Ein Gespenst geht um in Berlin. Es ist das Gespenst einer Regierung, die das Vertrauen ihres Volkes verloren hat, noch bevor sie überhaupt richtig mit der Arbeit beginnen konnte. Sechs Monate ist die Koalition aus CDU und SPD unter Kanzler Friedrich Merz nun im Amt, doch die Stimmung im Land ist verheerend. Aktuelle Umfragen sind kein Stimmungsbild mehr, sie sind ein Urteil: Über zwei Drittel der Deutschen haben das Vertrauen in diese Bundesregierung verloren. Fast die Hälfte rechnet fest damit, dass dieses Bündnis keine vier Jahre hält, dass es zu Neuwahlen kommen wird.
Deutschland, so der laute Ruf aus vielen Ecken der Gesellschaft, liegt am Boden. Es braucht eine 180-Grad-Wende, eine radikale Kurskorrektur in Wirtschaft, Sicherheit und Migration. Doch diese Wende, so scheint es, ist mit dem aktuellen politischen Personal nicht machbar. Die Regierung wirkt gelähmt, gefangen im ideologischen Grabenkampf zwischen einer CDU, die konservative Wähler zurückgewinnen will, und einer SPD, die an links-grünen Positionen festhält und jede substanzielle Änderung zu blockieren scheint.

Inmitten dieser angespannten Lage platzt nun eine Bombe, gezündet in einer vermeintlich geheimen Sitzung. Es ist ein einziger Satz, zugeschrieben Unions-Fraktionschef Jens Spahn, der die fragile Statik der Berliner Machtverhältnisse zum Einsturz bringen könnte. Ein Satz, der mehr ist als nur ein politisches Manöver – er ist eine offene Drohung.
“Aber wir werden nicht gemeinsam sterben mit denen.”
Dieser Satz, gefallen am Montagabend während einer Sitzung der CSU-Landesgruppe, ist ein politisches Manifest in sieben Worten. Wie die “Bild”-Zeitung von mehreren Teilnehmern erfuhr, war Spahn zu Gast und sprach ungewöhnlich offen über die Zukunft der schwarz-roten Koalition. Zunächst wiederholte er die übliche Bündnis-Floskel: “Wir gewinnen gemeinsam oder wir verlieren gemeinsam.” Doch dann folgte die brutale Ergänzung, die alles verändert. “Mit denen” – das ist unmissverständlich die SPD.
Die Botschaft ist klar: Die CDU, so Spahn, wird nicht tatenlos zusehen, wie die SPD sie mit in den politischen Abgrund reißt. Die Union ist nicht bereit, für die Verweigerungshaltung des Koalitionspartners den eigenen politischen Ruin in Kauf zu nehmen. Bevor das passiert, so die unmissverständliche Drohung, wird die CDU selbst die Notbremse ziehen.
Diese Angst ist nicht unbegründet. Das Trauma der FDP sitzt tief in den Knochen der etablierten Parteien. Die Liberalen, einst mit über 10 Prozent in die Ampel-Regierung gestartet, wurden innerhalb von drei Jahren für das Mitmachen beim “links-grünen Schwachsinn”, wie es Kritiker nennen, vom Wähler abgestraft. Sie stürzten auf 3 Prozent und flogen hochkant aus dem Bundestag. Ein ähnliches Schicksal ereilte die SPD selbst nach ihrem Wahlsieg 2021, als sie von 26 Prozent auf heute katastrophale 14 Prozent abstürzte. Die Parteien, die eine als deutschlandfeindlich empfundene Politik mittrugen, haben sich selbst zerstört.
Und nun, so die Panik in der Union, ist die CDU an der Reihe. Friedrich Merz, der Kanzler, der mit dem Versprechen angetreten war, die AfD zu halbieren, hat das Gegenteil erreicht. Seit zwei Monaten ist die AfD ununterbrochen stärkste Kraft in den Umfragen, während die CDU im freien Fall scheint. Der Vorwurf wiegt schwer: Merz habe sich als “größter Lügenkanzler” entpuppt. Nur um auf den Kanzlerstuhl zu kommen, sei er der SPD “tief in den Hintern gekrochen” und habe alle konservativen Wahlversprechen gebrochen.
Hier offenbart sich die zweite, noch brisantere Ebene von Spahns “Sterben”-Satz. Richtet er sich wirklich nur gegen die SPD? Oder ist er auch eine kaum verhohlene Kriegserklärung an den eigenen Kanzler, an Friedrich Merz? Spahn hat schon mehrfach durchblicken lassen, dass er mit dem “linken Kuschelkurs” von Merz unzufrieden ist. Direkt nach der Wahl widersprach er dem Kanzler offen und betonte, es gäbe sehr wohl eine Alternative zur SPD.

Jens Spahn, so die Lesart im politischen Berlin, weiß genau, dass mit der SPD kein konservativer Staat zu machen ist. Er weiß, dass die SPD die CDU als “Lügenpartei” mit ihrem “Lügen-Baron” Merz an der Spitze mit in den Abgrund zieht. Die Konsequenz, die in den Hinterzimmern diskutiert wird, ist radikal: Nicht nur der Koalitionspartner SPD muss weg, sondern auch der “linke” Friedrich Merz, der sich aus reinem Machterhalt an die SPD klammert.
Doch was kommt danach? Die Quelle dieser brisanten Informationen, der YouTube-Kanal “Vermietertagebuch”, zeichnet ein Szenario, das die Grundfesten der Bundesrepublik erschüttern würde. Eine 180-Grad-Wende, eine “Rettung Deutschlands”, so die dort vertretene, radikale These, sei einzig und allein mit der AfD möglich.
Zwei Optionen lägen für die CDU auf dem Tisch. Erstens: eine direkte Koalition mit der AfD. Ein Dammbruch, der das gesamte politische Koordinatensystem der Nachkriegszeit verschieben würde, aber eine Option, die angesichts der Umfragewerte der AfD von manchen nicht mehr als völlig absurd abgetan wird. Zweitens: eine CDU-geführte Minderheitsregierung, die sich ihre deutschlandfreundlichen Anträge – so die Diktion – von der AfD tolerieren lässt. Die AfD selbst betone ja immer wieder, sie würde jeden Antrag für Deutschland unterstützen, egal von wem er komme.
Der Stolperstein für beide Szenarien hat einen Namen: Friedrich Merz. Der Kanzler hat wiederholt und unmissverständlich gepredigt, dass es unter seiner Führung “auf gar keinen Fall” eine Zusammenarbeit mit der AfD geben wird. Die logische Schlussfolgerung für die Hardliner in der Union, die Spahn nun zu vertreten scheint: Wenn Merz der Rettung im Wege steht, muss auch Merz weg. “Weg mit Friedrich Merz als Kanzler”, lautet die ungeschminkte Forderung.
Dass eine Regierung, die keine sechs Monate alt ist, bereits derart mit dem Rücken zur Wand steht, ist ein historisches Novum. Nicht einmal die viel gescholtene Ampel-Koalition war zu einem so frühen Zeitpunkt derart desavouiert. Der Grund ist offensichtlich: CDU und SPD passten von Anfang an nicht zusammen. Die SPD, so die Analyse, will den links-grünen Zerstörungskurs der Ampel fortsetzen und reißt nun die CDU mit ins Verderben.
Die Prognosen, die dieser Regierung anfangs zwei Jahre gaben, wirken plötzlich optimistisch. Vielleicht, so wird spekuliert, bricht sie schon nach einem Jahr zusammen. Denn zu allem Überfluss eröffnet sich gerade eine zweite Front, die das wackelige Kartenhaus in Berlin von außen zum Einsturz bringen könnte.
Die Protagonistin dieser zweiten Bedrohung ist Sahra Wagenknecht. Ihr Bündnis (BSW) kämpft mit allen Mitteln für eine Neuauszählung der Stimmen der Bundestagswahl. Wagenknecht wirft Friedrich Merz in einem Brandbrief an Bundestagspräsidentin Julia Klöckner offen vor, diese Neuauszählung zu blockieren – aus purer Sorge um seine Kanzlerschaft.
Die Forderung des BSW ist politischer Sprengstoff. Sollte der Wahlprüfungsausschuss eine Neuauszählung beschließen und das BSW nachträglich in den Bundestag einziehen, stünden der Fraktion mehr als 30 Mandate zu. Diese Mandate würden von Union, AfD, SPD, Grünen und Linken abgezogen. Das Ergebnis wäre ein politisches Armageddon für die Regierung: Die Koalition von Union und SPD verlöre über Nacht ihre parlamentarische Mehrheit.
Die Regierung wäre gescheitert, eine Minderheitsregierung, handlungsunfähig und am Ende. Doch die Implikationen könnten noch viel tiefer gehen. Was passiert mit all den Gesetzen, Beschlüssen und Anträgen, die ein Bundestag in dieser Zusammensetzung verabschiedet hat? Wäre der Bundestag dann “illegal besetzt” gewesen, wie der “Vermietertagebuch”-Kanal spekuliert? Müsste die Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler rückgängig gemacht, als illegal deklariert werden?
Manche Juristen argumentieren, es gäbe einen “Null-Schnitt”, alles Bisherige würde rückgängig gemacht. Andere meinen, ab dem Moment der Neufeststellung gälten einfach andere Mehrheiten. So oder so: Die Regierung wäre am Ende.

Deutschland steht damit vor einer Zerreißprobe. Die Koalition wird von zwei Seiten in die Zange genommen. Von innen durch einen offenen Machtkampf, angeführt von Jens Spahn, der nicht länger bereit ist, für einen Kanzler und einen Koalitionspartner zu “sterben”, die er für den Niedergang verantwortlich macht. Und von außen durch die juristische Zeitbombe der BSW-Klage, die das gesamte Fundament der Regierung wegzusprengen droht.
Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann die Koalition platzt. Wird Jens Spahn der Erste sein, der die Reißleine zieht und das Bündnis aufkündigt, um die Union vor dem Schicksal der FDP zu bewahren? Oder wird Sahra Wagenknecht mit ihrem Antrag auf Neuauszählung der Stimmen in Karlsruhe Erfolg haben und die Regierung juristisch zu Fall bringen? Selten war die Zukunft einer Bundesregierung so ungewiss, so fragil und so von unmittelbarem Zusammenbruch bedroht wie in diesen dramatischen Novembertagen.