Ideologie statt Leben: Ulrich Siegmund zerlegt die Koalition im Landtag – Rekommunalisierung, DRG-Sturz und die 11,5 Milliarden, die im Inland fehlen

Ideologie statt Leben: Ulrich Siegmund zerlegt die Koalition im Landtag – Rekommunalisierung, DRG-Sturz und die 11,5 Milliarden, die im Inland fehlen

Ideologie statt Leben: Ulrich Siegmund zerlegt die Koalition im Landtag – Rekommunalisierung, DRG-Sturz und die 11,5 Milliarden, die im Inland fehlen

Im Landtag von Sachsen-Anhalt entlud sich eine der emotionalsten und fundamentalsten Debatten der jüngeren Geschichte. Anlass war der AfD-Antrag zur Rettung des Klinikums Zerbst, doch die Rede von Ulrich Siegmund, dem Sprecher der AfD-Fraktion, entwickelte sich rasch zu einer umfassenden Anklage gegen die Regierungskoalition aus CDU und FDP. Siegmund verurteilte die herrschende Politik nicht nur als mangelhaft, sondern als ein “ideologisches Konstrukt”, dessen Folge eine gefährliche “Flickschusterei” im Gesundheitswesen sei. Das zentrale Versprechen der politischen Führung, die medizinische Grundversorgung zu gewährleisten, stehe nach seiner Analyse zur Disposition – geopfert auf dem Altar innenpolitischer Grabenkämpfe und internationaler Großzügigkeit.

Die Eskalation in der Landtagssitzung zeigte einmal mehr, wie ein lokales Problem wie das drohende Aus für eine Regionalklinik die fundamentalen Schwachstellen der gesamten Landes- und Bundespolitik freilegen kann. Die Kernfrage, die Siegmund in den Raum stellte, war eine nach den Prioritäten: Dient die Politik noch den eigenen Bürgern, oder sind die finanziellen und ideologischen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland längst zur obersten Maxime geworden?


Taktische Meisterleistung: Das Lob als Vorwurf

Ulrich Siegmund wählte einen ungewöhnlichen Einstieg, der die Zerstrittenheit der Regierungspartner auf brillante Weise offenlegte. Er zollte der ehemaligen Ministerin der SPD seinen ausdrücklichen Respekt. Er betonte, dass sie als einzige in der emotionalen Debatte glaubhaft und mit persönlicher Überzeugung für die Rettung des Krankenhauses eingetreten sei.

Doch diese Anerkennung nutzte Siegmund unmittelbar als Waffe: Der offene, ehrliche Einsatz der Ministerin demonstriere ihre völlige Isolation innerhalb der Koalition. Während sie sprach, hätten ihre Koalitionspartner abgewunken, mit dem Kopf geschüttelt und sie sogar unterbrochen. Mit Verweis auf Zwischenrufe, die der Ministerin das Wort verbieten wollten, fragte Siegmund provokant: “Wie wollen Sie denn mit so einer zerstrittenen Koalition dieses Land hier vernünftig langfristig regieren?”

Er brandmarkte die regierende Konstellation als ein “ideologisches Konstrukt”, das lediglich dazu diene, die AfD aus dem politischen Spiel zu halten – die sogenannte “Brandmauer”. Die Ironie dabei sei, dass diese ideologische Haltung direkt zu einer mangelhaften Notfallversorgung und leidenden Bürgern führe. Die Konsequenz der politischen Brandmauerei sei die Gefährdung der Volksgesundheit.


Lebensgefahr auf der Landstraße: Die Realität des Kliniksterbens

Um die abstrakte Krise greifbar zu machen, zeichnete Siegmund ein dramatisches Bild aus dem Alltag. Er schilderte den Fall eines schwer verletzten Bewohners aus einem Dorf bei Zerbst. Musste dieser früher nur 10 bis 15 Minuten in die Klinik fahren, sehe die Prognose nach Schließung des Standortes eine Fahrzeit von mindestens 45 Minuten nach Dessau vor – und das unter Idealbedingungen.

Siegmund malte die Szenarien aus: dichter Nebel im November, Glatteis im Winter, oder zähflüssiger Berufsverkehr. Aus 45 Minuten würden schnell 60 Minuten oder mehr, eine Zeitspanne, die im medizinischen Notfall über Leben und Tod entscheidet. “Das können wir den Bürgern dieses Landes nicht zumuten”, appellierte er an die Abgeordneten. Es sei ein Skandal, dass im 21. Jahrhundert, im Herzen Deutschlands, die grundlegende notfallmedizinische Versorgung nicht flächendeckend gewährleistet sei.

Der AfD-Politiker identifizierte die Dominanz der Profitorientierung als den wahren Grund für das Sterben der Kliniken. Es sei bezeichnend, dass häufig die Abteilungen geschlossen würden, die nicht rentabel seien – insbesondere die Geburtsmedizin und Gynäkologie. Er forderte eine klare Trennung in der Diskussion: Die spezialisierte Versorgung (planbare Eingriffe wie Knie-Operationen) könne längere Wege verkraften, doch die flächendeckende Grundversorgung müsse von der Profitlogik befreit werden.


Siegmunds Vier-Säulen-Plan gegen den Kollaps

Als Reaktion auf die als gescheitert empfundene Gesundheitspolitik der Koalition präsentierte Siegmund einen umfassenden Vier-Punkte-Plan zur Neuausrichtung.

    Sofortige Rekommunalisierung: Die Notlage von Zerbst müsse als Chance begriffen werden. Das Krankenhaus müsse schnellstmöglich in die öffentliche Hand zurückgeführt werden. Er verwies auf das bereits kommunale Gesundheitszentrum Bitterfeld-Wolfen, das mit Know-how und Bereitschaft zur Übernahme bereitstünde. Das Land müsse jetzt finanzielle Mittel bereitstellen, um eine Gesellschaft zu gründen, die diesen wichtigen Schritt vollzieht. Dies solle als Blaupause für andere akut gefährdete Standorte dienen.

    Sturz des DRG-Systems: Siegmund kritisierte das seit Jahren in der Kritik stehende DRG-System (Fallpauschalen) scharf. Da Krankenhäuser eine feste Summe für eine Leistung erhalten, blieben sie bei komplizierten, teuren Behandlungen auf den Kosten sitzen. Die Konsequenz: die Häuser geraten in die finanzielle Schieflage. Seine Forderung: die Einführung einer individuellen und leistungsgerechten Bezahlung, die den tatsächlichen Aufwand und die Komplexität einer Behandlung fair vergütet.

    Ende des Investitionsstaus: Die Kliniken seien “kaputt gespart” worden. Siegmund belegte dies mit einem drastischen Rückgang der Investitionsmittel des Landes, die von 180 Millionen Euro auf nur noch 40 Millionen Euro pro Jahr gefallen seien. Diesen fehlenden Betrag mussten die Krankenhäuser über Jahre aus ihrem laufenden Tagesgeschäft finanzieren, was ihre Schieflage zementierte. Kliniken benötigten dringend wieder finanzielle Freiheit und eine angemessene Ausstattung für notwendige Investitionen.

    Die nationale Finanzierungspriorität: Der emotionalste und zentralste Punkt betraf die Finanzierung. Siegmund machte klar: “Unser Geld für unser Land.” Er kritisierte die Bundesregierung dafür, dass sie Milliarden in die ganze Welt schicke, während die eigene Infrastruktur verfalle. Er stellte die 11,5 Milliarden Euro für die Ukraine-Hilfe der Summe gegenüber, die notwendig wäre, um die gesamte Krankenhauslandschaft in Deutschland zu sanieren.


Der Unmut im Sozialsystem und die moralische Provokation

Die fehlenden Milliarden im Inland seien die Ursache für eine tiefe “Unwucht” im Sozial- und Gesundheitssystem. Siegmund argumentierte, dass die Krankenkassen in Verhandlungen mit Ärzten und Therapeuten knauserten, weil sie selbst unter enormem finanziellen Druck stünden. Dieser Druck entstehe, weil “hunderttausende, Millionen Menschen” in das Sozialsystem geholt würden, die nicht eingezahlt hätten, aber die gleichen Leistungen in Anspruch nähmen wie deutsche Beitragszahler, die jahrzehntelang in das System investiert hätten. Die Folge: unfair steigende Sozialversicherungsbeiträge und eine Verschlechterung der Versorgungsqualität.

Siegmund schloss seine Rede mit einer direkten moralischen Provokation, die vor allem die traditionelle Wählerschaft der CDU ins Visier nahm. Er sprach die Rentner und Senioren direkt an, die am stärksten unter weiten Wegen und langen Wartezeiten litten. Er stellte die Wahlentscheidung dieser Generation infrage, indem er fragte, ob sie wüssten, welche erstklassige medizinische Versorgung sie haben könnten, wenn Deutschland seine Ressourcen für sich selbst investieren würde.

Seine Aussage kulminierte in einer klaren Kausalitätskette: “Wenn Sie das nächste Mal wieder 12 Monate auf den Arzttermin warten… denken Sie daran: Die CDU ist daran interessiert, die Welt zu retten, unser Steuergeld in die Ukraine zu schicken. Uns fehlt es, das ist die Konsequenz daraus.”

Siegmunds Rede war ein Manifest dafür, dass die medizinische Versorgung kein profitorientiertes Unternehmen sein darf. Sie müsse dem “Menschenwohl dienen” und gut für die Bürger sein. Der Landtagsauftritt von Ulrich Siegmund lieferte damit nicht nur einen detaillierten Forderungskatalog zur Rettung des Klinikums Zerbst, sondern vor allem eine unmissverständliche politische Ansage: Der Staat muss in Krisenzeiten seine Pflichten gegenüber den eigenen Bürgern an die oberste Stelle setzen.

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