Der Kipppunkt der Glaubwürdigkeit: Wie die Regierung mit gebrochenen Versprechen das Vertrauen zerstörte und ein Soziologe Dunja Hayalis frustrierende Wahrheit enthüllte

Der Kipppunkt der Glaubwürdigkeit: Wie die Regierung mit gebrochenen Versprechen das Vertrauen zerstörte und ein Soziologe Dunja Hayalis frustrierende Wahrheit enthüllte
Berlin – Die Debatte um das wachsende Misstrauen in die Demokratie und den Aufstieg der sogenannten „Rechtsaußen“-Parteien hat die politische und mediale Landschaft Deutschlands längst polarisiert. Doch selten wurde die Frustration des etablierten Systems so offengelegt wie in einem aktuellen Podcast-Gespräch, in dem die Journalistin Dunja Hayali auf den Soziologen Aladin El-Mafaalani traf. Hayali, bekannt für ihre Positionen, sah sich mit einer schonungslosen Analyse konfrontiert, die den Kern des Problems nicht in den „extremen“ Wählern, sondern im Versagen der politischen Elite selbst verortet.
Das Gespräch entwickelte sich zu einem Brennglas der aktuellen gesellschaftlichen Stimmung. El-Mafaalani, der sich intensiv mit der Thematik beschäftigt hat, legte dar, dass das Misstrauen der Bürger gegenüber dem Staat und der Demokratie nicht unbegründet sei, sondern auf „gute Gründe[n]“ beruhe. Es ist eine Krise, die nicht kosmetisch, sondern existentiell ist, und die sich mit jeder politischen Fehlentscheidung der etablierten Parteien weiter zuspitzt.
Der Irrtum vom Verbot: Man kann das Denken nicht verbieten
Ein zentraler Konfliktpunkt in der Debatte ist die Forderung nach einem Verbot der AfD. Hayali, die anfangs noch die Wichtigkeit betonte, mit „Experten und Expertinnen“ zu sprechen, um eine eigene Meinung zu bilden, traf auf eine bittere Wahrheit:
„Selbst wenn du sie verbietest, dann kommt doch einfach die nächste Partei**. Und ich denke immer, dass du damit ja nicht das Denken oder die Ideologien oder die Überzeugung von Menschen, die diese Partei wählen, aus den Köpfen auslöst****. Also du kannst sie verbieten, aber du kannst den Menschen nicht das Denken verbieten oder das Glauben oder das Meinen oder Fake News verbreiten****. Das geht halt nicht.“**
Für Dunja Hayali war dies offenbar ein echtes Problem, ein Moment der tiefen Frustration. Die Erkenntnis, dass das Verbieten einer Partei die zugrundeliegende Ideologie, die Haltung und das Misstrauen der Wähler nicht ändert, entzieht den populärsten politischen Lösungsansätzen die Grundlage.
Hinzu kommt Hayalis „merkwürdiges Rechtsverständnis“, das die Notwendigkeit einer unabhängigen Judikative infrage stellte. Sie argumentierte, wenn man das Ergebnis eines Verbotsverfahrens schon vorher wüsste, bräuchte man keine unabhängige Judikative. Der Kommentator hielt dagegen: Die Judikative ist nicht dazu da, Vorhersagen zu bestätigen oder zu widerlegen, sondern um Recht zu sprechen. Die Tatsache, dass Hayali die Notwendigkeit einer Kontrollinstanz infrage stellt, wenn sie das Ergebnis vermeintlich schon kennt, offenbart eine tiefe Vertrauenskrise in die eigenen demokratischen Prozesse.
Der Kipppunkt des Vertrauens: Mit jeder Krise schlimmer
Aladin El-Mafaalani beleuchtete die historischen Ursprünge des Misstrauens, das er als einen „Kipppunkt“ beschreibt, ähnlich dem in der Klimapolitik: Einmal überschritten, lässt sich das Vertrauen nicht schnell wiederherstellen.
Dieses Prozess, in dem „aus Vertrauen Misstrauen wird“, begann nicht erst in jüngster Zeit, sondern steigerte sich mit jeder Krise seit 2008.
Der entscheidende „letzte Kipppunkt“ entstand laut der Analyse im Jahr 2020, was auf die Corona-Maßnahmen und die damit einhergehende Missachtung der Grundrechte hindeutet. Aber auch die Nichteinhaltung von Wahlversprechen spielt eine entscheidende Rolle.
Die Quintessenz von El-Mafaalanis Analyse lautet: „In der heutigen Situation Erwartungen zu enttäuschen, ist das Schlimmste, was man machen kann“.
Vertrauen basiere auf positiven Erwartungen an die Regierung oder Partei. Wenn eine Regierung jedoch „eine Woche später das Gegenteil von dem, was angekündigt ist,“ macht, sei dies „praktisch per Definition ein Vertrauensbruch“ – ein Bruch, der von den Bürgern „gefühlt und in der Realität“ wahrgenommen werde. Die AfD sei damit nicht die Ursache, sondern lediglich der „Ausdruck“ dessen, dass immer mehr Menschen das Vertrauen in das politische System und den Staat verloren hätten.
Das Versagen des Staates: Wo Monopole kollabieren
Die Kritik richtet sich nicht nur gegen gebrochene Versprechen, sondern gegen das fundamentale Versagen des Staates in seinen Kernaufgaben. El-Mafaalani identifiziert zentrale Bereiche, in denen der Staat eigentlich Monopolist sein sollte, aber „im Argen liegt“:
Äußere Verteidigung/Sicherheit: Deutschland könne sich im Verteidigungsfall „gerade nicht verteidigen“.
Bildungssystem: Das Bildungssystem liege „brach“.
Gesundheitssystem: Auch hier gebe es erhebliche Probleme.
Gleichzeitig mische sich der Staat „ganz schön häufig in Dinge ein, die er nicht machen müsste“, und sei den Bürgern gegenüber „total misstrauisch“. Frei nach dem Lenin-Zitat „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, kontrolliere der Staat mittlerweile wirklich viel und verbiete immer mehr. Stattdessen solle er nur einen Rahmen schaffen, in dem sich die Bevölkerung sicher fühle und entfalten könne.
Bedrohte Identität: Abstiegsangst und Alleinverdiener

Die politische Frustration ist für El-Mafaalani untrennbar mit der existentiellen Angst der Bürger verbunden. Er nennt das konkrete Beispiel des Mannes, der in seiner Identität als Alleinverdiener bedroht ist:
„Wenn ich als Mann, der gerne Alleinernährer in meiner Familie wäre und gerne mit meiner Arbeit die ganze Familie ernähren würde […] wenn diese Gesellschaft und diese Politik mir das nicht mehr ermöglicht, dass man dann zunehmend ein Problem damit hat, dieser Politik dann zu vertrauen.“
Die Verschiebung des traditionellen Familienkonstrukts und das nicht mehr vorhandene „Aufstiegsversprechen“ – mit dem Gefühl, der „Abstieg naht eher“ – schwächen die Vertrauensbereitschaft massiv. Wenn dann noch Krisen dazukommen und die Politik „handlungsunfähig erscheint“, sehen sich die Bürger in ihrer Identität und in ihrem Heimatgefühl bedroht.
Die Rolle der „Alternativen Medien“
Im Gegensatz zur oft pauschalen Verurteilung alternativer Medien als reinen Propagandakanal, betont der Kommentator deren wichtige Kontrollfunktion. Er argumentiert, eine „Alternative zu haben, finde ich persönlich wirklich etwas sehr Gutes“.
Der Kommentator des Videos geht noch weiter und bezeichnet alternative Medien und Social Media als „Brennglas“, das den anderen Teil der Geschichte beleuchtet. Allein dadurch, dass sie existieren, zwingen sie die öffentlich-rechtlichen Medien dazu, „sich mehr anzustrengen“. Ohne sie hätte man „wirklich nur einen Teil der Geschichte“.
Die Diskussion über die Verschiebung der politischen Mitte wird ebenfalls kritisch beleuchtet. Es wird die Frage gestellt, ob sich die „Rechtsaußen Position und Meinung“ nicht mittlerweile so „in die Mitte verschoben“ oder „hinein legitimiert“ hat, dass Aussagen wie „die Migration ist zu viel“, „Deutschland ist überlastet“ oder dass die Unsicherheit auf den Straßen größer wird, als „kann man doch so sagen“ empfunden werden.
Zusammenfassend liefert die Analyse von Aladin El-Mafaalani eine bittere Wahrheit, die Dunja Hayalis Frustration erklärt: Die Lösung liegt nicht in Verboten oder in der Dämonisierung der AfD-Wähler, sondern in der Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Regierung. Solange der Staat seine Kernaufgaben vernachlässigt, zu hohe Steuern erhebt und Erwartungen permanent enttäuscht, wird das Misstrauen wachsen. Die Wahl der AfD ist damit der Ausdruck eines kaputten Systems, das seinen Bürgern das Vertrauen gebrochen hat und nun mit den Konsequenzen leben muss. Nur durch die Wiederherstellung positiver Funktion und das Einlösen von Versprechen kann der Kipppunkt der Glaubwürdigkeit vielleicht doch noch abgewendet werden.