Vom 60-Euro-Import zum 10.000-Euro-Krieg: Wie zwei Pokémon-Boxen Bares für Rares auf den Kopf stellten

Es gibt Momente bei „Bares für Rares“, die das eingespielte Ritual aus altem Silber, verstaubten Dachbodenfunden und ehrwürdigen Gemälden durchbrechen. Momente, in denen der Moderator Horst Lichter, der Inbegriff der gemütlichen Trödel-Expertise, sichtlich mit der Welt ringt, die da vor ihm auf dem Expertentisch steht. Die XXL-Abendshow, ohnehin schon ein Schauplatz für größere Kaliber, erlebte genau solch einen Paukenschlag, als ein junger Mann namens Monti, begleitet von seinen Freunden, die ihn zur Teilnahme überredet hatten, die Bühne betrat. Monti, von Beruf Regisseur und Produzent, strahlte eine ruhige Nervosität aus, die Lichter sofort bemerkte.

Doch was Monti mitgebracht hatte, passte so gar nicht in die gewohnte Kulisse. Es war kein funkelnder Diamantring, keine jahrhundertealte Bronze-Statue. Es waren zwei bunte Pappkartons. Horst Lichter, sichtlich verwirrt, starrte auf die Objekte. „Pokémon Karten?“, fragte er ungläubig. „Nee, echt? Jetzt weißt du von Pokémon so viel wie ich“, scherzte er in Richtung des Experten Detlev Kümmel. „Hier, der mit dem Trödel hier, ne? Nix Trödel hier. Wir sind voll im Trend“, konterte Kümmel sofort und setzte damit den Ton für eine der unglaublichsten Expertisen der Showgeschichte.

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Was folgte, war eine Lektion in modernem Wert, Spekulation und der Macht der Popkultur, die selbst den erfahrenen Horst Lichter fassungslos zurückließ. Dies war nicht nur ein Verkauf; es war ein Generationenkonflikt, ausgetragen auf dem Feld von versiegelter Pappe.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit: zwei makellose, original verschweißte Boxen. Wie Experte Detlev Kümmel erklärte, handelte es sich nicht um irgendwelche Karten. Es waren sogenannte „Promoboxen“, die 2016 in einer extrem seltenen Kollaboration zwischen der Pokémon Company, Nintendo und Gamefreak exklusiv in Japan auf den Markt kamen. Das Besondere: Sie zeigten das weltberühmte Pokémon Pikachu, verkleidet als die Nintendo-Ikonen Mario und Luigi. Diese Boxen wurden nie in Deutschland angeboten und Monti hatte sie 2016, lange vor dem globalen Hype, direkt aus Japan importiert.

Lichters Verwirrung wuchs, als er erfuhr, was sich in den relativ großen Boxen befand. „Man könnte annehmen, dass die komplett voll ist mit Karten“, so Kümmel. „Nein, das ist ja überhaupt nicht der Fall.“ Die schockierende Enthüllung: Jede Box enthält gerade einmal zwei Karten. Zwei. Eine „Holo Card“ und eine „Full Art Card“. Der Rest ist Zubehör wie Kartenhüllen. Der wahre Wert, so der Experte, liegt nicht im Inhalt, sondern in der Tatsache, dass die Boxen ungeöffnet sind. „Das Besondere ist halt, dass sie versiegelt sind. Er hat sie nie aufgemacht.“

Monti selbst erzählte die Geschichte hinter dem Kauf. Er habe damals schon „geahnt, dass das was Besonderes ist“ und sie als Wertanlage im Hinterkopf behalten. Eine Entscheidung, die ihm unglaubliche Disziplin abverlangte. „Also es hat mir jetzt schon neun Jahre in den Fingern gejuckt, die aufzumachen, aber Gott sei Dank [nicht]“, gestand er.

Der Hype um Pokémon-Karten, so Kümmel, sei in den letzten Jahren durch Streamer und Influencer explodiert, aber der Trend des Sammelns versiegelter Objekte komme, wie so oft, aus den USA. Dort werden Videospiele oder Baseballkarten aus den 20er und 30er Jahren für astronomische Summen gehandelt. Der Wert wird durch professionelle Grading-Firmen bestimmt, die den Zustand von Karte und Verpackung bewerten. Bei Montis Boxen sei der Zustand perfekt. Keine Risse in der Folie, keine Dellen im Karton. Um diesen Zustand zu erhalten, hatte der Verkäufer sogar passgenaue Acrylboxen anfertigen lassen.

Als Horst Lichter nach dem Wert fragte, wurde es still im Studio. Kümmel holte aus: „Die teuerste verkaufte Karte war knapp an die 5 Millionen.“ Dem Moderator entglitten kurz die Gesichtszüge. „5 Millionen Euro? Für ’ne Sammelkarte?“ Lichter, der sonst Preise von Ölgemälden taxiert, war fassungslos. „Na ja, gut, aber wie das so ist, ne? Jedem Tierchen sein Pläsierchen.“ Er wandte sich an Monti: „Monti, du bist übrigens ein Freund von mir, ne?“

Bares für Rares: Horst Lichter gewinnt seine Wette - neuer Händler Ferdi  zahlt das Dreifache! | swp.de

Dann kam der Moment der Wahrheit. Was hatte Monti, der Regisseur mit dem guten Riecher, damals bezahlt? „Ich habe damals tatsächlich für beide Boxen zusammen, inklusive Versand, 60 Euro bezahlt.“

Ein Raunen ging durch das Publikum. Von 60 Euro. Und was wollte er heute dafür haben? Monti zögerte: „Das ist mir fast ein bisschen peinlich.“ Er enthüllte, dass er bereits ein Angebot von einem Händler aus Hannover über 9.500 Euro hatte. Sein Mindestziel für die Show: 9.600 Euro.

Detlev Kümmel nickte anerkennend. Das Angebot war nicht überzogen. Seine eigene Expertise lag „definitiv zwischen 9.500 und 11.500 Euro“. Mit einer Händlerkarte im Wert von über 10.000 Euro für zwei Pappkartons, die 60 Euro gekostet hatten, wurde ein sichtlich euphorisierter Monti in den Händlerraum geschickt.

Dort wartete bereits eine gespannte Runde. Die Händler, sonst eher auf Schmuck und Möbel geeicht, wirkten neugierig. Julian, ein Händler, der für seine modernen und oft mutigen Käufe bekannt ist, signalisierte sofort Interesse: „Das beste Geschäft, was ich im Jahr 2024 gemacht habe, war der Nachlass einer riesigen Magic-Karten- und Pokémon-Sammlung.“ Die Bühne war bereitet.

Monti präsentierte die Boxen, erklärte die Versiegelung und die Acryl-Schutzhüllen. Die Frage kam auf, wie viele Karten denn enthalten seien. „Zwei“, antwortete Monti kühl. Ungläubiges Schweigen im Raum. „Zwei Karten nur? Ich habe gedacht, da sind 50 in der Kiste!“, rief einer der Händler.

Doch Julian wusste Bescheid. Er kannte den Markt. Er zögerte nicht und eröffnete das Gefecht: „Ich möchte jetzt vielleicht etwas ins Rollen bringen. Ich starte mit 3.000.“ Ein anderer Händler lachte: „Ich roll da nicht mit.“

Doch das Lachen verging schnell. Es folgte ein Bietergefecht im Sekundentakt. 3.200! 3.300! 3.400! 3.500! Die Gebote flogen hin und her. Julian erhöhte auf 4.000. Die Konkurrenz zog mit. 4.100, 4.200, 4.300… bei 5.000 schien kurz Ruhe einzukehren. Julian blickte sich um. „Höhere Schritte!“, forderte er mutig. Die Gebote kletterten weiter. 5.100, 5.200, 5.500…

Dann ein Sprung auf 6.000. Es wurde ruhiger. Nur noch Julian und ein Konkurrent waren im Rennen. Bei 6.200 Euro stoppte das Gefecht. Der Händler wandte sich an Monti: „Was wäre denn der gewünschte Preis?“

Jetzt spielte Monti seinen Trumpf aus. Er erzählte von dem Angebot über 9.500 Euro vom Händler aus Hannover. „Also du sagst, unter 9.500 geht’s nicht, weil das Angebot hast du schon?“ Monti nickte. „9.600 sage ich mal.“

Die Händler zogen die Luft ein. Die Summe war astronomisch für ein Objekt, das die meisten von ihnen bis vor wenigen Minuten als Spielzeug abgetan hätten. Das Gebot von 6.200 Euro wirkte plötzlich winzig. Es war der Moment, der den Deal hätte platzen lassen können.

Doch Julian, der Händler, der seinen Pokémon-Nachlass im Kopf hatte, sah seine Chance. Er zögerte keine Sekunde. Er sah Monti an und sagte den Satz, der den “Kampf”, wie es im Videotitel hieß, beendete: „Ich geb’ Ihnen 10.000!“

Stille. Dann ein ungläubiges Lachen von Monti. „Stark!“, sagte er, sichtlich überrumpelt. „Es ist nicht so einfach, aber 10 ist für mich absolut okay!“ Der Deal war besiegelt. 10.000 Euro.

Julian zückte ein Bündel 100-Euro-Scheine und begann zu zählen. Er legte 2.000 Euro in bar auf den Tisch, den Rest würde er überweisen. Monti, zitternd vor Adrenalin, schüttelte die Hände und verließ den Raum unter Applaus.

Bares für Rares: Verkäufer zerreißt 5-Euro-Schein im Händlerraum | STERN.de

„Es fällt mir unglaublich schwer zu glauben, was gerade passiert ist“, stammelte der Verkäufer im Interview danach, flankiert von seinen Freunden. „Bin super geschockt, bin aber auch sehr glücklich und kann jetzt auf jeden Fall gut nach Hause gehen und eine Runde Bier ausgeben für die Jungs.“

Dieser Verkauf war mehr als nur ein guter Deal. Er war der Beweis, dass der Wert von “Trödel” neu definiert wird. Eine Investition von 60 Euro, verwandelt durch Geduld, Weitsicht und einen globalen Hype in 10.000 Euro. An diesem Abend im XXL-Studio von „Bares für Rares“ hat nicht nur Monti gewonnen. Es hat eine neue Generation von Sammlern gewonnen, deren Schätze nicht aus Gold und Silber, sondern aus Pappe und Nostalgie bestehen. Horst Lichter wird sich wohl oder übel an den “Trend” gewöhnen müssen.

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