Hingerichtet im Atlasgebirge: Der brutale Terror-Mord an Maren und Louisa und das Video, das als Waffe diente

Die Luft im marokkanischen Atlasgebirge ist klar und kalt. Die Gipfel, oft schneebedeckt, ragen majestätisch in den Himmel und bieten ein Panorama von rauer, unberührter Schönheit. Es ist ein Ort, der Abenteurer, Wanderer und Sinnsucher aus aller Welt anzieht. Am 17. Dezember 2018 wurde diese Idylle zum Schauplatz eines unvorstellbaren Grauens, das die Welt erschütterte.
An diesem Tag stieß eine Gruppe französischer Wanderer abseits des Weges in der Nähe von Imlil, einem kleinen Dorf, das als Basis für die Besteigung des Mount Toubkal dient, auf ein verlassenes Zelt. Die Neugier wich sofortigem Entsetzen. Im Inneren bot sich den Wanderern ein Bild des Schreckens: Der Zeltboden war blutgetränkt, darin die leblosen, brutal zugerichteten Körper zweier junger Frauen.
Die Opfer waren Louisa Vesterager Jespersen, 24, aus Dänemark, und Maren Ueland, 28, aus Norwegen. Zwei skandinavische Studentinnen, zwei Freundinnen, deren Lebensträume auf die grausamste Weise ausgelöscht wurden, die man sich vorstellen kann. Sie waren nicht nur ermordet worden; sie waren hingerichtet worden.
Louisa und Maren waren mehr als nur Touristinnen; sie waren erfahrene Outdoor-Enthusiastinnen. Beide studierten an einer Universität in Südnorwegen Naturwissenschaften und Naturführung. Ihr gemeinsames Ziel war es, eines Tages als professionelle Reiseleiterinnen zu arbeiten. Sie liebten die Natur, das Reisen und die Herausforderung. Ihr Trip nach Marokko am 9. Dezember 2018 sollte ein weiteres Abenteuer auf diesem Weg sein, ein Monat des Wanderns, gipfelnd in der Besteigung des Mount Toubkal, des höchsten Gipfels Nordafrikas.
Die Vorfreude war groß. Kurz vor ihrer Reise postete Louisa Jespersen auf Facebook, informierte ihre Freunde über die Pläne und fragte nach Tipps für die Region. Marens Mutter, Irene Ueland, erzählte später norwegischen Medien, dass die Sicherheit für die beiden jungen Frauen oberste Priorität hatte. Sie hatten alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die sie kannten.
Doch sie machten eine fatale Fehleinschätzung. Sie beschlossen, die Wanderung allein zu unternehmen, ohne männliche Begleitung oder sich einer größeren Gruppe anzuschließen. Sie vertrauten auf die Gastfreundschaft der Region und die Stille der Berge. In dieser Stille jedoch lauerte bereits der Tod.
Was Louisa und Maren nicht wussten, war, dass sie von dem Moment an, als sie ihre Wanderung begannen, beobachtet wurden. Eine Gruppe von Männern war ihnen dicht auf den Fersen. Fast zehn Stunden lang folgten sie den Frauen, während diese sich ihren Weg bergauf bahnten. Als die Nacht hereinbrach, schlugen die Studentinnen ihr Lager auf, erschöpft, aber ahnungslos.
Die Angreifer warteten, bis ihre Opfer weit genug von jeglicher Zivilisation entfernt waren. Dann, etwa 10 bis 20 Minuten nachdem die Frauen ihr Zelt aufgeschlagen hatten, stürmten sie aus der Dunkelheit.
Was in diesem Zelt geschah, entzieht sich jeder Beschreibung zivilisierten Verhaltens. Es war kein Raubüberfall, der eskalierte. Es war eine geplante Hinrichtung. Maren und Louisa wurden überwältigt, gefesselt und, wie spätere Berichte andeuteten, möglicherweise sexuell missbraucht. Dann wurden beide Frauen enthauptet.
Doch der Horror endete nicht mit ihrem Tod. Die Mörder waren nicht nur gekommen, um zu töten; sie waren gekommen, um ein Exempel zu statuieren, um Terror zu säen. Einer der Männer zückte ein Smartphone und filmte die gesamte Enthauptung von Louisa Jespersen.

Noch bevor die Leichen von den französischen Wanderern entdeckt wurden, war dieses Video bereits online. Hochgeladen auf Facebook und weiterverbreitet über diverse soziale Netzwerke. Das Video zeigte die letzten, markerschütternden Momente von Louisa, wie sie um ihr Leben flehte, während die Täter “Feinde Allahs” riefen und von “Rache für unsere Brüder in Syrien” sprachen.
Die Mörder waren Abdulsamad Ejjoud, der als Anführer der Zelle galt, sowie Younes Ouaziyad, Rachid Afatti und Abdulrahim Khayali. Ihre Motivation war reiner, unverfälschter Terrorismus. Nur eine Woche vor dem Mord hatten die vier Männer ein eigenes Video aufgenommen, in dem sie dem “Islamischen Staat” (ISIS) die Treue schworen. Sie hatten ursprünglich einen Anschlag auf Sicherheitsdienste oder eine größere Touristengruppe geplant, entschieden sich dann aber, in die Imlil-Region zu reisen, um gezielt nach Ausländern zu suchen. Louisa und Maren waren zur falschen Zeit am falschen Ort – und sie waren das perfekte “weiche Ziel”.
Die Ermittlungen liefen schnell an. Einer der Täter, Abdulrahim Khayali, war so unvorsichtig gewesen, seinen Ausweis am Tatort zurückzulassen. Er wurde schnell in Marrakesch festgenommen. Die anderen drei wurden kurz darauf in einem Bus gestoppt, als sie versuchten zu fliehen. Sie waren noch im Besitz der Tatwaffen.
Der Prozess gegen die vier Haupttäter und 20 weitere Mitangeklagte, die Teil derselben Terrorzelle waren, begann zügig. Das Urteil war eindeutig: Alle vier Hauptangeklagten wurden zum Tode verurteilt. Doch dieses Urteil brachte den Familien nur bedingt Frieden. In Marokko gilt zwar die Todesstrafe, aber es besteht ein De-facto-Moratorium. Seit 1993 wurde keine Hinrichtung mehr vollstreckt. Bis zum heutigen Tag sitzen die Mörder von Maren und Louisa im Gefängnis – am Leben.
Für die Familien in Dänemark und Norwegen begann ein Albtraum, der durch die digitale Dimension des Verbrechens ins Unermessliche gesteigert wurde. Der Schmerz über den Verlust ihrer Töchter wurde durch die perverse Grausamkeit von Fremden potenziert. Unzählige Trolle und Sympathisanten der Terroristen begannen, das Enthauptungsvideo gezielt an die Mütter der beiden Opfer über Facebook zu schicken.
Die Familien mussten nicht nur erfahren, dass ihre Kinder ermordet wurden, sondern waren gezwungen, die Bilder wie es geschah, abzuwehren. Das Video war zu einer psychologischen Waffe geworden, die immer wieder aufs Neue zustach.

Am 21. Dezember 2018 wurden die sterblichen Überreste der beiden Studentinnen nach Kopenhagen überführt. Die Beerdigungen fanden in ihren jeweiligen Heimatstädten statt, begleitet von einer Welle der Trauer und des Entsetzens. Der dänische Premierminister nahm an Louisas Beerdigung teil; der marokkanische Botschafter erwies Maren die letzte Ehre, ein Zeichen der Scham und des Mitgefühls seines Landes für eine Tat, die Marokkos Ruf als sicheres Reiseland tief erschütterte.
Der Fall von Maren Ueland und Louisa Jespersen ist mehr als nur ein tragischer Mordfall. Er ist ein Mahnmal für die Zerbrechlichkeit des Lebens und die unvorstellbare Dunkelheit, zu der Menschen fähig sind. Er zeigt, wie unschuldige Träume – der Traum, die Welt zu sehen, in der Natur zu sein, anderen Menschen zu helfen – in einem einzigen Augenblick durch blinden Hass ausgelöscht werden können.
Vor allem aber markiert dieser Fall einen neuen, entsetzlichen Höhepunkt des modernen Terrorismus, bei dem der Akt des Tötens selbst zur Nebensache wird und das digitalisierte Bild des Grauens zur eigentlichen Waffe – eine Waffe, die darauf abzielt, nicht nur Körper zu zerstören, sondern auch die Seelen der Zurückgebliebenen. Maren und Louisa suchten das Abenteuer in den Bergen und fanden stattdessen das Epizentrum eines globalen Hasses. Ihr Andenken ist eine schmerzhafte Erinnerung an den Preis der Unschuld in einer Welt, in der die Wildnis manchmal nicht in den Bergen lauert, sondern in den Herzen der Menschen.