Der letzte Pakt der Kessler-Zwillinge: Warum Alice und Ellen ihren Abschied vom Leben nur gemeinsam planen

Sie sind das berühmteste Zwillingspaar der deutschen Unterhaltungsgeschichte: Alice und Ellen Kessler. Über Jahrzehnte hinweg verzauberten sie das Publikum von Paris bis Las Vegas mit ihrer Eleganz, ihren synchronen Tanzschritten und ihrem unverkennbaren Charme. Sie waren Ikonen einer Ära, in der das Fernsehen noch Lagerfeuer war und Showstars eine Aura der Unnahbarkeit umgab. Doch hinter den langen Beinen, den Federn und dem Applaus verbarg sich stets eine Realität, die faszinierender war als jede Choreografie: eine symbiotische Verbindung zweier Seelen, die ohne die andere nicht vorstellbar sind. Nun, im Alter von 88 Jahren, gewähren die Schwestern einen Einblick in ihr tiefstes Inneres, der ebenso schockierend wie berührend ist.
Ein Leben im Spiegelbild
Wer an die Kesslers denkt, denkt an Perfektion. Doch ihre Synchronität war nie nur Show. “Wir hatten immer die gleichen Freunde”, sagten sie einmal, und dieser Satz offenbart das Fundament ihres Lebens. Sie teilten nicht nur die Bühne, sondern Träume, Gedanken und den Alltag. Selbst in Zeiten räumlicher Trennung – als Ellen in Rom und Alice in Österreich lebte – riss das emotionale Band nie ab. Heute leben sie in Grünwald bei München in zwei spiegelbildlichen Häusern, die miteinander verbunden sind. Das gemeinsame Mittagessen ist ein Ritual, eine tägliche Bestätigung ihrer Einheit.
Doch diese Einheit hat einen Preis. In einem Interview, das im Rückblick fast prophetisch wirkt, sprachen sie offen über das Tabuthema Tod. Ihr Wunsch ist so radikal wie verständlich: Sie möchten am selben Tag sterben. Es ist kein morbider Gedanke, sondern die logische Konsequenz eines Lebens, das nur im Plural funktionierte. Die Vorstellung, dass eine von ihnen zurückbleibt, allein in einer Welt, die sie immer nur zu zweit erlebt haben, ist für Alice und Ellen unerträglich.
Der Rückzug aus dem Rampenlicht
Ihren 88. Geburtstag feierten sie kürzlich nicht mit einer großen Gala, sondern still und bescheiden beim Italiener, im Kreis von nur sechs engen Freundinnen. Keine Männer, keine Presse, kein Pomp. Pipo Baudo, ein alter Weggefährte, gratulierte nicht – eine Anekdote, die zeigt, wie selektiv und souverän die Schwestern mit ihrem Umfeld umgehen. Sie brauchen die Bestätigung von außen nicht mehr.
Der Rückzug aus der Öffentlichkeit war eine bewusste Entscheidung. “Es reizt uns nicht mehr, gesehen zu werden”, erklärten sie. Sie wissen, dass ihre Kräfte nachlassen, und sie wollen dem Publikum als die strahlenden Ikonen in Erinnerung bleiben, die sie waren. Es ist ein Akt der Selbstbestimmung, der Respekt abverlangt. Sie lassen sich nicht von der Branche aussortieren; sie gehen, wenn sie es für richtig halten.
Unabhängigkeit als Lebensprinzip

Schon früh entschieden sich Alice und Ellen für die Unabhängigkeit. In einer Zeit, in der Frauen oft über ihre Ehemänner definiert wurden, verdienten sie ab dem 15. Lebensjahr ihr eigenes Geld. Sie bauten sich ein Imperium auf, das auf Disziplin und harter Arbeit basierte. Diese finanzielle Freiheit ermöglichte es ihnen, Kompromisse abzulehnen. Sie mussten niemandem gefallen, außer sich selbst.
Doch paradoxerweise führte genau diese Unabhängigkeit von Männern zu einer noch stärkeren Abhängigkeit voneinander. Sie waren sich Partner, Schwester, Kollegin und beste Freundin zugleich. “Konflikte gab es”, geben sie zu, “aber unser Rekord an Streit lag bei wenigen Tagen.” In einer Welt voller flüchtiger Beziehungen ist eine solche Beständigkeit ein seltenes Gut.
Ein Vermächtnis der Liebe
Die Geschichte der Kessler-Zwillinge ist mehr als nur Showbiz-Gossip. Sie ist ein Lehrstück über Loyalität. Ihr Wunsch nach einem gemeinsamen Ende mag manche schockieren, doch er ist der ultimative Beweis ihrer Liebe. Sie haben ihr Leben nach ihren eigenen Regeln gestaltet, und sie sind entschlossen, auch ihren Tod so zu gestalten.
“Wir haben entschieden, dass es genug ist”, sagen sie über ihre Karriere. Und vielleicht werden sie eines Tages dasselbe über ihr Leben sagen. Wenn wir heute auf Alice und Ellen Kessler blicken, sehen wir nicht nur zwei alternde Diven. Wir sehen zwei Frauen, die uns gezeigt haben, dass die stärkste Kraft im Leben nicht der Ruhm ist, sondern die Verbindung zu einem anderen Menschen. Ihr letzter Vorhang wird fallen, aber ihre Geschichte der untrennbaren Einheit wird bleiben. Es ist eine Geschichte, die uns lehrt, dass das größte Glück nicht auf der Bühne liegt, sondern in der Hand, die man hält, wenn das Licht ausgeht.