Die Psychologie der Abzocke: Wie uns McDonald’s, Starbucks und Co. mit Eiswürfeln, psychologischen Tricks und massiver Mogelpackung täglich täuschen

Die Psychologie der Abzocke: Wie uns McDonald’s, Starbucks und Co. mit Eiswürfeln, psychologischen Tricks und massiver Mogelpackung täglich täuschen
Der Griff zum schnellen Essen oder dem hippen Kaffeebecher unterwegs ist für viele Menschen längst Routine. Die Systemgastronomie, angeführt von globalen Riesen wie McDonald’s und Starbucks, verzeichnete in den letzten Jahren schwindelerregende Umsatzrekorde – eine Branche, die allein in Deutschland Milliarden umsetzt. Doch hinter den glänzenden Fassaden und den verlockenden Marketingversprechen verbirgt sich ein ausgeklügeltes System der Gewinnmaximierung, das auf geschickter Täuschung und psychologischer Manipulation basiert. Eine Undercover-Recherche des WDR-Magazins Markt enthüllte jetzt die dreisten Tricks, mit denen Konsumenten täglich um ihr Geld, ihre Zeit und die versprochene Produktmenge gebracht werden. Was auf den ersten Blick als Bagatelle erscheint, ist bei näherer Betrachtung ein strukturelles Problem, das die gesamte Take-away-Branche durchzieht. Es ist die Schattenseite des Konsums: Wir zahlen mehr für weniger, und das System funktioniert, weil die wenigsten Kunden bereit sind, nachzuwiegen oder sich zu beschweren.
Die „Portionsmasche“: Teurer, aber kaum mehr Inhalt bei McDonald’s
Das vielleicht prominenteste Beispiel für die raffinierten Tricks ist die Portionsgestaltung. Wer kennt nicht das Gefühl, intuitiv zur mittleren Größe greifen zu wollen? Genau diese psychologische Falle nutzen Fast-Food-Ketten wie McDonald’s eiskalt aus.
Die Recherche fokussierte sich auf die Preise und Mengen der weltbekannten Pommes frites. Eine kleine Portion (S) kostet 2,00 Euro, während die mittlere Portion (M) mit 3,79 Euro zu Buche schlägt. Das entspricht einem Preisaufschlag von satten 90 Prozent. Als logische Konsequenz würde der Kunde erwarten, dass die mittlere Portion nahezu die doppelte Menge enthält, um den fast verdoppelten Preis zu rechtfertigen.
Die Realität, die das WDR-Team aufdeckte, ist jedoch ernüchternd: Laut den offiziellen Angaben auf der McDonald’s-Homepage sollen die S-Pommes 80 Gramm wiegen, die M-Pommes 114 Gramm. Ein einfacher Rechenschritt zeigt: Trotz des fast doppelt so hohen Preises enthält die mittlere Portion lediglich 43 Prozent mehr Inhalt. Hier beginnt bereits die Mogelpackung.
Noch dreister wurde die Situation bei der tatsächlichen Nachmessung. Das Team wog die gekauften Portionen nach und fand heraus, dass die versprochenen Mengen nicht einmal annähernd eingehalten wurden:
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Kleine Portion (S): Statt versprochener 80 Gramm enthielt die Packung nur 60 Gramm.
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Mittlere Portion (M): Statt versprochener 114 Gramm wurden nur 92 Gramm gefunden.
Beide Portionen enthielten somit satte 20 Prozent weniger als offiziell auf der Firmenhomepage angegeben. Wenn der Kunde also bereits für die versprochene M-Portion einen Preisaufschlag von 90 Prozent für nur 43 Prozent mehr Inhalt zahlt, fällt die tatsächliche Differenz durch die Minderbefüllung noch geringer aus. McDonald’s bezeichnet diese massiven Abweichungen auf Nachfrage lediglich als „geringfügig“, eine Definition, die angesichts der Größenordnung wohl nur das Unternehmen selbst unterschreiben würde.
Der „Kompromisseffekt“: Wie Psychologie uns zum teuersten Kauf zwingt
Um zu verstehen, warum diese Preisstrategie funktioniert, konsultierte das Rechercheteam den Marketing-Experten Professor Peter Kenning von der Universität Düsseldorf. Er lieferte die psychologische Erklärung für das impulsive Kaufverhalten der Kunden: den Kompromisseffekt (engl. compromise effect).
Nach diesem Effekt tendieren Menschen dazu, „Extrema, also extreme Außenpositionen, zu vermeiden“ und stattdessen eine Tendenz zur Mitte zu zeigen. Wenn der Kunde vor den Optionen klein, mittel und groß steht, wählt er instinktiv das Mittelmaß. Die kleine Option erscheint zu geizig, die große Option zu verschwenderisch.
Die Fast-Food-Ketten nutzen diesen psychologischen Mechanismus gezielt aus. Die mittlere Größe ist betriebswirtschaftlich gesehen oft die vorteilhafteste Option für das Unternehmen, da sie den höchsten Profit pro Gramm oder Milliliter abwirft. Indem sie die Aufmerksamkeit der Kunden auf dieses mittlere Produkt lenken, maximieren die Unternehmen ihren Gewinn – und der Kunde ist in einem Bereich unterwegs, in dem er nicht “nachwiegt” und die Täuschung daher nicht bemerkt. Dieser Trick ist das Fundament, auf dem die Milliardenumsätze der Branche gebaut sind.
Die „Verdünnungstaktik“ I: Der Eiswürfel-Schock bei Starbucks
Die Mogelpackung hört nicht bei Pommes auf; sie perfektioniert sich im Getränkesegment. Bei Ketten wie Starbucks entpuppt sich der Kauf eines gekühlten Getränks als regelrechte Eiswürfel-Lotterie, bei der der Kunde hauptsächlich Luft und gefrorenes Wasser bezahlt.
Der Testkauf eines mittelgroßen Pfirsich-Eistees, genannt „Grande“, kostet bei Starbucks stolze 6,90 Euro. Die große L-Version (“Venti”) kostet 7,40 Euro. Bei einem Preisunterschied von nur 50 Cent würde man erwarten, dass man für das zusätzliche Geld auch eine deutlich größere Menge an Getränk erhält.
Die Wahrheit ist eine eiskalte Überraschung: Die Barista-Szene wird seit Jahren durch den sogenannten Eiswürfel-Trick dominiert. Der Becher wird bis zum Rand mit Eis gefüllt, bevor die eigentliche Flüssigkeit hinzugegeben wird. Bei der L-Version des Eistees stellte das Team fest, dass der Becher mit einer so enormen Menge Eis gefüllt war, dass der Flüssigkeitsanteil kaum von der Grande-Version abwich. Die 50 Cent Aufschlag zahlte der Kunde de facto nur für mehr Eis.
Ein anonymer Brancheninsider, der seit über 20 Jahren in der Gastronomie arbeitet, bestätigte in der Recherche, dass dies ein „offenes Geheimnis“ sei. Die Logik ist trivial: Eis ist viel günstiger als das eigentliche Getränk und nimmt erheblich an Volumen ein. Die Mitarbeiter werden angehalten, mit Eis „großzügig“ zu sein.
Der Insider enthüllte sogar noch schockierendere Praktiken in der Systemgastronomie: Er berichtete, dass Mitarbeitern, die aus einer Flasche Softdrink nicht mindestens acht oder neun Gläser herausbekommen, der dem Chef entgangene Gewinn vom Lohn abgezogen wird. Diese Praxis zwingt die Angestellten dazu, die Getränke systematisch zu „verdünnen“ oder zu knapp zu bemessen, um ihren eigenen Lohn zu sichern. Das ist ein Teufelskreis, der auf dem Rücken der Mitarbeiter und zum Schaden der Kunden ausgetragen wird.
Starbucks selbst bestreitet die Vorwürfe und behauptet, der Eisanteil sei in größeren Bechern nicht unverhältnismäßig. Die Messungen des WDR-Teams sprechen jedoch eine andere Sprache.
Die „Verdünnungstaktik“ II: Die Kaffee-Shot-Falle

Ein weiterer geschickter Trick bei Heißgetränken bei Starbucks ist die Kaffee-Shot-Falle im Caffé Latte. Ein kleiner Caffé Latte („Tall“) kostet 4,90 Euro und enthält einen Schuss Espresso. Der mittlere („Grande“) kostet 5,40 Euro und enthält zwei Schüsse.
Der große „Venti“ kostet 5,90 Euro – also nur 50 Cent mehr als der Grande. Hier liegt die Falle: Der Venti-Latte enthält ebenfalls nur zwei Espresso-Shots. Der große Becher wird im Grunde einfach mit mehr Milch aufgefüllt. Die Kundin oder der Kunde erhält zwar nominell mehr Volumen, aber die Konzentration des Kaffees ist deutlich verdünnt.
Um die Stärke des Getränks im größten Becher beizubehalten, müsste man einen zusätzlichen, kostenpflichtigen Espresso-Shot kaufen. Der große Kaffee, der am günstigsten pro Milliliter scheint, wird so zur teuersten Mogelpackung, da er den gewünschten Koffein-Kick nur gegen einen weiteren Aufpreis liefert.
Professor Kenning erklärt dieses Kaufverhalten auch mit der sozialen Funktion bestimmter Marken, besonders bei jüngeren Konsumenten: „dass sie Anerkennung vermitteln, dass man hier vielleicht als international wahrgenommen wird, also positive Assoziationen.“ Der Markenkult und die positiven Gefühle, die mit diesen Labels verbunden sind, überwiegen oft die kühle Kosten-Nutzen-Rechnung, wodurch Kunden bereit sind, deutlich mehr für ein objektiv minderwertiges Produkt zu bezahlen.
Die Schrumpfmethode und der Appell an den Konsumenten
Auch wenn die Recherche bei der Pizzabestellung (TelePizza, Pizzaboy, etc.) keine direkten Abweichungen feststellte – die bestellten Pizzen waren teils sogar etwas größer als angegeben – zeigen zahlreiche Beschwerden in den sozialen Medien, dass auch die Schrumpfmethode ein bekanntes Phänomen ist. Dort berichten Hobbydetektive, dass bestellte Pizzen deutlich kleiner ausfallen, etwa 26 Zentimeter statt der bezahlten 29 Zentimeter. Der Wunsch, sich bei der Größe zu irren oder die tatsächlichen Maße zu ignorieren, scheint in der gesamten Take-away-Branche verbreitet zu sein.
Angesichts dieser Masse an psychologischen und messbaren Täuschungen stellt sich die Frage: Warum funktioniert dieses System so reibungslos? Die Antwort ist schlicht: Weil die meisten Kunden Non-Complainer sind.
Der WDR-Experte stellte fest, dass der allergrößte Teil der Kunden sich nicht beschwert. Genau hier setzt die einzige und wirksamste Gegenstrategie an. Die Kunden werden ermutigt, aus der passiven Rolle herauszutreten und Unzufriedenheit zu artikulieren, wenn sie begründet ist. Gute Unternehmen, so die Hoffnung, werden daraufhin ihre Leistung verbessern.
Die Undercover-Recherche bei McDonald’s, Starbucks und Co. legt die komplexen und oft unethischen Mechanismen der Systemgastronomie offen. Der Kunde wird nicht nur mit falschen Angaben zu Portionen konfrontiert, sondern auch durch psychologische Tricks zum Kauf der profitabelsten, aber unrentabelsten Größe verführt. Es ist ein lauter Weckruf an die Verbraucher: Nur wer genau hinsieht, nachfragt und sich beschwert, kann dieses perfektionierte System der legalen Abzocke durchbrechen und sicherstellen, dass er für sein Geld auch die versprochene Ware erhält. Es ist an der Zeit, dass wir als Konsumenten unsere Macht nutzen, um die Ehrlichkeit und die Fairness in der Fast-Food-Branche einzufordern.