Er war die Stimme einer Generation, der unangefochtene Superstar der DDR-Schlagerszene. Frank Schöbel, ein Name, der für Millionen Menschen im Osten Deutschlands mit Melodien, Erinnerungen und einem Hauch von Weltläufigkeit verbunden war. Doch hinter der Fassade des ewig lächelnden Sängers, der Hits wie “Wie ein Stern” schuf, brodelte es. Jetzt, im Alter von 82 Jahren, bricht ein Damm. Schöbel, der Mann, der jahrzehntelang als disziplinierter Profi galt, rechnet ab. Er nennt offen die fünf Namen von Kollegen – Superstars der deutschen Musikszene – die er nicht nur als Rivalen sah, sondern die für ihn zu Symbolfiguren von Frust, Kränkungen und tiefen Enttäuschungen wurden.
Dies ist keine altersmilde Plauderei über vergangene Zeiten. Es ist eine bittere Bilanz, ein tiefer Einblick in die Schattenseiten einer Branche, die nach außen hin nur Harmonie und heile Welt verkauft. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich nach der Wende an den Rand gedrängt fühlte, dessen Lebenswerk in seinen Augen devalviert wurde, während neue, glattere Gesichter das Rampenlicht übernahmen. Frank Schöbels Worte sind scharf, seine Erinnerungen präzise. Er hat weder vergessen noch verziehen.

Der erste Name, der fällt, ist der vielleicht größte, den der moderne deutsche Schlager zu bieten hat: Helene Fischer. Sie ist der Superstar, die Stadionfüllerin, das Gesicht einer multimedialen Maschinerie. Doch für Schöbel ist sie eine Reizfigur, das Symbol für eine Entwicklung, die er zutiefst ablehnt. Er wirft ihr vor, die Seele des Schlagers geopfert zu haben. “Alles sei perfekt einstudiert, aber nichts echt”, zitiert man seine Gedanken. Es gehe nur noch um Lichtshows, Kostüme und Millionen – das Herz, so Schöbel, bleibe auf der Strecke.
Diese Kritik ist nicht neu. Doch Schöbel untermauert sie mit persönlichen Kränkungen. Ein besonders schmerzhafter Moment: 2013, ein großes TV-Special der ARD. Schöbel, die lebende Ostlegende, hoffte auf einen Auftritt. Doch die Produktion setzte ausschließlich auf Helene Fischer. Hinter den Kulissen, so wird berichtet, sei der Satz gefallen: “Für sie ist Platz, für uns nicht mehr.” Es war ein Stich ins Herz für den Mann, der jahrzehntelang die Hauptbühnen bespielt hatte.
Noch pikanter wurde es Jahre später. Schöbel sollte bei einer gemeinsamen Weihnachtsshow auftreten. Doch laut Insidern habe Fischer hinter den Kulissen darauf bestanden, dass er nicht im Hauptprogramm erscheine, sondern lediglich in einem kurzen Zusammenschnitt. Für Schöbel war dies kein Zufall, sondern eine “gezielte Degradierung”. Der Moment, in dem ihm klar wurde, dass “Tradition in dieser Branche keinen Wert mehr hat, wenn sie nicht ins Marketing passt”. Der Name Helene Fischer ist für ihn seither mit einer tiefen Verletzung verbunden.
Der zweite Name auf Schöbels Liste ist Roland Kaiser. Der Gentleman des Schlagers, die große Stimme des Westens. Schon zu DDR-Zeiten ein Star, wurde er nach der Wende zum gesamtdeutschen Schlagerkönig. Für Schöbel, den unangefochtenen König des Ostens, war Kaiser plötzlich der direkte Konkurrent – und der Sieger. Schöbel beschreibt das Gefühl der 90er Jahre, als Kaiser überall war: Talkshows, Stadien, Galas. Währenddessen, so Schöbels Empfinden, wurden die Ostkünstler als Nischenstars abgetan. “Wir hatten auch Erfolg, aber Kaiser bekam alle Scheinwerfer ab”, so seine bittere Analyse.
Auch hier sind es konkrete Vorfälle, die sich eingebrannt haben. Ein Charity-Konzert 1995. Schöbel sei kurzfristig vom begehrten Primetime-Slot auf den Nachmittag verlegt worden. Der Grund, der ihm zugetragen wurde: Kaiser wolle mehr Exklusivität. Ein Schlag ins Gesicht. Der endgültige Bruch sei bei einer Jubiläumshow gekommen, die eigentlich beiden gewidmet sein sollte. Kaiser wurde als “unangefochtene Legende” gefeiert, Schöbel bekam ein kurzes Medley. Insider berichten, Kaiser habe durchgesetzt, als einziger mit Live-Orchester aufzutreten, während Schöbel mit Playback vorliebnehmen musste. Für den Oststar ein klarer Affront, das Signal: Deine Ära ist vorbei. Kaiser, so sieht es Schöbel, hat ihm symbolisch die Krone entrissen.
Besonders schmerzhaft wird es bei Namen Nummer drei: Wolfgang Lippert. “Lippi”, ein Kollege aus alten DDR-Tagen, ebenfalls ein Gesicht des Ost-Fernsehens. Doch nach der Wende, so Schöbels Wahrnehmung, war Lippert derjenige, der die großen TV-Rollen bekam, die er selbst gern gehabt hätte. Als Lippert 1992 “Wetten, dass..?” übernahm, fühlte Schöbel sich endgültig an den Rand gedrängt. “Ich wusste, für Leute wie mich gibt es im new Fernsehen keinen Platz mehr.”

Was ihn jedoch am tiefsten traf, war ein Satz, den Lippert in einer Talkshow fallen ließ. Gefragt, wer nach der Wende noch Publikum ziehe, soll er geantwortet haben: “Die Leute wollen neue Gesichter, nicht immer die alten Schlageronkels.” Ein Satz, den viele direkt auf Schöbel bezogen. Er brannte sich tief ein. Hinzu kam ein Vorfall bei einer Silvestershow, bei der Schöbel vom Hauptauftritt in die Nebensendung verschoben wurde – angeblich, weil Lippert darauf bestand, allein den Höhepunkt zu gestalten. Die größte Demütigung sei jedoch der Verrat hinter dem Rücken gewesen. Lippert, so wurde Schöbel zugetragen, habe bei Produzenten gesagt: “Frank ist verbraucht, mit dem kann man kein junges Publikum mehr erreichen.” Ein Verrat unter Kollegen, den Schöbel nie vergaß.
Die Liste geht weiter mit Andrea Berg. Die Schlagerkönigin der Neuzeit, bekannt für ihre spektakulären Konzerte und Millionenverkäufe. Für Schöbel steht sie, ähnlich wie Fischer, für alles, was er am modernen Schlager ablehnt: austauschbare Musik, plakative Texte, überinszenierte Shows. “Das ist kein Lied mehr, das ist ein Produkt”, soll er gesagt haben. Die Spannungen seien auch hier spürbar gewesen. Bei einem Branchentreffen, so wird kolportiert, habe Berg ein gemeinsames Foto mit ihm verweigert. Die Begründung: Sie wolle nicht in eine “Retroschublade” gesteckt werden. Für Schöbel ein weiterer Beweis: “Da spürte ich, dass wir für die neue Schlagerwelt nur noch ein Anhängsel sind.”
Der härteste Schlag sei bei einer TV-Preisverleihung 2018 erfolgt. Schöbel sollte einen Ehrenpreis für sein Lebenswerk erhalten. Doch sein Auftritt wurde angeblich kurzfristig drastisch gekürzt, um Andrea Berg mehr Bühnenzeit für eine aufwändige Showeinlage zu geben. Hinter der Bühne, so heißt es, fiel der bittere Satz: “Für ihre Lichtershow hat man meine 50 Jahre Musik einfach weggestrichen.”
Zuletzt nennt Schöbel Matthias Reim. “Verdammt, ich lieb’ dich” – der Song, der 1990 alles abriss. Doch Reim steht für Schöbel auch für das genaue Gegenteil seiner eigenen Werte: Skandale, Millionenschulden, Alkoholprobleme. Schöbel, der stets für Disziplin und Fleiß stand, konnte nicht fassen, wie Reim trotz allem immer wieder gefeiert wurde. “Er konnte Millionen verspielen und trotzdem jubelte man ihm zu. Für uns hätte das das Karriereende bedeutet.”

Auch hier gab es persönliche Eklats. Bei einem Festival 2002 habe Reim ihn Backstage demonstrativ ignoriert. Bei einer TV-Gala 2005 soll Reim sogar seine Assistenten angewiesen haben, Schöbel den Zugang zum Backstage-Bereich zu erschweren. “Es war, als hätte es mich nie gegeben”, so Schöbels rückblickende Erkenntnis. Er sah in Reim nur noch Chaos und Rücksichtslosigkeit.
Fünf Namen, fünf Geschichten, fünf offene Rechnungen. Frank Schöbels späte Abrechnung ist mehr als nur die Eitelkeit eines alternden Stars. Es ist das schmerzhafte Zeugnis eines kulturellen Umbruchs, der auch vor der scheinbar heilen Schlagerwelt nicht haltmachte. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sein ganzes Leben der Musik gewidmet hat und am Ende das Gefühl hat, von einer kälteren, kommerzielleren und rücksichtsloseren Generation an den Rand gedrängt worden zu sein. Er zeigt, dass die Welt des Schlagers nicht nur aus Glanz und Harmonie besteht, sondern auch aus Eitelkeiten, Machtkämpfen und tiefen, lebenslangen Verletzungen.