DER KLARTEXT-SKANDAL: Bosbachs Generalabrechnung mit Hayali und der “Wahrheits-Tabu”-Politik

DER KLARTEXT-SKANDAL: Bosbachs Generalabrechnung mit Hayali und der “Wahrheits-Tabu”-Politik

Es gibt Momente im Fernsehen, die sind mehr als nur Unterhaltung. Sie sind Eruptionen. Sie sind die Momente, in denen die sorgfältig aufgebaute Fassade der öffentlichen Debatte Risse bekommt und der aufgestaute Frust einer Nation unkontrolliert herausbricht. Ein solcher Moment ist die Konfrontation zwischen dem CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach und der medialen Öffentlichkeit, oft symbolisiert durch Gesichter wie Dunja Hayali. Ein Moment, der in der explosiven, wenn auch zugespitzten, Frage gipfelt: Hält man die Bürger dieses Landes eigentlich für dumm?

In einer TV-Landschaft, die oft von moralischer Selbstsicherheit und einer klaren Trennung von Gut und Böse geprägt ist, wirkte Bosbachs Auftritt wie ein reinigendes Gewitter. Er tat etwas, was in der deutschen Politik und Medienlandschaft jahrelang als Tabu galt: Er sprach Klartext. Nicht den gefilterten, weichgespülten “Klartext” der Talkshow-Stammgäste, sondern die Art von Wahrheit, die wehtut, die polarisiert, aber die vor allem eines ist: authentisch.

Das Kernproblem, das Bosbach mit der Präzision eines Chirurgen freilegte, ist die fatale Polarisierung der Migrationsdebatte. “Die gesamte Berichterstattung”, so Bosbach, “bewegte sich entweder auf der Seite Willkommenskultur oder Rassismus.” Was ist mit dem Rest passiert? Was ist mit den Millionen von Bürgern, die weder rassistisch sind noch blind-euphorisch jeden mit offenen Armen empfangen? Was ist mit dem “allergrößten Teil des Publikums”?

Diese schweigende, aber massive Mehrheit wurde, so Bosbachs Anklage, einfach ignoriert. Ihre Sorgen wurden nicht gehört, ihre Fragen nicht gestellt. Stattdessen stellte diese Mehrheit die eine, legitime Frage, die über allem schwebt: “Können wir das eigentlich schaffen, was wir schaffen müssten?” Es ist die Frage nach den “natürlichen Grenzen”, die “jeder Kommunalpolitiker bestens kennt” – Grenzen der Aufnahme, Grenzen der Integration, Grenzen der Belastbarkeit.

Doch genau diese Diskussion wurde im Keim erstickt. Wer die Frage nach den Grenzen stellte, wer Zweifel anmeldete, lief Gefahr, sofort in die “rechte Ecke” gestellt zu werden. Bosbach beschreibt eine Atmosphäre der Angst, die sich über das Land gelegt hat. Er spricht von unzähligen Briefen und Gesprächen, nicht von “Dumpfbacken”, sondern von normalen Bürgern, die ihm sagten: “Das alles sage ich besser nicht, weil man dann sofort in eine Ecke gestellt wird.”

Dieses Schweigekartell, dieser selbst auferlegte Maulkorb der “politischen Korrektheit”, ist der Nährboden, auf dem das Misstrauen in “die da oben” wuchert. Und es ist der Treibstoff für den Aufstieg von Parteien wie der AfD. Bosbach ist Realist genug, um zu wissen, dass die AfD nicht gewählt wird, weil die Wähler glauben, sie würde “die Probleme unseres Landes lösen”. Nein, sie wird gewählt, um “den etablierten Parteien zu sagen: So geht’s nicht weiter.” Sie wird gewählt, um den anderen “Dampf unter dem Hintern” zu machen. Ein teures, riskantes Protestsignal, das aber nur deshalb funktioniert, weil die etablierten Parteien ihre Ohren vor den Sorgen der Bürger verschlossen haben.

Und dann kommt der Moment, der den Kern des Skandals trifft. Der Moment, in dem Bosbach die Medien und die Politik direkt konfrontiert. Es ist die Szene, in der er Dunja Hayali (stellvertretend für den Journalismus) ins Gewissen redet: “Wissen Sie, Frau Hayali, was politisch korrekt ist? Die Wahrheit. Die Wahrheit ist politisch korrekt.”

Ein einfacher Satz. Ein brutaler Satz. Er ist die Einleitung zu einer Geschichte, die das ganze Ausmaß der medialen Manipulation offenbart. Bosbach erzählt von seinem Besuch am Münchner Hauptbahnhof auf dem Höhepunkt der Krise 2015. Ein junger Bundespolizist nimmt ihn beiseite und erzählt, was er gerade erlebt hat: Ein ICE rollt ein, mit fast 1000 Flüchtlingen. Davon, so die Schätzung des Beamten, “900 junge Männer und zwei oder drei Familien mit Kindern”.

Was aber geschah am Bahnsteig? “Alle Fotografen, die an diesem Bahnsteig gewesen wären”, so Bosbach, “hätten sich sofort auf die zwei oder drei Familien gestürzt, hätten davon die Bilder gemacht, die seien dann auch veröffentlicht worden.”

Bosbach nennt dies nicht “Lügenpresse”, diesen Kampfbegriff überlässt er anderen. Er nennt es bei seinem wahren Namen: “bewusste selektive Wahrnehmung”. Eine bewusste Auswahl der Realität, um einen ganz bestimmten Eindruck zu vermitteln. Den Eindruck, es kämen “weit überwiegend Familien mit kleinen Kindern”, die “dringend unsere Solidarität bedürfen”. Es war keine Lüge, aber es war das genaue Gegenteil der Wahrheit. “Warum halten die nicht drauf und zeigen die wahren Relationen?”, fragte der junge Polizist. Eine Frage, die bis heute unbeantwortet im Raum steht.

Diese “selektive Wahrnehmung” ist ein Symptom für eine tiefere Arroganz, die Bosbach anprangert: Die Eliten in Politik und Medien trauen dem eigenen Volk nicht. Es herrscht die Haltung: “Wir dürfen jetzt im Publikum nicht so die ganze Wahrheit sagen, sonst führt das Publikum nachher noch falsche Schlussfolgerungen herbei.” Bosbach übersetzt das treffend: “Wir stellen mittlerweile die ganze Bevölkerung unter den Generalverdacht, sie seien nicht intelligent genug, um zwischen Ganoven und braven Leuten zu unterscheiden.”

Und genau hier liegt der Hund begraben. Während man medienwirksam vor einem “Generalverdacht” gegenüber Migranten warnt (was Bosbach als “richtig” unterstreicht), stellt man die eigene Bevölkerung unter einen Generalverdacht der Dummheit. Man glaubt, man müsse sie erziehen, sie vor der Realität schützen.

Dabei, so Bosbachs Analyse, ist die Haltung der Mehrheit weder kompliziert noch rassistisch. Sie ist von einem robusten Pragmatismus geprägt, den er in kölscher Manier zusammenfasst: “Herzlich willkommen, aber benehmt euch ordentlich. Integriert euch, nehmt unser Land an, unsere Rechts- und Werteordnung. Keine Straftaten, keine Gewalttaten. Und wenn doch, müsst ihr wieder nach Hause zurück.” Er fügt hinzu: “Ist ein bisschen einfach, ist aber nicht falsch.”

Es ist genau diese Klarheit, diese einfache, aber nicht falsche Wahrheit, nach der sich die Menschen sehnen. Stattdessen bekommen sie von der Politik einen “virtuos rhetorischen” Zyklus präsentiert, den Bosbach, der seit 43 Jahren im Geschäft ist, zynisch-präzise beschreibt:

    Die Phase der Betroffenheit: Nach einem “dramatischen Zwischenfall” sind alle schockiert.

    Die Phase der Ernüchterung: Man stellt fest, dass “die aller, aller, allermeisten Täter ungeschoren davon kommen”, weil man sie nicht identifizieren kann.

    Die Phase der Beschwichtigung: Es wird gemahnt, “nicht aus der Hüfte zu schießen” oder zu “überziehen”.

    Das Ergebnis: “Am Ende bleibt im Großen und Ganzen alles so, wie es immer schon war.”

Dieser Zyklus, so Bosbach, “spüren viele Menschen”. Sie spüren, dass die Politik “in der Rhetorik stecken” bleibt und nicht in der Lage ist, Probleme zu “lösen”.

Und das führt unweigerlich zur letzten, dringlichsten Warnung. Die Frage ist nicht mehr, “ob wir es schaffen wollen“, sondern “ob wir es schaffen können.” Er fürchtet, “dass wir überfordert werden”. Als Beleg dient ihm kein Stimmungsbild, sondern ein harter Fakt: der Bürgermeister seiner eigenen Nachbarstadt, der eine “Überlastungsanzeige” an die Bezirksregierung gestellt hat. Die nüchterne Botschaft: “Wir können nicht mehr aufnehmen.”

Das, so schließt Bosbach, “ist keine Panikmache. Das ist eine nüchterne Warnung.” Es ist die Realität vor Ort, die viel zu lange ignoriert wurde. Bosbachs Ausbruch ist mehr als die Wutrede eines einzelnen Politikers. Es ist das Ventil für Millionen, die das Gefühl haben, ihre eigene Realität werde von einer abgehobenen Elite als “politisch inkorrekt” gebrandmarkt. Der wahre Skandal ist nicht, dass Bosbach diese Dinge sagt. Der wahre Skandal ist, dass es so lange gedauert hat, bis sie im Hauptabendprogramm angekommen sind.

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