„Wir sehen uns im siebten Himmel“: Der minutiös geplante Abschied der Kessler-Zwillinge und der Brief, der alles erklärt

München/Grünwald – Es gibt Geschichten, die klingen wie ein Drehbuch, zu perfekt, zu dramatisch, um wahr zu sein. Und dann gibt es das Leben von Alice und Ellen Kessler, das schon immer spektakulärer war als jede Fiktion. Am 17. November 2025 endete dieses Leben, so wie es begonnen hatte: gemeinsam. In ihrem Haus im noblen Münchner Vorort Grünwald nahmen die 89-jährigen Show-Legenden Abschied – selbstbestimmt, Seite an Seite, Hand in Hand. Die Nachricht von ihrem assistierten Suizid schlug ein wie ein Blitz, doch für diejenigen, die die unzertrennliche Symbiose der beiden kannten, war es der einzig denkbare Schlussakkord. Nun, Tage später, kommen Details ans Licht, die beweisen: Dieser Abgang war kein verzweifelter Impuls, sondern der letzte, große Auftritt zweier Perfektionistinnen.

Ein Leben im Gleichschritt – bis zum letzten Atemzug

Alice und Ellen waren nie nur Schwestern. Sie waren eine Einheit, ein „doppeltes Lottchen“ des Showbiz, das über Jahrzehnte die Bühnen der Welt von Paris bis Las Vegas eroberte. „Ein Leben ohne die andere? Unvorstellbar“, sagten sie oft in Interviews. Doch das Alter machte auch vor den glamourösen Zwillingen nicht Halt. Beide litten unter schwerer Arthrose, jeder Schritt schmerzte. Ellen kämpfte zudem mit den Folgen eines Schlaganfalls. Die Angst vor Pflegebedürftigkeit, vor dem Verlust der Kontrolle und vor allem davor, allein zurückzubleiben, wog schwerer als der Wille, das Leiden zu verlängern.

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Der 17. November war kein zufälliges Datum. Es war das Ergebnis monatelanger, stiller Vorbereitungen. Wie das Transkript eines Lebens, das zu Ende geht, planten sie ihren Ausstieg mit einer fast unheimlichen Akribie.

Die Generalprobe für den Tod

In den Wochen vor ihrem Tod inszenierten Alice und Ellen eine Art private Abschiedstournee. Sie besuchten noch einmal ihre Lieblingsrestaurants in München, bestellten die Gerichte, die sie so liebten, und sogen die Atmosphäre ein letztes Mal auf. Sie gingen ins Theater, saßen in der Premiere, applaudierten den Kollegen auf der Bühne, während sie innerlich wohl schon längst „Adieu“ gesagt hatten. Es war, als wollten sie sich sattsehen am Leben, bevor sie das Licht ausmachten.

Ein Detail, das besonders unter die Haut geht, ist die Kündigung ihres Abonnements bei der Münchner Abendzeitung. Auf dem Formular stand zunächst der 30. November. Doch dann, mit fester Hand, korrigierten sie das Datum auf den 17. November. Ein bürokratischer Akt, der plötzlich eine monströse Endgültigkeit bekam. An diesem Tag sollte keine Zeitung mehr im Briefkasten liegen, die niemand mehr lesen würde.

Das Paket, das nicht geöffnet werden durfte

Das emotionalste Kapitel dieses Dramas spielte sich jedoch im Verborgenen ab. Wenige Tage vor ihrem Tod schickten die Zwillinge Pakete an ihre engsten Vertrauten, darunter die Moderatorin Carolin Reiber und die Sängerin Bibi Johns. Auf den Päckchen prangte eine warnende Aufschrift: „Nicht öffnen vor dem 18. November.“

Als Carolin Reiber, die ahnungslose Nachbarin und Freundin, das Paket am besagten Tag öffnete, war die Welt bereits eine andere. Darin fand sie nicht nur persönliche Erinnerungsstücke – eine wertvolle Jadekette, die die Schwestern oft getragen hatten –, sondern auch einen Brief, der nun als ihr Vermächtnis gilt.

Die Zeilen, handgeschrieben und von beiden unterzeichnet, sind von einer schlichten, aber wuchtigen Poesie: „Wir sind zusammen auf die Welt gekommen und werden sie auch zusammen verlassen. Seid nicht traurig, wir sehen uns im siebten Himmel wieder.“

Kein Wort des Bedauerns, keine Spur von Angst. Nur die tiefe Gewissheit, dass dieser Schritt der richtige war. „Wir sind dankbar, dass es die Möglichkeit des assistierten Todes gibt“, schrieben sie. „Er hat uns viel erspart.“

Alice und Ellen Kessler: Adieu nach 89 Jahren | EMMA

Ein Erbe der Menschlichkeit

Die Nachricht von ihrem Tod löste eine Welle der Bestürzung, aber auch des Respekts aus. In einer Gesellschaft, die das Altern und Sterben oft tabuisiert, setzten die Kessler-Zwillinge ein radikales Zeichen für Selbstbestimmung. Sie gingen nicht als Opfer ihrer Gebrechen, sondern als Herrinnen ihres Schicksals.

Ihr Vermögen, das sie in ihrer jahrzehntelangen Karriere erwirtschaftet hatten, vermachten sie wohltätigen Zwecken, unter anderem „Ärzte ohne Grenzen“. Auch das war typisch Kessler: Diszipliniert bis zuletzt, dachten sie an andere, wenn es um das Materielle ging. Doch emotional gehörten sie nur sich selbst.

Die geplante Doppelbestattung in einer gemeinsamen Urne ist das letzte Symbol ihrer Unzertrennlichkeit. Im Tod, wie im Leben, passt kein Blatt Papier zwischen Alice und Ellen.

Der letzte Vorhang

Wenn wir heute auf das Leben der Kessler-Zwillinge zurückblicken, sehen wir mehr als nur die langen Beine des deutschen Fernsehens. Wir sehen eine Geschichte über eine Bindung, die so stark war, dass sie selbst den Tod nicht fürchtete, sondern ihn als Erlösung und Wiedervereinigung begriff. Ihr Abschied war leise, aber das Echo ist gewaltig.

Alice und Ellen Kessler

In den Wohnzimmern der Nation, in den Cafés von München und auf den Seiten der Zeitungen bleibt eine Frage zurück, die uns alle berührt: Hätten wir den Mut, so zu lieben und so zu gehen? Alice und Ellen Kessler haben ihre Antwort gegeben. Und vielleicht sitzen sie jetzt wirklich irgendwo dort oben, im „siebten Himmel“, tragen ihre Jadeketten und stoßen mit einem Glas Champagner auf ihren letzten, perfekten Auftritt an.

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