Es gibt Tage in der politischen Geschichte einer Nation, die einen Wendepunkt markieren. Tage, an denen das ungeschriebene Gesetz des Respekts vor dem Amt und die geschriebene Pflicht zur Neutralität auf eine harte Probe gestellt werden. Der 9. November, ein Schicksalstag der Deutschen, sollte ein Tag des Innehaltens, der Mahnung und der gemeinsamen Trauer sein. Doch in diesem Jahr wurde er zur Bühne für eine Rede, die das Land nicht eint, sondern in seinen Grundfesten erschüttert und die Spaltung tiefer reißt als je zuvor.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, das nominell höchste Staatsoberhaupt, der Mann, der als “Sprachrohr aller Bürger” agieren und ausgleichend wirken soll, hat eine Rede gehalten, die in die Geschichte eingehen wird. Nicht als Mahnung vor der Vergangenheit, sondern als aktiver Brandbeschleuniger in der Gegenwart. In einer rhetorischen Eskalation, die ihresgleichen sucht, hat Steinmeier die stärkste Oppositionspartei des Landes, die Alternative für Deutschland (AfD), in eine direkte Traditionslinie mit den Nazimördern der Reichspogromnacht von 1938 gestellt.
Dr. Bernd Baumann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, bringt in einer scharfen Replik auf den Punkt, was Millionen von Bürgern als beispiellosen Amtsmissbrauch empfinden. “Nie hat ein Bundespräsident sein Amt so sehr missbraucht”, so Baumann. Steinmeier habe, ohne den Namen der AfD explizit zu nennen, überdeutlich gemacht, wen er meint, als er zu einem Verbotsverfahren aufrief.

Sehen wir uns die Fakten dieser “totalen Brandmauerrede”, wie Baumann sie nennt, genauer an. Steinmeier beginnt seine Ausführungen mit der gebotenen Schwere, beschreibt die Schrecken der Schoah, das unermessliche Leid und die Millionen Toten. Doch dann vollzieht er einen rhetorischen Schwenk, der den Zuhörern den Atem stocken lässt. Er spannt den Bogen vom historischen Grauen direkt zur Gegenwart, zur “Gefährdung unserer Demokratie” heute.
Der Seismograph des 9. November, so Steinmeier, zeige uns, was “zu tun ist”. Und was zu tun ist, macht er unmissverständlich klar. Er spricht von Populisten und Extremisten, die Institutionen verhöhnen, Debatten vergiften und “das Geschäft mit der Angst” betreiben. Dann der fatale Satz: “Das Tabu, sich offen zu solcher Radikalität zu bekennen, gilt für viele Menschen nicht mehr.”
“Solcher Radikalität”? Baumann interpretiert dies als direkte Gleichsetzung mit der Radikalität der Nationalsozialisten. Eine “ungeheure Verleumdung”, so der AfD-Politiker, von einem Staatsoberhaupt, das zur Neutralität verpflichtet sei. Steinmeier treibt es weiter auf die Spitze, indem er die rhetorische Frage stellt, ob “wir” nichts aus der Geschichte gelernt hätten und sich “praktisch seit 1933 nichts geändert” habe. Er warnt davor, “gleichsam hineinzurutschen erst in eine neue Faszination des Autoritären und dann in neue Unfreiheit”, um hinterher nicht sagen zu können, man habe es nicht gewusst.
Die Botschaft ist klar: Die AfD, so die implizite Anschuldigung, ist die Wiederkehr von 1933. Und die Konsequenzen, die Steinmeier daraus ableitet, sind ein Frontalangriff auf die parlamentarische Demokratie. Er fordert nichts Geringeres als ein AfD-Verbotsverfahren. Er verlangt, dass “keinerlei Zusammenarbeit” anderer Parteien mit der AfD in den Parlamenten stattfindet. Er sinniert darüber, AfD-Kandidaten von Wahlen auszuschließen und sie aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten. Alles unter dem Deckmantel, “erklärte Gegner der Demokratie” nicht in die Schaltstellen der Macht eindringen zu lassen. Selbst der “Internetzugang” soll, geht es nach dem Bundespräsidenten, für diese Kräfte begrenzt werden.
Bernd Baumann nennt dies den “maximalen Missbrauch des Amtes”. Statt der Präsident aller Deutschen zu sein, agiere Steinmeier wie ein “Chefankläger”. Er verleumde die größte Wählergruppe und die nach allen Umfragen stärkste Partei des Landes als “Wiedergänger von Völkermördern”. Damit, so Baumann, spalte Steinmeier das Land radikal in “angeblich gut und böse” und markiere die Bösen, die von allem auszuschließen seien.
Diese Rede ist kein Ausrutscher. Sie ist die Spitze einer gigantischen Kampagne der “Diabolisierung, Verteufelung und Entmenschlichung” der AfD, die von der linksgrünen politischen Klasse bis tief in die CDU hinein getragen wird, wie Baumann analysiert. Steinmeier reiht sich ein, von der höchsten Warte des Staates, in den Chor derer, die die Opposition nicht politisch bekämpfen, sondern moralisch vernichten wollen.
Die verheerenden Auswirkungen einer solchen Rhetorik von ganz oben zeigen sich, so Baumann, in der brutalen Realität auf der Straße. Nur eine Woche vor Steinmeiers Rede eskalierte die Gewalt von “ganz unten”, vom Straßenkampf der Antifa. “Die linksgrünen Bodentruppen”, wie Baumann sie nennt, zündeten das fünfte Auto vor seinem Privathaus in Hamburg an – innerhalb eines einzigen Jahres. Dies sei kein abstrakter Vandalismus, sondern eine direkte Bedrohung, begleitet von einem “offenen Aufruf, mich zu ermorden”.

Hier zeigt sich die gefährliche Schere, die sich in Deutschland aufgetan hat: Während das Staatsoberhaupt von der Kanzel herab die Opposition moralisch mit Massenmördern gleichsetzt und damit quasi für vogelfrei erklärt, setzen die gewalttätigen Arme des Linksextremismus diese Rhetorik in die Tat um. Die verbale Aufrüstung von oben liefert die ideologische Rechtfertigung für die physische Gewalt von unten.
Die Situation in Deutschland ist im internationalen Vergleich eine bizarre Anomalie. Baumann zieht den Vergleich zu Schwesterparteien: In den USA regiert ein Donald Trump, in Italien eine Giorgia Meloni. In vielen anderen westlichen Ländern sind konservative und patriotische Kräfte, mit einem “fast gleichen parteipolitischen Programm”, auf dem Vormarsch, gewinnen Wahlen und übernehmen Regierungsverantwortung. Der demokratische Machtwechsel, so Baumann, funktioniere dort.
Nur in Deutschland laufe die “linksgrüne Klasse” Amok. Sie verleumde, lüge, missbrauche Ämter, Medien und Institutionen. Der Kern des Problems sei, so Baumanns bittere Analyse, dass sich diese Klasse “weigert, abgewählt zu werden”. Sie weigere sich, die Macht zu übergeben und sich dem demokratischen Wählervotum zu beugen.
Steinmeiers Rede ist in diesem Kontext mehr als nur eine Entgleisung. Sie ist der Versuch, den demokratischen Wettbewerb selbst außer Kraft zu setzen, indem man den stärksten Konkurrenten als das absolut Böse definiert, mit dem es keine Auseinandersetzung, sondern nur einen Vernichtungskampf geben kann.
Die Frage, die sich nun stellt, ist, wie die Gesellschaft auf diesen Tabubruch reagiert. Das Land ist tief gespalten. Die einen werden Steinmeier für seine “klare Kante” applaudieren und die Gleichsetzung der AfD mit den Nazis als mutig und notwendig empfinden. Die anderen, und das sind nicht nur die Wähler der AfD, sehen mit Entsetzen, wie das höchste Staatsamt zur Waffe im parteipolitischen Kampf gemacht wird, wie historische Vergleiche auf unerträgliche Weise relativiert und missbraucht werden, um politische Gegner zu delegitimieren.
Bernd Baumann schließt seine Replik mit einer Mischung aus Trotz und Hoffnung. Er ist überzeugt, dass der Wähler sich “das nicht bieten lässt”. Die Angriffe, die Diabolisierung, die Brandanschläge – all das habe die Partei in den Umfragen nur stärker gemacht. “Nur der Wähler kann dieses Treiben stoppen, und der wird das auch stoppen”, erklärt Baumann. “Wir werden immer stärker. Und das ist die einzige Hoffnung für uns und für Deutschland.”

Am Ende bleibt ein Bundespräsident, der seine historische Rolle als Einiger der Nation aufgegeben hat, um sich an die Spitze einer Bewegung zu setzen, die einen wachsenden Teil ebenjener Nation aus dem demokratischen Diskurs ausschließen will. Der 9. November hat durch diese Rede eine neue, düstere Bedeutung bekommen. Er ist nicht mehr nur ein Tag der Mahnung vor der Vergangenheit, sondern auch ein Tag, der die tiefe Spaltung der Gegenwart offenbart – eine Spaltung, die vom höchsten Amt im Staat aktiv vorangetrieben wird.