Ein virales Video einer Straßenumfrage, das derzeit auf der Plattform X (ehemals Twitter) und anderen sozialen Medien für Furore sorgt, legt die tiefe Zerrissenheit und die angespannte Atmosphäre in Deutschland schonungslos offen. Was als routinemäßige Befragung von Passanten zum deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier begann, eskalierte auf eine Weise, die viele Zuschauer fassungslos zurücklässt. Im Mittelpunkt: Ein Journalist des Mediums “Kontrafunk”, die kontroversen Ansichten der Bürger und eine Begegnung, die sinnbildlich für die aktuelle gesellschaftliche Reizbarkeit steht.
Das Video, veröffentlicht vom YouTube-Kanal “DER GLÜCKSRITTER”, ist eine Reaktion auf die Original-Umfrage von “Kontrafunk”. Der Moderator des Kanals, der seine Begeisterung für die schonungslosen Straßenbefragungen von “Kontrafunk” nicht verbirgt, kündigt bereits zu Beginn an, ihm sei bei manchen Antworten “die Hutschnur geplatzt”. Im Fokus der Umfrage stand Steinmeiers jüngster Aufruf zum “Widerstand gegen die Feinde unserer Demokratie” – eine Äußerung, die weithin als direkte Adressierung der AfD verstanden wurde.
Die Umfrage selbst zeichnet ein polarisiertes Bild. Ein Passant kritisiert Steinmeiers Aufruf scharf: “Wie kann man eigentlich jetzt für Demokratie sein, wenn man eine demokratische Partei, dagegen Widerstand leisten möchte? Sollen doch die Wähler bitte selber entscheiden, welche Partei sie wählen.” Ein anderer Befragter äußert zwar seine generelle Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik und auch mit der AfD, betont aber das demokratische Recht der Bürger, die Partei zu wählen, wenn sie es wünschen.

Der “GLÜCKSRITTER”-Moderator wirft an dieser Stelle die Frage auf, wie man unzufrieden sein könne, aber gleichzeitig eine Alternative von vornherein ausschließe. “Wenn wir doch die Altparteien die ganze Zeit in der Regierung sehen und es wird nicht besser, dann müssen wir natürlich mal was anderes ausprobieren”, kommentiert er und zitiert die Definition von Wahnsinn: “immer wieder das gleiche zu machen und andere Ergebnisse zu erhoffen.”
Interessant wird es, als der “Kontrafunk”-Reporter auf eine Frau trifft, die angibt, mit Steinmeier studiert zu haben. Auf die Frage, ob er damals ein “Linksradikaler” gewesen sei, weicht sie aus: “Ach Gott, an der Uni, wir waren doch alle anders aufgestellt damals. […] Wir waren einfach nicht eine so angepasste Generation, wie es heute ist.” Eine Antwort, die der YouTuber als vielsagendes Ausweichen interpretiert.
Die Umfrage streift weitere brisante Themen: Die Zuwanderungspolitik im Rahmen des “Work and Stay”-Programms, das Narrativ des Fachkräftemangels und die Energiepolitik. Ein Passant beklagt zynisch, dass die Bürger die Senkung der Strompreise für die energieintensive Industrie über ihre eigenen, steigenden Rechnungen finanzieren müssten. Der YouTuber kritisiert in diesem Zusammenhang das Ausbleiben des angekündigten “schwarzen Wirtschaftswunders” unter Beteiligung der CDU und die als “unsinnig” bezeichnete Energiepolitik, bei der Gaskraftwerke gebaut werden müssen, um die erneuerbaren Energien abzusichern.
Der eigentliche Skandal, der dem Video seinen Titel gibt und die Stimmung zum Kippen bringt, ereignet sich jedoch gegen Ende der Umfrage. Der “Kontrafunk”-Reporter trifft auf eine Frau, die sich als “gegen rechts” positioniert, aber Wert darauf legt, “keine Oma” zu sein. Die Stimmung ist bereits angespannt, als der Reporter im weiteren Verlauf des Tages eine andere Passantin anspricht.

Nachdem ein Mann ihm gegenüber den Wunsch nach “einer neuen Frau und zwei Tage Party” äußert, wendet sich der Reporter an eine vorbeigehende Dame und sagt: “Jetzt habe ich noch eine gut aussehende im Film.” Eine Bemerkung, die offenbar als Kompliment gedacht war, löst bei einer anderen Frau, die das Gespräch mitbekommt, eine heftige Reaktion aus.
“Oh! Und das finde ich wieder so eine Bemerkung, die echt nicht sein muss! Ja, das ist echt übel!”, wirft sie dem Reporter empört vor. Der “GLÜCKSRITTER”-Moderator bricht an dieser Stelle die Analyse ab und zeigt sich fassungslos: “Also am liebsten sollen also diese Frauen, die wollen am besten Beleidigungen hören, oder? Bin ich der einzige, der das einfach nur als ganz normales Kompliment aufgefasst hat?” Er spekuliert, dass Kritiker sofort mit “Ismuswörtern” um sich werfen und es als Unterdrückung brandmarken würden, wenn ein “alter weißer Mann” einer Frau ein Kompliment mache.
Diese Szene, nur wenige Sekunden lang, wird zum Epizentrum der Debatte. Sie zeigt, wie tief die Gräben sind und wie schnell eine alltägliche Interaktion in der aufgeladenen Atmosphäre als feindseliger Akt interpretiert werden kann. Das Video von “Kontrafunk”, verstärkt durch die Reaktion des “GLÜCKSRITTER”, wird so zu einem Dokument der gesellschaftlichen Polarisierung.
Der YouTuber schließt mit einer finalen Kritik an Steinmeier. Dessen Reden, so seine These, seien die “beste Werbung für die AfD”, da die Wähler dessen “verblümte” Botschaften mittlerweile durchschauen würden. Anstatt das Land zu einen, was die eigentliche Aufgabe des Bundespräsidenten sei, habe Steinmeier mit seinen Äußerungen die Spaltung weiter vorangetrieben.

Die virale Straßenumfrage und die wütende Reaktion auf ein mutmaßliches Kompliment werfen ein Schlaglicht auf ein Land, das in vielerlei Hinsicht unter Hochspannung steht. Wo die einen ein harmloses Kompliment sehen, wittern die anderen Sexismus. Wo die einen einen legitimen Aufruf zur Verteidigung der Demokratie hören, sehen die anderen einen undemokratischen Angriff auf die Opposition. Die Eskalation auf offener Straße ist ein beunruhigendes Symptom für eine Gesellschaft, in der der gemeinsame Nenner verloren zu gehen droht.