfD – fordere. Er malte das Schreckgespenst einer zerrissenen CDU an die Wand und fragte Klöckner direkt, ob sie “Angst” habe, dass ihre Partei sich spalten könnte, ob man nicht lieber “schwarzblau” mache, bevor es “blauschwarz” werde.

Es war eine klassische Lanz-Frage: emotionalisierend, spekulativ und darauf ausgelegt, die CDU-Politikerin in eine Zwickmühle zu bringen. Jede Antwort wäre falsch gewesen. Bestätigt sie die Angst, wirkt sie schwach. Dementiert sie die Gefahr, wirkt sie realitätsfern. Doch Klöckner tappte nicht hinein. Sie parierte die Frage mit einer kühlen, fast schon stoischen Gelassenheit: “Angst ist immer ein schlechter Ratgeber in der Politik.” Sie werde nicht über Wahlergebnisse spekulieren. Der Angriff verpuffte.

Lanz ließ nicht locker und bohrte weiter. Wenn die Brandmauer so feststehe, warum habe die AfD dann keinen Bundestagsvizepräsidenten? Wieder eine Falle, die Klöckner als antidemokratisch entlarven sollte. Wieder antwortete Klöckner rein prozessual und entzog der Frage damit jede Emotionalität. Die AfD, so erklärte sie, habe wie jede Fraktion das verbriefte Recht, einen Kandidaten aufzustellen. Aber die Abgeordneten wählten in einer freien, geheimen Wahl. “Eine Wahl ist es dann, wenn nicht vorher festgelegt wird, was dabei rauskommt”, so Klöckner. “Am Ende liegt die Wahrheit in der Wahlurne.” Es war die Verteidigung des parlamentarischen Prozesses gegen den populistischen Vorwurf der Ausgrenzung.

Der zweite Akt des Duells war die Neutralitätsprüfung. Lanz spielte einen Clip ein, der Klöckner in Aktion im Bundestag zeigte, wie sie AfD-Fraktionschefin Alice Weidel zurechtwies. Weidel hatte in einer Rede von der “links-terroristischen Antifa” gesprochen, die “Schädel und Gelenke zertrümmert”, und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) unterstellt, sie mache den Tätern ihre “Aufwartung”. Klöckner hatte dies als persönliche Verunglimpfung gerügt.

Lanz’ impliziter Vorwurf war klar: Hier handelte die CDU-Politikerin Klöckner, nicht die neutrale Präsidentin. Er fragte suggestiv, warum Weidel das wohl mache, ob die Reaktion nicht einkalkuliert sei. Doch Klöckner blieb unbeeindruckt. “Mir ist die Intention relativ gleich”, konterte sie. Es gehe nicht um Geschmack, sondern um Regeln. Die größte Stärke des Parlaments sei nicht Einigkeit, “sondern der gesittete Streit nach Regeln”. Und Weidels Aussage habe diese Regeln verletzt, weil sie persönlich herabwürdigend war. “Wenn man selber nicht mal an die Kraft des eigenen Argumentes glaubt, dann wird man entweder laut, wird unverschämt oder macht irgendwelche aktivistischen Aktionen.”

Um zu beweisen, dass dies kein “AfD-Bashing” war, wie der Video-Kommentator der Sendung anmerkte, brachte Klöckner von sich aus das entscheidende Gegenbeispiel: die Linkspartei. Sie habe die Regeln genauso konsequent gegen die andere Seite des politischen Spektrums durchgesetzt. Sie sprach den Vorfall an, bei dem Abgeordnete der Linken eine Palästina-Fahne im Plenarsaal hochhielten und eine Abgeordnete provokant ein Shirt mit dem Aufdruck “Palestine” trug. “Wir sind ein Parlament der Worte und nicht der politischen Symbole und Demonstrationen”, stellte Klöckner klar. Sie verwies auf die seit 2018 geltende Hausordnung, die alle politischen Botschaften an Fenstern oder auf Kleidung verbiete.

Biografie: Markus Lanz: ZDF-Presseportal

Hier witterte Lanz seine größte Chance. Der Moment war perfekt, um Klöckner als voreingenommen zu überführen. Direkt nachdem sie das Verbot des “Palästina”-Pullovers erklärt hatte, schlug Lanz mit der perfidesten Frage des Abends zu: “Hätten Sie eine Parlamentarierin mit einem Pullover, auf dem ‘Israel’ drauf steht, gebeten, das Plenum zu verlassen?”

Stille im Studio. Dies war der ultimative Test. Eine Falle, die darauf abzielte, sie entweder der Doppelmoral zu überführen oder sie in eine politisch prekäre Aussage zu drängen. Doch Klöckner, die der Kommentator als “chillig” bezeichnete, zögerte keine Sekunde. Sie beantwortete die Frage mit einem klaren Ja. Die Regel gelte für alle. “Wir sind der deutsche Bundestag”, sagte sie, und wer ein Statement abgeben wolle, solle dies in seiner regulären Redezeit tun. Der Versuch, ihr eine pro-palästinensische oder anti-israelische Voreingenommenheit zu unterstellen, war spektakulär gescheitert. Sie hatte die Regel über die politische Opportunität gestellt.

Im dritten Akt versuchte Lanz, Klöckner über ihre Rolle als Privatperson und Parteipolitikerin zu Fall zu bringen. Er konfrontierte sie mit ihrem Besuch bei einem CDU-Sommerfest in Rheinland-Pfalz. Das Pikante: Die Veranstaltung fand auf dem Gelände eines Unternehmers, Herrn Gotthard, statt, den Lanz als “den Mann, der maßgeblich dieses rechtspopulistische Newsportal Nius finanziert” vorstellte. Der Vorwurf wog schwer: Wie könne die neutrale Bundestagspräsidentin sich mit solchen Leuten abgeben?

Hier wurde Klöckner sichtlich ungehalten. Sie bezeichnete den Vorwurf als “unlauter”. Sie sei als “CDU-Mitglied” und “frei gewählte Abgeordnete” ihres Wahlkreises dort gewesen. Sie stellte klar, dass all ihre Vorgänger im Amt – Bärbel Bas (SPD), Norbert Lammert (CDU), Wolfgang Thierse (SPD) – selbstverständlich weiterhin Teil ihrer Parteien und Fraktionen waren und auf Parteiveranstaltungen sprachen.

Dann der entscheidende Konter: Klöckner enthüllte, dass sie bei dieser Veranstaltung in ihrer Rede über Meinungsfreiheit “Herrn Gotthard mitunter kritisiert” habe. Sie warf Lanz vor, eine unzulässige Nähe zu suggerieren: “Sie unterstellen, dass das gleich kommt, dass ich Putin gut finde”. Sie werde sich nicht von Linken oder Grünen vorschreiben lassen, wo sie als CDU-Abgeordnete auftreten dürfe.

Am Ende definierte sie klar die Trennlinie ihres Amtes: In der Sitzungsleitung herrsche absolute Neutralität, dort dürfe sie ihre eigene Fraktion nicht bevorzugen. Aber außerhalb dieser Leitung sei sie eine Abgeordnete mit einem Mandat.

Bundestagspräsidentin – Julia Klöckner: Die traurigste Gestalt |  nd-aktuell.de

Markus Lanz hatte an diesem Abend alles versucht. Er hatte die AfD-Falle, die Neutralitäts-Falle, die Israel-Falle und die Nius-Falle gestellt. Doch Julia Klöckner, so das Fazit des Video-Kommentators, habe “gekonnt abgeblockt” und den Moderator “ziemlich alt aussehen lassen”. Sie habe bewiesen, dass sie ihm “ebenbürtig” sei. Es war ein seltener Moment im deutschen Fernsehen, in dem eine Politikerin nicht nur die Angriffe eines Talkmasters überlebte, sondern die Prinzipien ihres Amtes klarer definierte, als es der Angreifer vielleicht beabsichtigt hatte.

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