Schlagabtausch im TV-Studio: Als ein Kriminologe Alice Weidel mit Statistik-Lügen konfrontiert, erlebt er sein blaues Wunder

Die Luft in deutschen TV-Talkshows ist oft spannungsgeladen, doch selten entlädt sich die angestaute Energie so explosiv wie in dieser denkwürdigen Runde. Im Zentrum des Sturms: AfD-Fraktionsvorsitzende Dr. Alice Weidel. Ihr gegenüber: eine Phalanx aus Kritikern, angeführt von einem renommierten Kriminologen und ehemaligen SPD-Justizminister, Christian Pfeiffer. Was als zivilisierte Debatte über die politische “Stimmung” im Land begann, mündete in einen frontalen Angriff auf Weidel – der jedoch mit einem Konter endete, den die Anwesenden so nicht erwartet hatten.
Der Funke, der das Fass zur Explosion brachte, war die direkte Frage an Alice Weidel, ob sie eine Mitverantwortung der AfD für die aufgeheizte Stimmung im Land sehe. Die Implikation war klar: Die Rhetorik der AfD, so der Vorwurf, trage zur Gewaltbereitschaft gegen Flüchtlingshelfer und Bürgermeister bei.
Ein sichtlich erregter Pfeiffer ergriff das Wort und legte nach. Er warf der Partei vor, den Diskurs gezielt zu vergiften. Doch Weidel, bekannt für ihre kühle und direkte Art, ließ sich nicht in die Defensive drängen. Sie parierte den Angriff sofort: “Ich verwahre mich dagegen, als AfD-Fraktionsvorsitzende überhaupt diese Schlüsse zu ziehen”. Sie stellte unmissverständlich klar, dass ihre Partei jede Form von politisch motivierter Gewalt verurteile, “sei sie jetzt von links oder von rechts”.
Damit war die Konfrontation eröffnet. Weidel ging sofort in die Offensive und drehte den Spieß um. Wenn man über Rhetorik spreche, müsse man auch über die anderen Parteien reden. Sie nannte ein konkretes Beispiel: den SPD-Politiker Ralf Stegner, der auf Twitter dazu aufgerufen habe, “AfD-Funktionäre zu attackieren”. Ein Raunen ging durch das Studio. War das Wort “attackieren” im politischen Sinne gemeint, wie die Moderatorin einwarf, oder ein physischer Aufruf?
Der Kriminologe Pfeiffer ließ nicht locker. Er wollte die AfD an ihren eigenen Worten messen. Er brachte das umstrittene Zitat von Alexander Gauland ins Spiel, der sagte, man müsse die damalige Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz in der Türkei “entsorgen”. Für Pfeiffer ein klares Beispiel für eine Rhetorik, die “die Stimmung hochkochen” lässt. Er warf der AfD vor, dies sei kein unbedachter “Schwatz”, sondern ein bewusstes “Prinzip”, um zu empören und Menschen gegeneinander auszuspielen.
Hier zeigte sich Weidels strategisches Geschick. Anstatt sich für Gaulands Wortwahl zu rechtfertigen oder zu entschuldigen, zündete sie eine argumentative Bombe. Sie wies darauf hin, dass der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel “genau die gleiche Wortwahl” verwendet habe, als er die damalige Bundesregierung als “ersatzlos zu entsorgen” bezeichnete.
Der Vorwurf der Doppelmoral stand nun überdeutlich im Raum. “Hier wird mit zweierlei Maß gemessen”, konstatierte Weidel trocken. “Bei Herrn Gauland wird wirklich so ein Theater gemacht”. Die Kritiker waren sichtlich irritiert. Der Versuch, die AfD als alleinigen Brandstifter zu isolieren, war an der rhetorischen Ähnlichkeit im eigenen Lager gescheitert.
Doch der Kriminologe hatte seinen Hauptangriff noch in der Hinterhand. Er wechselte das Thema und attackierte die AfD frontal bei einem ihrer Kernthemen: der inneren Sicherheit. Pfeiffer, in seiner Rolle als Experte, warf der Partei vor, sich “die Wirklichkeit so zu basteln, wie Sie sie brauchen”. Konkret griff er das AfD-Parteiprogramm an, das eine Zunahme der Brutalität bei jungen Menschen behaupte und deshalb eine Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre fordere.
Dann feuerte Pfeiffer seine Salve an Statistiken ab: “Die Fakten sind mir völlig anders”, erklärte er. Die Kinderkriminalität sei im Gewaltbereich um ein Drittel gesunken. An den Schulen sei die Zahl der “krankenhausreif geschlagenen Schüler” um 62 Prozent zurückgegangen. Die Jugendgewalt insgesamt sei um 44 Prozent gesunken. Sein vernichtendes Fazit: Die AfD erfinde eine Realität, um ihre harschen Forderungen zu rechtfertigen. Er ging sogar so weit zu sagen, man habe, was Gewalt angehe, “die bravste Jugend seit 10, 20 Jahren”.
Das war der Moment, in dem Weidels Kritiker triumphierten. Ein renommierter Kriminologe hatte die AfD der Lüge überführt – so schien es.
Doch dann kam das “blaue Wunder”, das der Titel des zugrundeliegenden Videos versprach. Alice Weidel wirkte keineswegs geschlagen. Sie wartete, bis Pfeiffer seinen Monolog beendet hatte, und setzte dann zum Konter an. Sie ignorierte seine allgemeinen, bundesweiten Statistiken und fokussierte sich auf spezifische Problemfelder, die in diesen Zahlen untergehen.
“Frau Maischberger, wenn ich darauf bitte antworten darf”, begann sie ruhig, “und zwar auf die Jugendkriminalität”. Sie erinnerte an die bekannte Jugendrichterin Kirsten Heisig, die schon vor Jahren eindringlich vor der Gewalt “vor allen Dingen auch von libanesischen Clans” gewarnt hatte. Sie wies den Vorwurf, dies sei “erfunden”, scharf zurück.

Weidel konterte Pfeiffers verallgemeinernde Statistik mit einer spezifischen Gegenbeobachtung: “Die Gewalt an Berliner Schulen hat drastisch zugenommen”. Sie berief sich auf aktuelle Zeitungsberichte derselben Woche. Als Pfeiffer daraufhin spöttisch einwarf, die Zeitung sei ja “Lügenpresse” – ein Begriff, den Weidel selbst nicht nutzte – war die Ironie perfekt. Der SPD-Mann nutzte ein AfD-Framing, um eine ihm unliebsame Tatsache abzutun.
Weidel hatte den Spieß umgedreht. Sie stellte die Debatte so dar, als ob ihre Gegner nicht “sachlich diskutieren” könnten, weil sie die Realität in Problemvierteln ausblendeten.
Von diesem Punkt an hatte Weidel die Kontrolle über die Debatte zurückgewonnen. Sie nutzte die Gelegenheit, um zum eigentlichen Kern ihrer Argumentation vorzustoßen. Das Problem sei nicht die Rhetorik, sondern die reale Politik der Bundesregierung. Sie sprach von einer “Gewaltspirale in Deutschland durch Migrantenkriminalität, die sich überhaupt gar nicht von der Hand zuweisen lässt”.
Und dann brachte sie ihre eigene Statistik ins Spiel, die im krassen Gegensatz zu Pfeiffers Zahlen stand: Allein im letzten Jahr habe sich die “Anzahl an tatverdächtigen Asylbewerbern in der Kategorie Mord” und Rohheitsdelikten “verdoppelt”. “Darüber müssen wir sprechen, Herr Pfeifer!”, forderte sie energisch.
Weidel ließ ihren Gegnern keinen Raum mehr, zur Statistik-Debatte zurückzukehren. Stattdessen hämmerte sie auf den Punkt ein, den sie als die Ursache der Spaltung ansieht: den fortgesetzten Rechtsbruch der Regierung seit 2015. “Wir haben Gesetze, wir haben Asylgesetze, die gelten, die permanent gebrochen werden”. Sie sprach von der “völlig illegalen Grenzöffnung” und der Missachtung der Dublin-3-Verordnung.
Die AfD, so Weidels Schlussplädoyer, sei die “einzige Partei, die überhaupt diese Rechtsbrüchigkeiten zur Sprache bringt”. Und genau deshalb werde sie so heftig bekämpft – unter anderem durch das von Heiko Maas (SPD) eingeführte Netzdurchsetzungsgesetz, das sie als “Zensurgesetz” und “absolut undemokratisch” bezeichnete.
Als Pfeiffer, sichtlich frustriert, versuchte, sie zu unterbrechen, wies sie ihn scharf zurecht: “Herr Pfeifer, man merkt schon, Sie sind SPD-Politiker, weil Sie lassen einen nie ausreden”.
Die Debatte endete in einem Patt, aber Weidel hatte ihr Ziel erreicht. Sie war als Angeklagte in die Runde gestartet und hatte sie als Anklägerin verlassen. Sie hatte die Vorwürfe der Hetze als Doppelmoral entlarvt, die vermeintlich objektiven Statistiken des Kriminologen mit eigenen Zahlen und spezifischen Problemfällen gekontert und den Fokus auf das ihrer Meinung nach fundamentale Staatsversagen der Regierung Merkel gelenkt. Der Versuch, Alice Weidel in einer Live-Sendung argumentativ zu demontieren, war nicht nur gescheitert – er hatte ihr eine Plattform geboten, die Kernbotschaften ihrer Partei mit einer Schärfe zu präsentieren wie selten zuvor.